Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Tante Emma dahingerafft
Tante Emma hieß in meiner Kindheit Michaela. Die Mutter meines Schulfreunds Thomas machte mit ihrem kleinen – aus dem ehemaligen Konsum hervorgegangenen – Eckladen eine ganze Familie glücklich: Während Muttern Obst kaufte und Vater im neuesten „Kicker“blätterte, bestaunte ich Modellbausätze. Hinzu kamen Getränke, Tabakwaren und Handarbeitsutensilien. Und das auf nicht einmal 50 Quadratmetern. Für mich war das immer ein Einkaufsparadies, für mein Dorf manchmal Lebensretter.
Doch dem Lädchen ging es nicht besser als den meisten anderen: Während Handelsriesen in Metropolen seit Kurzem wieder mit dem Tante-emma-konzept experimentieren, haben sie auf den Dörfern bald jede Tante Emma zu Grabe getragen. Handelsforscher sehen zwar plötzlich wieder Chancen für kleinflächige, nicht filialisierte Angebote. Zunächst aber vor allem in Großstädten. Bis dieser Trend auch uns erreicht, bleibt wohl Niedersachswerfens alter HO die Metapher einer Entwicklung: Da lebt mittlerweile eine Fuchsfamilie im verwaisten Laden...