Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Späte Entschädigung für knapp 900 Ns-ghettoarbeiter
Seit zwei Jahren erhalten Betroffene einen einmaligen Rentenersatzzuschlag. Die Linke hält den Betrag für zu gering und verspätet
Berlin. Die Haustür haben die Arbeiter im Ghetto im polnischen Lodz bereits im ersten Winter, 1940, verheizt. Von früh bis spät arbeiteten die Menschen: Nähten Uniformen, flochten Schuhe aus Stroh oder reparierten Straßen für den Transport. Als „Lohn“bekamen sie am Tag eine Essensmarke für eine Suppe. Über vier Jahre lang wurden in Lodz, Polens zweitgrößter Stadt, 164.000 Juden eingesperrt, etwa ein Viertel der Bewohner kam ums Leben.
Seit 2002 gibt es in Deutschland das „Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto“(ZRBG), das Menschen für ihre Zeit in den Ns-ghettos entschädigen soll. Anspruch haben Personen, die insgesamt fünf Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben oder jene, deren Heimatland ein Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland hat, etwa Israel und die USA.
Alle, die heute in Deutschland keinen gesetzlichen Anspruch auf Rente haben, können seit Juli 2017 einen „Ersatzzuschlag“in Höhe von 1500 Euro beantragen. Wie eine Anfrage der Linken an die Bundesregierung nun ergeben hat, wurden in den vergangenen zwei Jahren 1376 Rentenersatzanträge gestellt und 859 Anträge bewilligt. Das meiste Geld ging an Betroffene in den USA (280 Personen), Israel (205), Deutschland (133) sowie aus der Ukraine (107). 347 Anträge wurden abgelehnt, da die Betroffenen in der Zeit ihres Ghettoaufenthalts jünger als sieben Jahre alt waren, Erben den Antrag gestellt haben oder die Antragsteller bereits Rentenzahlungen erhalten.
Allerdings kommt es bei der Antragstellung laut den Linken weiterhin zu Problemen. Bei aller Freude über die Rückzahlungen seien die Entschädigungen laut Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Linken, noch immer ein „unübersichtlicher Flickenteppich“. Zum einen komme die Regelung viel zu spät. „Zum anderen ist die Summe von 1500 Euro einfach zu gering, um nicht zu sagen: schäbig.“Jelpke ist überzeugt, dass es gerade in Osteuropa noch viel mehr Personen gibt, die von der neuen Regelung einfach nichts erfahren haben. „Die Informationspolitik der Bundesregierung ist eine Katastrophe.“
„Im Jahr 1997 hat das Bundessozialgericht im Fall des Ghettos Lodz ein Modell für die sozialrechtliche Entschädigung von Ghettoarbeitern durchdekliniert“, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Nils Johannsen. Ergebnis: das Entschädigungsgesetz 2002 – mehr als 50 Jahre nach Kriegsende. „Je nach Rentenanspruch standen den Geschädigten bis zu 300 Euro zu.“