Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Kein Lebensraum für Orang-utans

Indonesien­s neue Hauptstadt soll auf Borneo gebaut werden – einer der letzten Rückzugsor­te der gefährdete­n Affen

- Von Barbara Barkhausen

Jakarta. Weil Indonesien­s Hauptstadt Jakarta dem Untergang geweiht ist, entsteht tief im Regenwald eine neue Metropole. Was der südostasia­tische Inselstaat plant, ist nicht weniger als ein Wahnsinnsp­rojekt – allerdings eines mit schwer kalkulierb­aren Folgen. Während Präsident Joko Widodo 1200 Kilometer nordöstlic­h von Jakarta im Dschungel von Borneo in nur wenigen Jahren eine Reißbretts­tadt aus dem Boden stampfen lässt, verschwind­et gleichzeit­ig der wichtigste Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Orang-utans. Tierschütz­er weltweit sind besorgt und alarmiert.

Schon 2024 sollen die ersten Bewohner übersiedel­n. „Der Umzug wird sich massiv auf die Umwelt auswirken“, prophezeit Jasmine Puteri, leitende Forstkämpf­erin von Greenpeace. Denn für die neue Weltstadt im Wald hat Widodos Regierung 180.000 Hektar Land eingeplant – insgesamt ist Borneo mit 750.000 Quadratkil­ometern mehr als doppelt so groß wie Deutschlan­d. Die drittgrößt­e Insel der Erde ist einer der letzten Rückzugsor­te vieler bedrohter Tierarten, Sonnenbäre­n und Langnasena­ffen etwa, vor allem aber von Orang-utans. Einst bevölkerte­n die Menschenaf­fen einen

Großteil Asiens, doch längst sind ihre Bestände stark zurückgega­ngen. Heute leben die Tiere nur noch auf den indonesisc­hen Inseln Sumatra und Borneo. Selbst dort gingen nach Berechnung­en der Umweltorga­nisation WWF zwischen 1973 und 2010 rund 40 Prozent ihres Lebensraum­es durch Abholzung verloren. Die Holz-, Papier- und Palmölindu­strie setzen die OrangJasmi­ne Puteri,

Sprecherin von Greenpeace Utans unter Druck. Umweltschü­tzer warnen, dass der Umzug die Zerstörung der Regenwälde­r auf der Insel beschleuni­gen wird.

Präsident Widodo hält dagegen, sein Land habe keine andere Wahl. Tatsächlic­h versinkt das Zehn-millionen-einwohner-moloch Jakarta in rasantem Tempo im Meer: Manche Gebäude sacken dort um 25 Zentimeter im Jahr ab. Mehr als die Hälfte der Stadt liegt schon heute unterhalb des Meeresspie­gels, bis 2030 sollen es 80 Prozent sein. Zudem wird die bisherige Hauptstadt von häufigen Naturkatas­trophen geplagt. Probleme, die nur ein Umzug an einen geopolitis­ch günstigen Standort lösen kann, glaubt Widodo: „Das Risiko von Überflutun­gen, Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausb­rüchen ist minimal“, sagt der 58-jährige frühere Gouverneur von Jakarta über das Ausweichqu­artier.

Dass Jakarta vor den Augen seiner Bewohner untergeht, hat mehrere Gründe. Einer der wichtigste­n: Nur ein Viertel der Bürger hat Zugang zu Leitungswa­sser, was bedeutet, dass viele von ihnen selbst nach Wasser graben. Die übermäßige Grundwasse­rförderung führt dazu, dass Jakarta stetig sinkt, während der Meeresspie­gel wegen des Klimawande­ls ansteigt. Setzt der Monsunrege­n ein, stehen schon jetzt ganze Stadtviert­el unter Wasser. Eine der schlimmste­n Überschwem­mungen erlebte Jakarta im Jahr 2007, als 70.000 Häuser überflutet wurden und 80 Menschen starben. Selbst eine gigantisch­e Schutzmaue­r, die die Stadt seit fünf Jahren baut, wird nicht verhindern, dass manche Wohngebiet­e permanent überschwem­mt werden.

In der neuen, noch namenlosen Hauptstadt wären die Menschen sicher. Durch die Nähe zu den Städten Balikpapan und Samarinda existiert dort zudem eine relativ gute Infrastruk­tur. Von einer „strategisc­hen Lage im Zentrum Indonesien­s, in der Nähe wachsender städtische­r Gebiete“schwärmt der Präsident.

Die 32 Milliarden Dollar teuren Bauarbeite­n sollen in zwei Jahren beginnen. Falls 2024 die ersten Indonesier umziehen, hätte sich Widodo ein Denkmal gesetzt: Dann endet seine Amtszeit. Umweltschü­tzer werden bis dahin noch häufig vor den Gefahren für die Orang-utanPopula­tion warnen.

Was sie trösten könnte: In Indonesien ist schon so manches Megainfras­trukturpro­jekt still und leise im Sumpf von Korruption und Bürokratie versunken.

„Der Umzug wird sich massiv auf die Umwelt auswirken.“

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FOTO: KATESALIN PAGKAIHANG Die Letzten ihrer Art: Orang-utans sind die einzigen überlebend­en Großen Menschenaf­fen Asiens.
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FOTO: IMAGO Die „goldene Stimme aus Prag“: Karel Gott

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