Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
„Die Chaosphase ist relativ lang“
Feuerwehrleute sind in Thüringen im Dauereinsatz, weil Felder brennen
Weimar/pößneck. Temperaturen jenseits der 30 Grad, kein Regen – was der Natur zu schaffen macht, das setzt in den vergangenen Tagen auch den Einsatzkräften der Feuerwehr zu. Ehrenamtliche kämpfen quer durch Thüringen immer wieder gegen Brände in Wäldern und auf Feldern.
Bei einem Feldbrand im Weimarer Land fällt ein Mann im T-shirt unter den Einsatzkräften auf. Sebastian Oertel, Stadtbrandmeister der Feuerwehr Am Ettersberg, gehört zu den Männern und Frauen, die sofort loseilen, wenn der Melder schrillt. Die persönliche Schutzausrüstung, sagt er, müsse aufgrund der großen Hitze bei solchen Bränden auf das nötigste reduziert werden. Da sei viel „gesunder Menschenverstand“gefragt. So gehe er selbst an die Brandbekämpfung und so agierten auch seine Kameradinnen und Kameraden.
Eine besondere Herausforderung bei Feldbränden schildert er im Gespräch mit dieser Zeitung: „Die Chaosphase ist relativ lang.“Heißt: Bis eine geordnete Brandbekämpfung erfolgen kann, dauert es bis zu 15 Minuten. Die ersten Kräfte versuchen „vor die Lage“zu kommen und das Feuer zunächst einzudämmen. Danach wächst der Einsatz und es kommen weitere Helfer hinzu.
Für Oertel und seine Kameradinnen und Kameraden heißt der Erstschlag bei Feldbränden stets, dass sie immer über die bereits abgebrannte Seite an das Feuer herangehen. Und dann? Es zählt jede Minute. Wie vor einigen Tagen bei einem Feldbrand zwischen Heichelheim und Ramsla. „Wir mussten richtig Gas geben, um das Feld zu halten“, schildert Oertel.
Die Bekämpfung von Feldbränden gelingt immer dann, wenn viele Einsatzkräfte verfügbar sind. Die Feuerwehren im nördlichen Weimarer Land schaffen es regelmäßig, viele Kräfte zum Einsatzort zu bringen. Das sei wichtig, so Oertel, weil keine Feuerwehrmann ewig in der großen Hitze mit einem Strahlrohr in der Hand stehen könne. Die Kräfte müssten durch getauscht werden.
Das bestätigt auch Martin Link von der Feuerwehr Pößneck, die in den vergangenen Tagen ebenfalls einige Einsätze absolvieren musste, um Feldbrände zu löschen. Einsatzkräfte, berichtet er, kämen schnell an ihre Belastungsgrenze – auch deshalb, weil zu den ohnehin hohen Temperaturen am Brandort noch
die gleißende Sonne hinzu komme. Wie groß ein solcher Feldbrandeinsatz werden kann, das haben die Pößnecker Kameraden zuletzt im direkten Zusammenspiel mit anderen Feuerwehren erlebt. Bei einem Feldbrand bei Wernburg (Saale-orla-kreis) fachte der Wind das Feuer immer wieder an, sodass ein benachbartes Feld und später auch der angrenzende Wald in Gefahr gerieten. 220 Einsatzkräfte der Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst und Katastrophenschutz kämpften stundenlang und schließlich erfolgreich gegen die Flammen.
Martin Link und Sebastian Oertel bringen im Gespräch mit dieser Zeitung unabhängig voneinander einen Appell an die Thüringerinnen und Thüringer an. „Die meisten Vegetationsbrände könnten bei mehr Achtsamkeit verhindert werden. Von daher ist es wichtig, dass die Bevölkerung sensibilisiert wird und sich an die allgemeinen Verhaltensregeln im Umgang mit offenen Feuer im Wald hält“, sagt Martin Link.
Positiv haben die Pößnecker Feuerwehrleute in den vergangenen Tagen die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung erlebt. Die Einsatzkräfte seien oft mit Getränken vor Ort versorgt worden. Diese Wertschätzung sei in der heutigen Zeit, wo immer wieder von Gewalt gegen Einsatzkräfte zu lesen sei, „nicht
mehr selbstverständlich.“Sebastian Oertel hebt derweil noch einen weiteren Punkt hervor, der bei der Bekämpfung von Feldbränden unabdingbar ist – die Unterstützung durch die Mitarbeitenden der Agrargenossenschaften. Die würden regelmäßig dafür sorgen, dass die Wasserversorgung am Einsatzort nicht zusammenbricht. „Die Agrargenossenschaften, das ist unsere Erfahrung vor Ort, sind da sehr gut organisiert“, sagt Oertel. Dabei denkt er nicht nur an die 10.000-Liter fassenden Wassertanks, die schnell zu den Einsatzorten gebracht werden, sondern auch an die Brandschneisen, die von den Landwirten gezogen würden.
Oertel will deshalb die Feuerwehren im nördlichen Weimarer Land besser mit den Agrargenossenschaften vernetzen – denn die Technik sei da, „man muss sie nur nutzen“. Was ihm vorschwebt? Das die Agrargenossenschaften sofort mit alarmiert werden, wenn es in ihrer Nähe zu einem Feldbrand kommt.
Wir mussten richtig Gas geben, um das Feld zu halten. Sebastian Oertel Stadtbrandmeister der Feuerwehr Am Ettersberg