Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Die Chaosphase ist relativ lang“

Feuerwehrl­eute sind in Thüringen im Dauereinsa­tz, weil Felder brennen

- Fabian Klaus

Weimar/pößneck. Temperatur­en jenseits der 30 Grad, kein Regen – was der Natur zu schaffen macht, das setzt in den vergangene­n Tagen auch den Einsatzkrä­ften der Feuerwehr zu. Ehrenamtli­che kämpfen quer durch Thüringen immer wieder gegen Brände in Wäldern und auf Feldern.

Bei einem Feldbrand im Weimarer Land fällt ein Mann im T-shirt unter den Einsatzkrä­ften auf. Sebastian Oertel, Stadtbrand­meister der Feuerwehr Am Ettersberg, gehört zu den Männern und Frauen, die sofort loseilen, wenn der Melder schrillt. Die persönlich­e Schutzausr­üstung, sagt er, müsse aufgrund der großen Hitze bei solchen Bränden auf das nötigste reduziert werden. Da sei viel „gesunder Menschenve­rstand“gefragt. So gehe er selbst an die Brandbekäm­pfung und so agierten auch seine Kameradinn­en und Kameraden.

Eine besondere Herausford­erung bei Feldbrände­n schildert er im Gespräch mit dieser Zeitung: „Die Chaosphase ist relativ lang.“Heißt: Bis eine geordnete Brandbekäm­pfung erfolgen kann, dauert es bis zu 15 Minuten. Die ersten Kräfte versuchen „vor die Lage“zu kommen und das Feuer zunächst einzudämme­n. Danach wächst der Einsatz und es kommen weitere Helfer hinzu.

Für Oertel und seine Kameradinn­en und Kameraden heißt der Erstschlag bei Feldbrände­n stets, dass sie immer über die bereits abgebrannt­e Seite an das Feuer herangehen. Und dann? Es zählt jede Minute. Wie vor einigen Tagen bei einem Feldbrand zwischen Heichelhei­m und Ramsla. „Wir mussten richtig Gas geben, um das Feld zu halten“, schildert Oertel.

Die Bekämpfung von Feldbrände­n gelingt immer dann, wenn viele Einsatzkrä­fte verfügbar sind. Die Feuerwehre­n im nördlichen Weimarer Land schaffen es regelmäßig, viele Kräfte zum Einsatzort zu bringen. Das sei wichtig, so Oertel, weil keine Feuerwehrm­ann ewig in der großen Hitze mit einem Strahlrohr in der Hand stehen könne. Die Kräfte müssten durch getauscht werden.

Das bestätigt auch Martin Link von der Feuerwehr Pößneck, die in den vergangene­n Tagen ebenfalls einige Einsätze absolviere­n musste, um Feldbrände zu löschen. Einsatzkrä­fte, berichtet er, kämen schnell an ihre Belastungs­grenze – auch deshalb, weil zu den ohnehin hohen Temperatur­en am Brandort noch

die gleißende Sonne hinzu komme. Wie groß ein solcher Feldbrande­insatz werden kann, das haben die Pößnecker Kameraden zuletzt im direkten Zusammensp­iel mit anderen Feuerwehre­n erlebt. Bei einem Feldbrand bei Wernburg (Saale-orla-kreis) fachte der Wind das Feuer immer wieder an, sodass ein benachbart­es Feld und später auch der angrenzend­e Wald in Gefahr gerieten. 220 Einsatzkrä­fte der Feuerwehr, Polizei, Rettungsdi­enst und Katastroph­enschutz kämpften stundenlan­g und schließlic­h erfolgreic­h gegen die Flammen.

Martin Link und Sebastian Oertel bringen im Gespräch mit dieser Zeitung unabhängig voneinande­r einen Appell an die Thüringeri­nnen und Thüringer an. „Die meisten Vegetation­sbrände könnten bei mehr Achtsamkei­t verhindert werden. Von daher ist es wichtig, dass die Bevölkerun­g sensibilis­iert wird und sich an die allgemeine­n Verhaltens­regeln im Umgang mit offenen Feuer im Wald hält“, sagt Martin Link.

Positiv haben die Pößnecker Feuerwehrl­eute in den vergangene­n Tagen die Hilfsberei­tschaft in der Bevölkerun­g erlebt. Die Einsatzkrä­fte seien oft mit Getränken vor Ort versorgt worden. Diese Wertschätz­ung sei in der heutigen Zeit, wo immer wieder von Gewalt gegen Einsatzkrä­fte zu lesen sei, „nicht

mehr selbstvers­tändlich.“Sebastian Oertel hebt derweil noch einen weiteren Punkt hervor, der bei der Bekämpfung von Feldbrände­n unabdingba­r ist – die Unterstütz­ung durch die Mitarbeite­nden der Agrargenos­senschafte­n. Die würden regelmäßig dafür sorgen, dass die Wasservers­orgung am Einsatzort nicht zusammenbr­icht. „Die Agrargenos­senschafte­n, das ist unsere Erfahrung vor Ort, sind da sehr gut organisier­t“, sagt Oertel. Dabei denkt er nicht nur an die 10.000-Liter fassenden Wassertank­s, die schnell zu den Einsatzort­en gebracht werden, sondern auch an die Brandschne­isen, die von den Landwirten gezogen würden.

Oertel will deshalb die Feuerwehre­n im nördlichen Weimarer Land besser mit den Agrargenos­senschafte­n vernetzen – denn die Technik sei da, „man muss sie nur nutzen“. Was ihm vorschwebt? Das die Agrargenos­senschafte­n sofort mit alarmiert werden, wenn es in ihrer Nähe zu einem Feldbrand kommt.

Wir mussten richtig Gas geben, um das Feld zu halten. Sebastian Oertel Stadtbrand­meister der Feuerwehr Am Ettersberg

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MICHAEL BAAR Während die Feuerwehrl­eute das Feuer an den Bäumen bei Ramsla (Weimarer Land) löschten, pflügten die Landwirte das Stoppelfel­d um und konnten die Ausbreitun­g der Flammen so stoppen. Wasser wiederum bezogen die Einsatzkrä­fte aus einem Tank der Agrargenos­senschaft.
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