Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Denkmal der Eisenbahngeschichte
Als Silberhausen noch drei Bahnhöfe hatte und von einem großen Unglück erschüttert wurde
Silberhausen. Auch fast 102 Jahre später bewegt das schwerste Eisenbahnglück im Eichsfeld noch immer viele Gemüter. Von Eis überzogene Bahngleise, eine viel zu kleine Lok und offenbar zu wenig Personal als Bremser auf den Waggons hatte am 16. Dezember 1920 auf der Obereichsfelder Kleinbahn Hüpstedt -Silberhausen einen Zug außer Kontrolle geraten lassen. Die Lok und zehn der 19 beladenen Kaliwagen sowie ein Personenwagen stürzten auf der stark abschüssigen Strecke einen hohen Damm hinab. Mindestens 14 Menschen fanden dabei den Tod, weitere sollen noch nach Jahren an den Unfallfolgen verstorben sein.
Das Dorf war einst eine Größe im Eichsfelder Eisenbahnnetz
Als profunden Kenner der Eichsfelder Bahngeschichte und ehemaligen Eisenbahner kommen Interessierte immer wieder auf Paul Lauerwald (78) aus Nordhausen zurück. So referierte er jetzt in Silberhausen erneut während einer Veranstaltung der Urania-bildungsgesellschaft Eichsfeld vor rund 60 Besuchern. „Silberhausen war tatsächlich einmal eine Größe im Eichsfelder Eisenbahnnetz, heute ist es zumindest ein Haltepunkt und ein Denkmal der Eisenbahngeschichte“, sagt er.
Das Dorf vor den Toren Dingelstädts befindet sich an der 1870 erschachtanlagen
öffneten Bahnlinie Gotha – Leinefelde. Zehn Jahre später kam mit der Eröffnung der Kanonenbahn in Richtung Südeichsfeld „Silberhausen-trennung“und 1913 dann mit
der Kalibahn über Beberstedt nach Hüpstedt der Bahnhof „Silberhausen-nord“hinzu. Kleinbahnen dienten in damaliger Zeit der Erschließung des ländlichen Raumes,
so Lauerwald. Auslöser für die 10,1 Kilometer lange Kleinbahn war der Kalibergbau in den drei Schächten bei Hüpstedt gewesen. Eine Erweiterung der Strecke in Richtung Keula
sei zwar geplant, aber nie ernsthaft angegangen worden.
Als es um 1924 weltweit zu einer Überproduktion von Kali gekommen war und die Hüpstedter
außer Betrieb genommen wurden, stand die Bahnlinie auf der Eichsfelder Höhe sofort auf der Kippe. Es folgte 1933 ein erster Stilllegungsantrag. Nach Kriegsende konnte der Personenverkehr am 10. Dezember 1945 zwar wieder aufgenommen werden, doch Ende 1947 erfolgte das endgültige Aus. Am 1. April 1949 kam die inzwischen umfirmierte Obereichsfelder Eisenbahn-ag in den Besitz der Deutschen Reichsbahn und wurde zu einen Nebenbahn, obwohl sie überhaupt nicht mehr existierte.
Den Silberhäuser Berthold Gebhard (76) lässt das Drama aus dem vorigen Jahrhundert keine Ruhe. Seine beiden Großväter hätten zu jener Zeit bei der Eisenbahn gearbeitet und immer wieder von der schlimmen Katastrophe erzählt. „Aber wir durften als Eisenbahner nicht darüber sprechen“, hat er die Worte der Zeitzeugen noch in den Ohren. Nur eine Witwe soll damals einen Prozess geführt haben.
Weil der Unfall bis heute noch viele Fragen aufwerfe, sei das damalige Gerichtsverfahren mehr als anzuzweifeln, betonte Lauerwald. Weil kein bahnseitiges Verschulden vorläge, hatte die Staatsanwaltschaft schon vier Wochen nach dem vorgelegten Schlussbericht der Betriebsleitung der Kleinbahn das Verfahren eingestellt.
Die Zeitumstände und ein beachtliches Verwaltungskonglomerat hätten die Ermittlungen damals nicht gerade begünstigt.