Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Atomkraft soll länger genutzt werden
Grüne und SPD halten Streckung der Laufzeiten für möglich. CDU und FDP für Verlängerung
Erfurt. Der Widerstand der Grünen gegen einen vorübergehenden Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus wird weicher. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-eckardt erklärte in der ARD, dass in einer „wirklichen Notsituation“darüber zu reden sei, ob die Brennstäbe länger einsatzfähig seien. In einem sogenannten Streckbetrieb würde die Leistung der Atomkraftwerke gedrosselt, um die Brennstäbe länger nutzen zu können.
Sie halte es für richtig, dass das Bundeswirtschaftsministerium erneut prüfe, ob es im nächsten Jahr zu Versorgungsproblemen kommen könnte, sagte die Thüringer Bundestagsabgeordnete dieser Zeitung. Neue Brennstäbe werde es nicht geben. „Wie die vorhandenen abgebrannt werden, muss geklärt werden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen.“Göring-eckardt bekräftige zudem, dass sie gegen eine echte Laufzeitverlängerung sei. „Es muss beim vereinbarten Atomausstieg bleiben“, sagte sie.
Für den Thüringer Cdu-landtagsfraktionschef Mario Voigt zeigen die Äußerungen, dass die Grünen „zur Vernunft“kämen. „Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke darf in der aktuellen Weltlage nicht an Ideologie scheitern, sondern muss sich an der Realität orientieren“, sagte er.
Die drei noch laufenden Kraftwerke Neckarwestheim 2, Emsland und Isar 2 erzeugen rund 6 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms. Mit Erdgas werden bisher etwa zehn Prozent des Stroms erzeugt – wobei sich dieser Anteil ab Januar ohne die Atomkraft eher noch erhöhen dürfte.
„Wenn wir weniger Gas haben, werden wir vermehrt mit Strom heizen“, sagte Voigt. „Es wäre politisch verantwortungslos, mitten in der Krise eine solche Chance liegen zu lassen.“Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte bereits betont, dass Deutschland dank der Atomkraftwerke in den nächsten Jahren weniger klimaschädliche Braunkohle einsetzen müsse. „Damit sparen wir viele tausend Tonnen Kohlendioxid“, sagte er dieser Zeitung.
Voigts Spd-amtskollege Matthias Hey sprach sich grundsätzlich dagegen aus, die Laufzeit zu verlängern. „Mich überzeugen die meisten Argumente einfach nicht“, sagte er dieser Zeitung. Die einzige Ausnahme sei für ihn: „Wenn eine technische Möglichkeit besteht, die drei Werke für einen Zeitraum zu nutzen, um bei der Stromversorgung besser durch den Winter zu kommen, muss man das jetzt prüfen.“
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte zuletzt einen zweiten sogenannten Stresstest begonnen, bei dem die Belastung der Stromversorgung unter verschärften Annahmen simuliert wird. Eine Regierungssprecherin von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Montag, dass dabei auch längere Laufzeiten ergebnisoffen geprüft würden.
Die Atommeiler versorgen zehn Millionen Haushalte mit Strom und helfen dabei, die Belastung für die Bürger zu verringern. Mario Voigt Cdu-fraktionschef im Thüringer Landtag