Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Nicht jedes Krankenhaus kann alles bieten
Ex-klinikchefin für neue Struktur bei Gesundheitsversorgung
Erfurt. Einen Schuldigen hat Kerstin Haase bereits ausgemacht: Arztserien im Fernsehen vermittelten den Menschen einen völlig unrealistischen Einblick in den Klinikalltag, findet die Vorsitzende der Thüringer Landesarbeitsgruppe Krankenhaus und Rehabilitationskliniken im Wirtschaftsrat. Wenn sich dort Ärzte im kleinen Krankenhaus um die Ecke für jedwede Erkrankung zuständig fühlten, fördere das bei den Zuschauern auch eine gewisse Erwartungshaltung: Statt zum Beispiel bei planbaren Operationen in ein spezialisiertes Zentrum zu gehen, suchten sie das nächste Krankenhaus in der Hoffnung auf, „dort tipptopp behandelt zu werden“.
Doch das funktioniere in Zukunft nicht mehr: Zum einen, so die Exklinikchefin beim jüngsten Nachmittagstalk der Barmer, verlange der medizinische Fortschritt immer spezialisierter ausgebildetes Personal, das – mit Blick auf Kosten und Fachkräftemangel – nicht jede Klinik vorhalten könne. Zum anderen benötigten Ärzte für eine hohe Versorgungsqualität bestimmte Fallzahlen, wie sie nur in spezialisierten Häusern erreicht würden. Zudem würden immer mehr Ärzte auf eine bessere Vereinbarkeit von Arbeitsund Privatleben pochen, was die Ressource Mensch in der Medizin ebenfalls begrenzt. Im Ergebnis sei es Zeit für einen Strukturwandel in der Kliniklandschaft: Nicht jedes Krankenhaus müsse alles machen, stattdessen eine gestufte Versorgung stattfinden. Voraussetzung dafür sei allerdings ein völlig anders aufgestelltes Rettungswesen.
Bisher, so Haase, sei die Bevölkerung noch nicht so weit gewesen, das zu sehen und nicht auf die Barrikaden zu gehen, wenn im Krankenhaus vor Ort eine Abteilung geschlossen wird, um die Ressourcen woanders zu konzentrieren. Um die Gesundheitskompetenz der Menschen zu steigern, sucht Haase das Gespräch mit den Medien – auch für mehr Realität in Arztserien.