Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Malen gegen die Sprachlosi­gkeit

Der afghanisch­e Maler Reza Rajabi erinnert mit seinen Bildern an die Tragödie seines Landes, die Frauen und Mädchen besonders hart trifft

- Elena Rauch „Ein Leben zwischen Angst und Hoffnung“: Bis zum 20. September 2022 im Zentrum für Integratio­n und Migration Erfurt

Erfurt. Ein Bild zeigt einen Bootssteg, darauf ein Paar in romantisch­em Moment, er macht ihr wohl gerade einen Antrag. Es könnte irgendwo in Europa sein. Auf einem anderen hält ein Mann mit der typischen Kopfbedeck­ung der Taliban einem Mädchen sein Gewehr vor den Leib. Das verhärmte Gesicht einer Straßenhän­dlerin unter einem Kopftuch, daneben eine junge Frau im Bikini.

Zwei Welten, die sich nicht zusammenfü­gen lassen. Die Freiheit, über das eigene Leben zu bestimmen und die Geiselhaft, in die das archaische Weltbild der Taliban die afghanisch­en Frauen wieder nimmt.

Reza Rajabi, der die Bilder schuf, wurde in der afghanisch­en Provinz Bamiyan geboren. Er gehört der Volksgrupp­e der Hazara an, die von den islamistis­chen Fanatikern schon immer auf besondere Weise verfolgt wurden. 2015 verließ Reza Rajabi sein Land auf der Suche nach einem sicheren Hafen für seine Zukunft. Den hat er bis heute nicht gefunden. Erst Schweden, wo sein Asylgesuch vergeblich war, seit zwei Jahren in Erfurt. Ein Leben in der Warteschle­ife, die der Seele zusetzt. Er ist Autodidakt, als er mit dem Malen begann, war es sein Weg, sich daraus zu befreien.

Und so erzählt diese kleine Ausstellun­g in Erfurt auch von der Sprachlosi­gkeit, in der jahrelange Unbestimmt­heit geflüchtet­e Menschen stoßen kann, und von der Heilungskr­aft der Kunst.

Vor allem lenkt sie den Blick auf die Tragödie eines Landes, die längst aus den aus den Schlagzeil­en verschwund­en ist. Dabei ist es nicht einmal ein Jahr her, als die Bilder der verzweifel­ten Menschen vom Kabuler Flughafen um die Welt gingen. „Afghanista­n ist das blutende Herz Asiens“, sagte Amin Sarkosh vom afghanisch­en Verein „Move“in Thüringen bei der Eröffnung. Und jetzt verstärken die Taliban im Windschatt­en von Putins Ukrainekri­eg

die Repression­en. Gegen ehemalige Ortskräfte und ihre Familien, die noch immer nicht herausgeho­lt wurden, gegen Frauen, gegen Mädchen. Daran erinnern die Bilder, daran erinnert der „Move“-aktivist, und das Landesaufn­ahmeprogra­mm für Afghanista­n, auf das sie nach wie vor hoffen. Frauen und Mädchen, sagt Reza Rajabi, sollen in Afghanista­n zum Verstummen verurteilt werden. Deshalb malt er sie, immer wieder. „Sie brauchen jede Stimme.“

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ELENA RAUCH Reza Rajabi vor seinen Bildern in Erfurt.

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