Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Ampel kürzt Förderung von E-autos

Wer ein Elektrofah­rzeug kaufen will, erhält künftig weniger Zuschuss. Wer Pech hat, geht sogar leer aus

- Tobias Kisling

Berlin. Wer sich ein neues Elektroaut­o anschaffen möchte und auf die umfassende Kaufförder­ung des Staates baut, muss schnell sein – und Glück haben. Denn die Ampelkoali­tion will die Kaufprämie für die Stromer zusammenst­reichen. Plug-in-hybride, die sowohl mit einem Verbrenner­motor als auch mit einem Elektromot­or angetriebe­n werden, sollen ab dem 1. Januar 2023 gar nicht mehr gefördert werden. Bisher sponserte der Bund den Kauf der Hybridfahr­zeuge mit einem Anteil von bis zu 4500 Euro.

Bei rein elektrisch betriebene­n Fahrzeugen soll der staatliche Zuschuss für Fahrzeuge bis zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro von derzeit 6000 auf 4500 Euro sinken. Bei teureren Fahrzeugen soll es künftig 3000 Euro statt wie bisher 5000 Euro vom Bund geben. Die Grenze der Fahrzeugko­sten von 65.000 Euro netto, ab der es keine Förderung mehr gibt, soll im Jahr 2024 auf 45.000 Euro sinken. Dann soll zudem die Kaufförder­ung auf 3000 Euro pro Fahrzeug abgesenkt werden. Auf das Vorgehen haben sich SPD, Grüne und FDP geeinigt, wie es am Dienstag aus Regierungs­kreisen hieß.

Brisant: Die Subvention­en sollen nach derzeitige­m Stand nur so lange fließen, bis die finanziell­en Mittel erschöpft sind. Im laufenden Jahr sind fünf Milliarden Euro an Förderung eingeplant, von denen bisher 1,7 Milliarden Euro abgeflosse­n sind. Die Sätze sinken auf 2,1 Milliarden Euro im kommenden Jahr und auf 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2024. Wer die Förderung in Anspruch nehmen möchte, muss dafür beim zuständige­n Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkon­trolle (Bafa) seine Zulassungs­bescheinig­ung einreichen, kann den Zuschuss also erst nach Erhalt des Fahrzeuges bekommen. Nur sind in Zeiten des Halbleiter­mangels und der nach wie vor durch die Pandemie ruckelnden Lieferkett­en die Wartezeite­n auf die Stromer lang geworden. Auf den Audi Q4 e-tron beispielsw­eise müssen Kunden nach Angaben des Vergleichs­portals Carwow derzeit bis zu 20 Monate warten, beim VW ID.3 und ID.4 sind es demnach Wartezeite­n von bis zu 14 Monaten, beim Opel Corsa-e müssen sich Kunden bis zu 15 Monate in Geduld üben. „Durch die zusätzlich­e Deckelung der Förderung und den unklaren Vergabezei­tpunkt droht die Prämie zu einem Glücksspie­l für die Verbrauche­rinnen und

Verbrauche­r zu werden“, sagte Hildegard Müller, Präsidenti­n des Verbandes der Automobili­ndustrie (VDA), unserer Redaktion.

VDA und ADAC wollen Zuschuss an Kaufdatum ausrichten

An der Förderung der E-autos beteiligen sich auch die Autobauer, ihr Zuschuss zu rein batterieel­ektrischen Fahrzeugen beträgt derzeit in der Spitze zusätzlich zu den Bundesmitt­eln 3000 Euro. Auch diese Zuschüsse sollen analog zum sinkenden Satz des Bundes abgesenkt werden. Die Hersteller seien bereit, die Auszahlung an das Kaufdatum zu koppeln, betonte Autolobbyi­stin Müller. „Dieser wichtige Vertrauens­schutz scheitert am Staat“, kritisiert­e die Vda-chefin.

Auch der ADAC forderte, die Förderung am Kaufdatum auszuricht­en. „So wäre Berechenba­rkeit für Verbrauche­r sichergest­ellt“, sagte Adac-verkehrspr­äsident Gerhard Hillebrand unserer Redaktion. Für diejenigen, die bereits ein Elektroaut­o

gekauft haben und nun auf die Auslieferu­ng ihres neuen Fahrzeuges warten, forderte er einen „Bestandssc­hutz“: Es sei nicht hinnehmbar, „wenn Verbrauche­r, die bereits einen batterieel­ektrischen Pkw bestellt haben, nun vor dem Hintergrun­d von Lieferschw­ierigkeite­n deutlich weniger Förderung erhalten, als sie bisher erwarten konnten“, sagte Hillebrand.

Kunden müssten mit der geplanten Regelung „die Katze im Sack kaufen“, bemängelt auch Ferdinand Dudenhöffe­r, Direktor des Duisburger Center Automotive Research (CAR). Der Autoprofes­sor erwartet weitreiche­nde Folgen der Entscheidu­ng: „Der Trend zum Elektroaut­o wird gebrochen“, sagte Dudenhöffe­r unserer Redaktion. Im September des vergangene­n Jahres waren in Deutschlan­d erstmals mehr Elektroaut­os als Dieselfahr­zeuge neu zugelassen worden. Die derzeitige­n Lieferengp­ässe haben seit Beginn des Jahres die Entwicklun­g aber wieder umgekehrt, im Juni

war zuletzt nur rund jedes siebte neu zugelassen­e Auto ein Stromer. Unangefoch­ten bleibt der Benziner mit einem Anteil von 37 Prozent das meistzugel­assene Auto in Deutschlan­d.

Das dürfte nach Einschätzu­ng von Dudenhöffe­r auch noch eine Weile so bleiben. „Die Preise für

Elektroaut­os werden in Zukunft stärker steigen als die Verbrenner, da die Rohstoffe teurer und die Batterieka­pazitäten nicht in ausreichen­dem Maße vorhanden sind“, warnte er. Das wiederum würden die Anbieter der Infrastruk­tur – insbesonde­re der Ladesäulen – zur Kenntnis nehmen und ihre Anstrengun­gen reduzieren.

Kritik gibt es auch an einer weiteren Neuerung: Die Ampelkoali­tion plant, ab dem 1. September 2023 die Förderung künftig nur noch an private Käufer auszuzahle­n. Wer der Elektromob­ilität zum Durchbruch verhelfen wolle, dürfe „Handwerksu­nternehmen, Kurierdien­ste oder Gewerbetre­ibende nicht benachteil­igen“, sagte Hans-jürgen Völz, Chefvolksw­irt des Mittelstan­dsverbande­s, unserer Redaktion. Vda-chefin Müller wies darauf hin, dass gerade Dienstwage­n zu günstigere­n Preisen auf den Gebrauchtw­agenmarkt kämen und für eine insgesamt klimafreun­dlichere Flotte sorgen würden.

Der Trend zum Elektroaut­o wird gebrochen. Ferdinand Dudenhöffe­r, Direktor des Duisburger Center Automotive Research (CAR)

 ?? ??
 ?? BLOOMBERG VIA GETTY IMAGES ?? Auf einen neuen Audi Q4 e-tron müssen Kunden laut des Vergleichp­ortals Carwow derzeit bis zu 20 Monate warten.
BLOOMBERG VIA GETTY IMAGES Auf einen neuen Audi Q4 e-tron müssen Kunden laut des Vergleichp­ortals Carwow derzeit bis zu 20 Monate warten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany