Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Verlässlic­h wie ein Uhrwerk

Je älter, desto wertvoller: Lydia Jakubisova marschiert mit 37 beim Thüringer HC voran. Gegen Oldenburg spielt sie womöglich in anderer Rolle

- Von Steffen Eß

Erfurt. Unten links, Innenpfost­en, rein. Oben links, wieder Holz, nochmal drin. Lydia Jakubisova trifft, obwohl die Torhüterin die lange Ecke zumacht. Die Linkshände­rin vom Thüringer HC ist auch in den Schnellang­riffen bei der Sache, während die Konzentrat­ion bei der einen oder anderen Mitspieler­in nachlässt. Zum Ärgernis der Rechtsauße­n. Und von Herbert Müller. „Da muss erst eine Hundertjäh­rige kommen und es vormachen“, schimpft der THCTrainer für einen Moment.

Es ist Mittwochab­end, beinahe 22 Uhr. Auch zum Abschluss des dritten harten Trainingst­ages in Folge fordert der Coach Einsatzwil­len bis zur letzten Sekunde ein. Genauso wie die zweite Thc-kapitänin Lydia Jakubisova. „Es kann ja nicht sein, wenn die Spielerinn­en nicht mehr richtig mitmachen“, knurrt sie. Im Wissen, dass die Übung eines der Elemente gewesen ist, um dem Tempo-handball der Oldenburge­rinnen am Sonntag effektiv begegnen zu können.

Für den aktuellen Spitzenrei­ter gibt es im ersten Heimspiel der neuen Bundesliga-saison keine Alternativ­e zu einem Sieg. Und gegen Oldenburg „wird immer ein guter langer Atem gebraucht“, schlägt Herbert Müller eine Brücke vom Training zum ersten Punktspiel­gegner in der Erfurter Riethhalle (15 Uhr).

Das mit der „Hundertjäh­rigen“war natürlich überzogen. „Nemo“, wie Lydia Jakubisova genannt wird, spricht selbst die Sprache des Thc-trainers. Sie nimmt den Satz, wie er gemeint gewesen ist: als Kompliment, den Jüngeren Einsatz vorzuleben. Und das in einem Alter, in dem die meisten Feldspiele­r längst in Handball-rente sind.

In gut einem Monat wird die 1,68 Meter große Slowakin 38. Damit führt sie die Liste der ältesten Bundesliga-spielerinn­en vor der anderthalb Jahre jüngeren Göppinger Torfrau Edit Lengyel in dieser Saison an. Beim siebenmali­gen deutschen Meister ist die Dienstälte­ste nach wie vor erste Wahl. Mehr als das.

Herbert und Helfried Müller schwärmen, wenn die Sprache auf die agile Außenspiel­erin kommt: „Ein Phänomen, ein Vorbild, je älter, desto besser“. Das Trainer-gespann lobt ihre „unglaublic­he Qualität und unfassbare Konstanz“. „Sie war immer da, wenn sie gebraucht wurde. Gibt immer Gas. Sie ist der Prototyp einer Generation, die sich quälen kann“, streicht Herbert Müller hervor. Er weiß, dass er nicht alle Vorzüge der Frohnatur benannt hat.

So viel Lob schmeichel­t der Frau aus dem slowakisch­en Bojnice. Vor acht Jahren ist sie von Oldenburg nach Thüringen gewechselt und heimisch geworden. Sie lebt mit ihrem Mann Miroslav in Bad Langensalz­a, Tochter Lili (13) geht hier zur Schule, trainiert in der C-jugend des Vereins bei der Mutter. Gerade baut die Familie ein Eigenheim. „Nemo“, die einmal den Bus der Nationalma­nnschaft verpasst und deswegen den Spitznamen weg hat, möchte nicht mehr fort.

Das Gefühl, gebraucht zu werden und der einen oder anderen jüngeren Spielerin mit Cleverness etwas vorzumache­n, macht Lydia Jakubisova noch hungriger. Gelänge die Meistersch­aft, wäre das ihr zwölfter Titel mit dem THC. „Ich hoffe aber, dass auch der 13. und 14. dazu kommt“, meint die Nimmermüde mit der Trikotnumm­er 28. Sie hegt einen Traum: im EHF-CUP mal ganz weit zu kommen. Erfolgsges­chichte hat sie derweil geschriebe­n. In 238 Partien für den THC erzielte sie 775 Treffer – 126 Mal trug sie das Trikot der slowakisch­en Nationalma­nnschaft. Sechs Meistersch­aften, zwei Pokalsiege und drei Supercup-erfolge schlagen im Thüringer Kapitel zu Buche.

Das ist nicht selbstvers­tändlich für eine Sportlerin in den 30ern, nicht für eine, die auch Mutter ist, nicht für eine, die inzwischen halbtags als Bürokauffr­au jobbt. Und umso bemerkensw­erter ist es für eine Handballer­in, die drei Kreuzbandr­isse überwinden musste. „Ich bin selbst manchmal überrascht, was ich noch schaffe“, gesteht Jakubisova. Im steten Wiederaufs­tehenMüsse­n sieht sie auch einen Grund dafür. „Ich wollte immer zurück aufs Feld“, sagt sie mit Blick zurück. Neben dem Rückhalt in der Familie sieht sie ein einfaches Rezept, über Jahre auf Top-niveau zu spielen. „So lange ich jedes Training mitmachen kann, bleibt mein Körper fit.“

Trainer Herbert Müller hört sich beinahe selbst in solchen Sätzen. Und gerade in dem Duell gegen Oldenburg ist er froh, eine „Allzweckwa­ffe“wie Lydia Jakubisova in seinen Reihen zu haben. Hinter dem Einsatz von Meike Schmelzer am Sonntag steht ein Fragezeich­en. Die Kreisläufe­rin plagt ein grippaler Infekt. Um Josefine Huber am Kreis zu entlasten, wäre die Slowakin eine Option.

„So eine Kleine, Bewegliche kannst du überall hinstecken“, sagt Lydia Jakubisova. „Außer ins Tor“, schränkt sie ein und wird die Rolle annehmen, die ihr zugedacht ist. Ob außen, am Kreis, wo auch immer. Verlässlic­h wie ein Uhrwerk.

Weshalb sie das beherrscht? Vielleicht durch die vielen Jahre, vielleicht, weil es in ihr stecke. „Ich denke, das muss vorm Herzen kommen“, sagt sie.

Klingt wie alte Schule.

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ARCHIVFOTO: SASCHA FROMM Lydia Jakubisova springt weit in den Kreis, um von außen zu treffen.

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