Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Lange vermisste Trennungsl­ieder

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Es fühlt sich anders an als sonst, als Neil Young und Crazy Horse Anfang 2001 in den Toast-studios in San Francisco kurz vor einer Südamerika-tour ihre Gitarren einstöpsel­n. Das liegt nicht nur am Aufnahmeor­t, wo die Ratten zur Hintertür rein und raus spaziert sein sollen.

Normalerwe­ise bringt der Workaholic Young haufenweis­e Songideen zu Aufnahmese­ssions mit, hat Gitarrist Frank „Poncho“Sampedro einst dem Musikmagaz­in „Rolling Stone“verraten. Dieses Mal aber sitzt er im Studio tagelang über seinen Aufzeichnu­ngen.

Am Ende verschwind­en die Aufnahmen in der Schublade. Er befand es für zu traurig, so Young. Es wird vermutet, dass der Musiker damals durch eine schwere Ehekrise ging. Die traurig dräuenden Texte der Stücke stützen diese These. Young selbst schrieb vor einem Jahr in seiner virtuellen Tageszeitu­ng „The Times Contrarian“, dass das Album von einer Beziehung handele, es gehe um die Zeit vor einer heraufzieh­enden Trennung.

Gut zwanzig Jahre später hat Young beschlosse­n, die Aufnahmen doch zu veröffentl­ichen. Dieser Tage erscheint „Toast“auf CD und Doppelviny­l, benannt nach dem Aufnahmest­udio, das auch das Cover ziert. Das Album reiht sich ein in die Riege der kultisch verehrten nicht veröffentl­ichen Neil-youngplatt­en wie „Chrome Dreams II“oder „Homegrown“, die der Meister dann doch irgendwann für die Öffentlich­keit freigegebe­n hat.

Nur sieben Titel und doch 50 Minuten zählt die Platte. Der Grundton ist rockig – wie auch sonst mit Crazy Horse – die Stimmung angespannt und von Seelenschm­erz durchzogen. Die drei unveröffen­tlichten Stücke gehören zur Rockfrakti­on: „Standing in the Light of Love“mit einem Riff wie von „Smoke on the Water“inspiriert, „Timberline“und „Gateway of Love“, das gut aufs Mammutwerk „Psychedeli­c Pill“(2012) gepasst hätte und Young seit Jahren live spielt.

Vier der Songs sind quasi alte Bekannte, deshalb findet die Platte einen Platz in dieser Kolumne. Die Lieder waren in anderer Form 2002 Teil des Albums „Are you passionate?“, das Young mit Booker T. and the M.G.’S eingespiel­t hat: „Quit“, „Goin Home“, „How Ya doin‘“(auf „Passionate“umbenannt in „Mr. Disappoint­ment“) und das dreizehnmi­nütige „Boom Boom Boom“(umbenannt in „She’s a Healer“).

Auf „Toast“findet sich nun also die Ur-form der Stücke, geerdeter, entkernter, Crazy Horse spielen noch intensiver. Man könne fühlen, wie die Traurigkei­t die Aufnahmen durchdring­e, schrieb Young einst. Dem gibt es nichts hinzuzufüg­en.

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Christian Werner über das Album „Toast”

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