Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Gedenken und vernetzen
Bodo Ramelow nimmt als Bundesratspräsident an Sinti- und Roma-tag in Auschwitz teil
Erfurt. Es wird nur eine Tagesreise, aber sie hat einen hohen Symbolwert: Am ersten Dienstag im August fliegt Bodo Ramelow nach Krakau. Mit dabei: Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, aber auch Reinhard Schramm, der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Ihr gemeinsames Ziel: das ehemalige deutsche Vernichtungslager Auschwitz-birkenau.
Vor sieben Jahren wurde der 2. August vom Europäischen Parlament als Europäischer Holocaustgedenktag für Sinti und Roma anerkannt – in Erinnerung an die
500.000 ermordete Sinti und Roma im Ns-besetzten Europa. Die Gedenkveranstaltung wird auch in diesem Jahr durch den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, das Dokumentations
und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma und den Verband der Roma in Polen im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-birkenau ausgerichtet. Auf Einladung von Romani Rose, so heißt es aus der Staatskanzlei, werde Ministerpräsident Bodo Ramelow in seiner Funktion als Bundesratspräsident einen Kranz niederlegen und eine Rede halten. Ramelow sagt, dass erstmalig ein so hoher Vertreter der Bundesrepublik diesen Gedenktag wahrnehme. Ramelow hat eine besonders enge Verbindung zu Romani Rose und Reinhard Schramm. „Meine erste Amtshandlung als neugewählter Ministerpräsident 2014 war der Besuch in der Jüdischen Landesgemeinde, wo Romani Rose auf Einladung von Reinhard Schramm über den Umgang mit Sinti und Roma in Osteuropa berichtet hat.“Es sei ihm eine Ehre, jetzt auf Vorschlag von Romani Rose die Gedenkrede halten zu dürfen. Ramelow gibt zu bedenken, dass „die Opfergruppe der Sinti und Roma in Deutschland viel zu lange aus dem Blickfeld war. Und viel zu lange hat man reflexartig diskriminierende Formulierungen für Sinti und Roma gerne gebraucht, auch bei polizeilichen Ermittlungen wurde etwa mit ,fahrendem Volk’ hantiert.“
Stereotype reichen bis in die Gegenwart, etwa bei großen Familienverbünden,
die aus der Ukraine kommen. „Eins muss man deutlich sagen: Die Menschen, die da kommen, sind Menschen. Und es sind ukrainische Staatsbürger, die der Roma-minderheit angehören.“
Ramelow erinnert an Berichte von Romani Rose über die erschwerten Lebensumstände dieser Menschen, auch in Ungarn, Rumänien und weiteren süd-osteuropäischen Ländern.
Ramelow erinnert an eine Familie, die er schon lange kennt und die in einem Westthüringer Dorf lebt, fleißig, gut integriert. „Wenn man weiß, wer die Menschen sind, sieht man nicht zuerst die Ansammlung von Problemen“, ist seine Erfahrung.
„Aber ich merke auch bei dem, was ich gerade höre angesichts ukrainischer Roma: Die Stereotype sind noch nicht verflogen.“Ramelow verweist auf die Thüringer Roma-vertretung. „Wir wollen frühzeitig auf jene Familien, die zu uns kommen, zugehen. Stigmatisieren löst keine Probleme. Und Fernhalten löst auch keine Probleme“, zumal hier die gleichen Bedingungen gelten wie für alle anderen Ukrainer auf der Flucht auch. „Wir müssen aktiv auf diese Menschen zugehen“, verweist er auf Verbindungen, die es aus der Staatskanzlei mit der Romavertretung in Thüringen gibt. Ziel sei es, „gemeinsam ein Netzwerk aufzubauen“.