Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Malen gegen die Sprachlosigkeit
Der afghanische Maler Reza Rajabi erinnert mit seinen Bildern an die Tragödie seines Landes, die Frauen und Mädchen besonders hart trifft
Erfurt. Ein Bild zeigt einen Bootssteg, darauf ein Paar in romantischem Moment, er macht ihr wohl gerade einen Antrag. Es könnte irgendwo in Europa sein. Auf einem anderen hält ein Mann mit der typischen Kopfbedeckung der Taliban einem Mädchen sein Gewehr vor den Leib. Das verhärmte Gesicht einer Straßenhändlerin unter einem Kopftuch, daneben eine junge Frau im Bikini.
Zwei Welten, die sich nicht zusammenfügen lassen. Die Freiheit, über das eigene Leben zu bestimmen und die Geiselhaft, in die das archaische Weltbild der Taliban die afghanischen Frauen wieder nimmt.
Reza Rajabi, der die Bilder schuf, wurde in der afghanischen Provinz Bamiyan geboren. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an, die von den islamistischen Fanatikern schon immer auf besondere Weise verfolgt wurden. 2015 verließ Reza Rajabi sein Land auf der Suche nach einem sicheren Hafen für seine Zukunft. Den hat er bis heute nicht gefunden. Erst Schweden, wo sein Asylgesuch vergeblich war, seit zwei Jahren in Erfurt. Ein Leben in der Warteschleife, die der Seele zusetzt. Er ist Autodidakt, als er mit dem Malen begann, war es sein Weg, sich daraus zu befreien.
Und so erzählt diese kleine Ausstellung in Erfurt auch von der Sprachlosigkeit, in der jahrelange Unbestimmtheit geflüchtete Menschen stoßen kann, und von der Heilungskraft der Kunst.
Vor allem lenkt sie den Blick auf die Tragödie eines Landes, die längst aus den aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Dabei ist es nicht einmal ein Jahr her, als die Bilder der verzweifelten Menschen vom Kabuler Flughafen um die Welt gingen. „Afghanistan ist das blutende Herz Asiens“, sagte Amin Sarkosh vom afghanischen Verein „Move“in Thüringen bei der Eröffnung. Und jetzt verstärken die Taliban im Windschatten von Putins Ukrainekrieg
die Repressionen. Gegen ehemalige Ortskräfte und ihre Familien, die noch immer nicht herausgeholt wurden, gegen Frauen, gegen Mädchen. Daran erinnern die Bilder, daran erinnert der „Move“-aktivist, und das Landesaufnahmeprogramm für Afghanistan, auf das sie nach wie vor hoffen. Frauen und Mädchen, sagt Reza Rajabi, sollen in Afghanistan zum Verstummen verurteilt werden. Deshalb malt er sie, immer wieder. „Sie brauchen jede Stimme.“