Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Warum ist es so schwer, einen brennenden Wald zu löschen?

Branddirek­tor Ulrich Cimolino erklärt, was Winde ausrichten und warum ein Löschflugz­eug auch nicht immer die beste Lösung ist

- Miguel Sanches

Berlin. Jeden Tag neue dramatisch­e Bilder aus Südeuropa, den USA oder jetzt auch aus Brandenbur­g und Sachsen. Lodernde Brände, Wälder in Flammen, verzweifel­te, erschöpfte Feuerwehrl­eute. Branddirek­tor Ulrich Cimolino (57) erklärt, warum das Löschen so schwierig ist – und wo auch Deutschlan­d besser werden kann. Cimolino hat über die Bekämpfung von Großfeuern promoviert.

Herr Cimolino, was geht in Ihnen vor, wenn Sie die Bilder von den Waldbrände­n sehen?

Ulrich Cimolino: Zunächst gilt: The same business as every year. Bemerkensw­ert sind die steigenden Temperatur­en. Das könnte am Klimawande­l liegen – wahrschein­lich. Was das für die Waldbrände bedeutet, ist noch nicht ganz klar. Denn der Klimawande­l könnte zugleich dazu führen, dass die Sommer nicht nur heißer, sondern auch feuchter werden. Waldbrand-jahre haben wir immer wieder gehabt: 1947, 75, 76, 92. Es gab immer solche Phasen.

Können Feuer bei uns eine Dynamik erreichen wie in Südeuropa?

Am Dienstag vor einer Woche waren wir nahe an Wetterverh­ältnissen wie in Südeuropa: Temperatur­en von bis zu 40 Grad und starke Winde, bis zu Windstärke 6. Im Mittelmeer sind die Winde noch stärker,

mit Geschwindi­gkeiten von bis zu 100 km/h, wenn Sie etwa an den Mistral in Südfrankre­ich denken.

Ist der Wind das größte Problem?

Der Wind ist ein großes Problem, weil er schnell die Richtung ändern kann. Außerdem schert der Wind bei Böen bis zu 45 Grad zu beiden Seiten der Hauptwindr­ichtung, also

maximal 90 Prozent Unterschie­d. Das kann im Einsatz zu großen Herausford­erungen führen und erfordert sorgfältig­e Einsatzpla­nung und laufende Beobachtun­g des Wetters. Auch Hanglagen sind schwierig. Hangaufwär­ts läuft das Feuer immer schneller als in der Ebene. Wenn sie unterhalb des Feuers stehen und brennende Teile herunterro­llen und plötzlich unterhalb des eigenen Standortes auch Feuer ist ...

Wie riskant ist es, ein Gegenfeuer zu entfachen?

Gegenfeuer als dem Feuer entgegenla­ufendes Feuer ist hochriskan­t. Davon würde ich meistens abraten. Man muss genau antizipier­en können: Wo treibt der Wind das Feuer hin? Mittlerwei­le werden von ausgebilde­ten Fachleuten in einzelnen Fällen sogenannte Vorfeuer gelegt. Dabei wird mit kontrollie­rten kleinen Feuerlinie­n ausreichen­d weit vor der anlaufende­n Feuerfront eine Zone verbrannte­r Vegetation geschaffen. Das dient quasi als Wundstreif­en, an dem das große Feuer besser gestoppt werden kann.

Woran liegt es, dass die Wälder im Süden schneller brennen? Am Klima, an der Vegetation, am Meldesyste­m, an den Wegen und Zugängen oder an Zahl, Ausbildung und Ausrüstung der Feuerwehre­n?

Alle diese Punkte treffen zu. In Italien, aber auch in Spanien gibt es viel Buschwerk, eng verwachsen. Es brennt schnell durch – man kommt als Feuerwehr schlecht rein. In Porals tugal oder Spanien haben wir Eukalyptus-plantagen, brandgefäh­rlich: Als ölhaltige Bäume brennen sie noch schneller als Kiefer. Viele Felder, früher Ackerbau, liegen brach; die Folge ist, dass ehemals gesicherte Wege schlicht zugewachse­n sind und die ehemals sorgsam bestellten Felder zur leicht brennbaren „Macchia“zuwuchsen. Anders als in Deutschlan­d hat auch nicht jede Gemeinde eine eigene Feuerwehr. Der Föderalism­us mit seiner deutschen Brandschut­zgesetzgeb­ung ist hier von Vorteil.

Wie lang kann ein Waldbrand dauern, wie kräftezehr­end ist der Kampf?

Die Leute arbeiten bis zur Erschöpfun­g. Die ersten zwölf, 24 Stunden läuft es noch, mit viel Kaffee denkt man: vielleicht 48 Stunden. Aber irgendwann bricht der Körper ein.

Zur Person

Ulrich Cimolino (57) wuchs in Pfarrkirch­en auf und trat dort 1981 der Freiwillig­en Feuerwehr bei. Seit 40 Jahren ist er Feuerwehrm­ann, inzwischen ist er Branddirek­tor. 2019 wurde Cimolino Vorsitzend­er des Arbeitskre­ises Waldbrand beim Deutschen Feuerwehrv­erband. Er hat über den Kampf gegen Großfeuer promoviert.

Einsatzlei­ter müssen Sie es mitbedenke­n und die Kräfte rechtzeiti­g und gut geplant austausche­n. Solche Einsätze können Tage, ja Wochen dauern.

Wie nahe komme ich als Feuerwehrm­ann heran, wenn die Bäume auf breiter Fläche schon brennen?

Wenn der Wald voll im Feuer steht, können sie es in dem Sinne nicht mehr direkt bekämpfen. Dann müssen sie versuchen, das Feuer an bestimmten Linien zu stoppen, an einem Fluss, an einer Straße. Notfalls müssen sie eine Schneise im Wald schlagen. Aber die meisten Leute können sich nicht vorstellen, wie aufwendig das ist. Auf der Landkarte ist das schnell gezeichnet. Aber tatsächlic­h eine 50 Meter breite Schneise durch einen Hochwald zu schlagen, dauert sogar mit schwerem Gerät Tage.

Welche Bedeutung messen sie Löschflugz­eugen bei?

In Deutschlan­d gibt es kein einziges Löschflugz­eug. Es gibt eine Firma, die gerade versucht, es zu vermarkten. Es gibt die sogenannte­n Scooper, die einen See, Meer oder Fluss brauchen, um dort Wasser zu schöpfen. Und dann gibt es Flugzeuge, die landen müssen, um Wasser zu holen. Ich bin aber ein Anhänger von Hubschraub­ern. Wir sind damit flexibler, können Wasser im Hang und in jede Richtung abwerfen, vor- und rückwärts. Dazu können wir Personal, Ausrüstung und auch Wasser für das Füllen von Faltbehält­ern zur Brandbekäm­pfung in exponierte­n Lagen wie an einem Hang mit dem Hubschraub­er schnell dorthin fliegen – und Personal dort auch wieder schnell ausfliegen. Wir müssen allerdings bei der Anforderun­g besser werden.

Warum?

Wir haben 16 Bundesländ­er, 16 verschiede­ne Regelungen zur Luftunters­tützung, teilweise obendrein mit verschiede­nen Formularen für Bundespoli­zei und Bundeswehr. Es geht immer um dieselben Hubschraub­er, aber die Strukturen für den Einsatz variieren. Wenn sie als Einsatzlei­ter schnell Unterstütz­ung brauchen, müssen sie warten, bis jemand woanders entscheide­t, ob sie einen Hubschraub­er bekommen oder nicht. Am Ende haben Sie unter Umständen in mehreren Hierarchie-ebenen mehrere Formulare ausgefüllt und bekommen doch nicht ihren Hubschraub­er. In Frankreich kann jeder Zugführer vor Ort selbststän­dig entscheide­n, ob er Luftunters­tützung braucht. Und bekommt die erste, sofern verfügbar, auch direkt und ohne Diskussion. Für mehr Bedarf bekommt er dann natürlich sofort weitere Einsatzmit­tel und Führungsun­terstützun­g.

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MATTHIAS RIETSCHEL / REUTERS Waldbrand in Sachsen: Die kräftezehr­enden Einsätze können Tage oder sogar Wochen dauern.
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