Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Mobile Jugendarbeit im Sprinter
Lisa Hagemeier ist die neue Jugendkoordinatorin in Harztor. 40 Stunden pro Woche will sie in den Dörfern präsent sein
Harztor. Ein Mangel an Aufgaben besteht nicht. Harztor ist keine problemfreie Zone. Jugendliche beschmieren den Busbahnhof in Niedersachswerfen mit Hakenkreuzen. Zerdepperte Schnapsflaschen liegen zwischen den Schienen der Harzer Schmalspurbahnen. Offene Feuerstellen und zerstörte Mülleimer erweisen sich oft als Spuren der sommerlichen Zusammenkünfte unter freiem Himmel. Und Drogen sind nicht nur an der Ilfelder Skaterbahn oder Langen Wand im Umlauf.
Harztor ist das Revier des Kreisjugendrings. Der Verein stellt den Jugendkoordinator, der sich um die jungen Leute in den Dörfern der Gemeinde kümmern soll. Seit Kurzem hat Lisa Hagemeier den Auftrag übernommen. Die 24-jährige Sozialpädagogin stammt aus Uthleben. Sie arbeitet zunächst befristet bis Ende Mai 2023 für Harztor. „Ich hoffe aber, fünf Jahre bleiben zu dürfen“, sagt sie. Das wäre eine Konstanz, wie sie sich die Ortschaftsräte in Harztor wünschen. Der häufige Wechsel der handelnden Personen hat zuletzt für hörbaren Frust in den Dörfern gesorgt. „Wie es nächstes Jahr weitergeht, hängt auch vom Jugendförderplan des Landkreises ab“, blickt Lisa Hagemeier voraus.
1026 Jugendliche leben zurzeit in der Gemeinde
Die Koordinatorin hat eine 40-Stunden-woche. Allein 20 Stunden will sie sich stets dem Treff in Niedersachswerfen widmen. Von den insgesamt 1026 Jugendlichen, die laut Statistik des Einwohnermeldeamtes in der Gemeinde leben, sind die 411 Sachswerfer zahlenmäßig die stärkste Gruppe. Harztor hat einen Bauwagen erworben und stellt diesen den Arreés als Jugendtreff zur Verfügung. Momentan steht er erst einmal auf der Festwiese am Sportplatz in der Großen Bahnhofstraße.
Gemeinsam mit der Dorfjugend will Lisa Hagemeier diesen Wagen farblich gestalten. Dabei sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Bei ihrem Besuch des Harztor-feriencamps habe sie das Interesse der Mädchen und Jungen schon gespürt, berichtet die Koordinatorin. Noch unklar ist der künftige Stand
ort dieses beweglichen Jugendclubs. Trotz seiner Mobilität soll er einen festen Platz erhalten. Aber wo? In der jüngsten Sitzung des Sachswerfer Ortschaftsrates ist noch keine Entscheidung gefallen. Es gibt verschiedene Optionen. Denkbar ist auch ein Ort außerhalb der bebauten Flächen und somit jenseits der Straßenlaternen. Aber dieser findet keine Mehrheit im Rat: Heimwege in der Dunkelheit seien vor allem jungen Mädchen nicht zumutbar.
Der Wagen soll innerhalb des Dorfes stehen. Als Favorit gilt das Areal am alten Sportplatz, den nicht wenige Sachswerfer für geeignet halten. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.
Die restlichen 20 Stunden, in denen sie nicht den Jugendtreff in Niedersachswerfen betreut, verbringt Lisa Hagemeier mit der mobilen Jugendarbeit in den anderen Dörfern. Dann schwingt sie sich hinter das Lenkrad ihres weißen Kastenwagens und rollt durchs Harztor. Ihre Zielpunkte nennt sie
„Hotspots“. In Ilfeld ist es die Skaterbahn, in Neustadt der Jugendclub, in Herrmannsacker das Dorfgemeinschaftshaus.
Der Transporter ist ein rollender Jugendclub. Seine Ausrüstung kann sich sehen lassen. An Bord sind ein Fernsehgerät, eine Playstation, eine Musikbox. Das Fahrzeug verfügt auch über Wlan. Bei gutem Wetter
ist es möglich, ein Pavillon vor dem Mobil zu errichten.
Lisa Hagemeier unterbreitet Angebote. In welcher Form diese genutzt werden, können die jungen Besucher entscheiden. Den jeweiligen Monatsplan mit ihren festen Terminen will die Koordinatorin stets in der Sachswerfer Regelschule aushängen.
Der Erhalt bestehender Jugendtreffs ist das oberste Ziel des Projektes. Der Sachswerfer Bauwagen zählt schon dazu. Die mobile Jugendarbeit soll in erster Linie einem Zweck dienen: Die Mädchen und Jungen sollen an ihren Heimatort gebunden und ihr Engagement in den Dörfern belebt werden.
Aber auch Themen wie Mobbing, Integration und Sucht will die Sozialpädagogin mit den jungen Leuten besprechen und bei Bedarf aufarbeiten. Einzelfallhilfen sind dabei durchaus machbar.
Bilden sich feste Stammgruppen in den Dörfern, sind auch gemeinsame Ausflüge, Kochprojekte oder Kreativangebote möglich.
Und die Hakenkreuze am Niedersachswerfer Busbahnhof? „Diesen Schmierereien wollen wir mit einem Graffiti-projekt entgegenwirken“, erklärt Lisa Hagemeier. „Vielleicht wird eine Fläche, die von den Jugendlichen selbst gestaltet wurde, nicht mehr so schnell wieder verschmutzt.“