Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Generelles Tempolimit scheitert an FDP und CSU
Politiker aus Berlin und Erfurt beantworten Ihre Fragen unter anderem zum Thema Energiekostenzuschuss für Rentner und zur Rolle der Nato
Erfurt. Inflation und Energiekostenzuschuss, Ukraine-krieg und Gaspreise, Renten und Diäten – zu vielen unterschiedlichen Themen haben uns Ihre Fragen erreicht, um deren Beantwortung wir uns bemühen. Hier die ersten Antworten:
Warum werden Rentenerhöhungen immer nur prozentual erhöht und nicht mit einem Festbetrag? So werden die reichen Rentner immer reicher, die mit wenig Rente verarmen immer stärker…
Es antwortet Simone Prühl aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Das System der gesetzlichen Rentenversicherung beruht auf dem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit. Die Höhe einer Rente richtet sich daher vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen.
Diesem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit folgt auch die geltende prozentuale Anpassung der Renten, die sich grundsätzlich an der Entwicklung der Löhne und Gehälter orientiert. Eine jährliche Rentenerhöhung um einen für alle Renten gleich hohen Festbetrag wäre mit dem Prinzip der Lohn- und Beitragsbezogenheit nicht vereinbar. Denn während bei der geltenden prozentualen Rentenanpassung das Verhältnis zwischen höheren und niedrigeren Renten gleich bleibt, würde sich bei einer Anpassung um einen Festbetrag der relative Abstand zwischen niedrigeren und höheren Renten vermindern. Im Ergebnis würden dann Beitragszahler, die mehr Beiträge eingezahlt haben (Bezieher höherer Renten), mit jeder Rentenanpassung im Verhältnis zu den Beitragszahlern, die weniger Beiträge eingezahlt haben (Bezieher niedrigerer Renten), eine prozentual geringere Rentenanpassung erhalten. Im Zeitablauf würde sich damit die Rentenhöhe zum Nachteil der Beitragszahler verschieben, die mehr Beiträge eingezahlt haben.
Warum wird in Deutschland kein Tempolimit eingeführt?
Dazu erklärt Thüringens Umweltund Energieministerin Anja Siegesmund (Grüne): Es liegt insbesondere bei einem Ampelpartner der Koalition in Berlin, von gelb auf grün zu stellen für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Ich habe mich dazu eindeutig positioniert. Ein Tempolimit ist eine schnelle
und effektive Maßnahme, um viele Millionen Liter Sprit und Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen. Warum sollte nicht gelingen, was europäischen Nachbarn wie Frankreich und Italien längst umgesetzt haben?
Anmerkung der Redaktion: Wie die FDP lehnt auch die CSU ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ab. So sprachen sich der bayerische Ministerpräsident und Csu-vorsitzende Markus Söder als auch der verkehrspolitische Sprecher der Cdu/csu-bundestagsfraktion, Thomas Bareiß, dagegen aus. „Es ist kein wirkungsvolles Mittel, um der aktuellen Energiekrise zu begegnen, und lenkt von wirklichen Problemen ab“, so Bareiß. Zuvor hatte Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) ein Tempolimit nicht ausgeschlossen.
Die stark steigenden Energiepreise und Mieten bringen sicher viele Mieter in Zahlungsschwierigkeiten. Was passiert, wenn durch ausbleibende Mieteinnahmen einige Wohnungsgesellschaften und andere Vermieter in Zahlungsschwierigkeiten oder gar Insolvenz kommen?
Dazu Katja Müller vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: Wenn Mieter hinsichtlich ihrer Mieten und Betriebskosten in Zahlungsschwierigkeiten gegenüber ihren Vermietern geraten, handelt es sich zunächst um eine zivilrechtliche Angelegenheit. Es kommt dann darauf an, wie Vermieter entsprechend der jeweiligen Mietverträge vorgehen, wenn Mieter Betriebskosten nicht oder nicht vollständig zahlen können. Das gilt sowohl für Vermieter, die nur wenige Wohnungen unterhalten als auch für Wohnungsunternehmen.
Sofern die betroffenen Unternehmen in Interessensverbänden der Wohnungswirtschaft, etwa dem
Bundesverband deutscher Wohnungsund Immobilienunternehmen GDW oder dem Verband der Thüringer Wohnungswirtschaft vtw organisiert sind, ist davon auszugehen, dass sie zunächst mit diesen Kontakt aufnehmen werden. Ist die Zahl derer, die im Hinblick auf diese Problematik Kontakt mit ihrem Verband aufnehmen hinreichend groß, würde sich dieser wiederum an das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft wenden und Lösungsvorschläge unterbreiten. Bei gleicher Sachlage wäre dann zu beachten, dass kleinere Vermieter nicht schlechter gestellt sein dürfen als große Wohnungsunternehmen. Wobei stets die Frage zu klären ist, ob die wirtschaftliche Schieflage des betroffenen Unternehmens maßgeblich auf die Gasversorgungssituation zurückzuführen ist.
Nach momentanen Stand und hiesiger Kenntnis sind dafür jedoch keine Haushaltsmittel vorgesehen. Denkbar wäre dann ein Fonds, etwa wie im Zuge der Corona-krise. Hierbei handelt es sich aber bislang um ein theoretisches Konstrukt.
Windparks müssen dort entstehen, wo sie mit der höchsten Effizienz betrieben werden können. Meine Frage an die Thüringer CDU: Warum leistet ihr euch noch den Luxus, mit der Blockade
von potenziellen Standorten auf Wählerstimmenfang zu gehen?
Dazu erklärt der umwelt- und energiepolitische Sprecher der Cdu-fraktion im Thüringer Landtag, Thomas Gottweiss: Das Thema Energie-versorgung hat für die CDU im Thüringer Landtag Priorität. Dabei setzen wir auf einen klugen Energiemix, der neben Windund Sonnenenergie auch Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie berücksichtigt. Langfristig haben wir den Anspruch, dass Thüringen bis 2040 zum Eigenversorger wird. In diesem Zusammenhang blockieren wir keinen Ausbau Erneuerbarer Energien – ganz im Gegenteil. In den sieben Jahren Cdu-regierung sind mehr Windräder (181) gebaut worden, als in sieben Jahren Rotrot-grün (122). Das gleiche gilt für den Ausbau von Photovoltaik-anlagen. Unser Konzept der Energieautobahn sieht etwa vor, Photovoltaikoder Windkraftanlagen entlang von Autobahnen oder Bahntrassen zu errichten. Entscheidend ist, dass wir uns an der Leistung und dem Verbrauch orientieren, und nicht stur an abstrakten Flächenzielen festhalten. Neue Modelle sind erheblich leistungsfähiger und tragen am Ende sogar dazu bei, dass wir rechnerisch weniger Windräder benötigen als derzeit in Thüringen stehen. Ein Tabu bleibt für uns bei der Standortsuche der Wald. Als Grünes Herz Deutschlands haben wir einen bundesweiten Ruf. Es muss Ziel sein, unseren Wald zu schützen und aufzuforsten, nicht zusätzlich Flächen zu versiegeln.
Wieso gibt es für den Krieg in der Ukraine nach Aussagen von Natomilitärexperten keine diplomatische Lösung mehr – und warum wird diese Strategie durch die deutsche Politik unterstützt?
Auf diese Frage antwortet Oliver Kessler, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Erfurt: Solche Aussagen sind eher dem Bereich der Rhetorik zuzuordnen. Sie setzen ja voraus, dass es für Russland eine militärische Niederlage im klassischen Sinne gibt und Putin sie auch akzeptieren müsste. Ich bin kein Militärexperte – aber ich würde schon gerne wissen wollen, wie denn dieser Krieg nicht-diplomatisch beendet werden soll?
Als sich 1991/92 der Warschauer Pakt aufgelöst hat und der Kalte Krieg endete, warum hat sich nicht zum gleichen Zeitpunkt die Nato auch aufgelöst?
Dazu antwortet ebenfalls Politikwissenschaftler Oliver Kessler von der Universität Erfurt:
Dazu gibt es inzwischen zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen. Es ist immer verführerisch, damalige Entscheidungen aus dem heutigen Blickwinkel zu betrachten. Es ist schwieriger, damalige Alternativen und Entscheidungen aus der damaligen Situation heraus zu rekonstruieren. Damals gab es ja ganz andere Überlegungen, etwa dass die Nato der OSZE unterstellt werden sollte. Doch dann kam der Jugoslawienkrieg und der Rest ist bekannt.
Langfristig haben wir den Anspruch, dass Thüringen bis zum Jahr 2040 zum Eigenversorger wird. Thomas Gottweiss Umwelt- und energiepolitischer Sprecher der Cdu-fraktion im Thüringer Landtag
Warum bekommen Rentner den Energiekostenzuschuss nicht? Dazu erklärt das Bundesfinanzministerium:
Mit der Energiepreispauschale soll ein Ausgleich für die gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen geschaffen werden. Sie ist ein Entlastungselement, das die Energiepreisentwicklung für die Bevölkerungsgruppen berücksichtigt, denen typischerweise Fahrtkosten im Zusammenhang mit ihrer Einkünfteerzielung entstehen. Wenn Senioren neben ihren Alterseinkünften in einem Arbeitsverhältnis stehen und Lohn beziehen oder als Freiberufler oder Unternehmer Einkünfte beziehen, erhalten auch sie die Energiepreispauschale.