Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Kein Betreiber: Flüchtling­sheim des Landes steht seit Mitte Mai leer

Während manche Kommunen nicht mehr wissen, wo sie die Ukrainer unterbring­en sollen, scheitern alle Ausschreib­ungen für eine große Notunterku­nft des Landes

- Martin Debes

Erfurt. Seit Mitte Mai könnten in der Halle im Hermsdorfe­r Gewerbegeb­iet Ukrainer wohnen. Seit zweieinhal­b Monaten stehen dort 700 Betten bereit, um zumindest vorübergeh­end Kriegsflüc­htlinge aufzunehme­n, bevor sie auf Wohnungen oder Gemeinscha­ftsunterkü­nfte in den Kommunen verteilt werden.

Wie schon ab dem sogenannte­n Flüchtling­sherbst 2015 soll die frühere Lagerhalle im Saale-holzlandkr­eis das einzige große Thüringer Erstaufnah­meheim in Suhl entlasten. Es wird derzeit von den meisten Flüchtling­sbussen angefahren, egal, ob die Migranten aus der Ukraine,

Afghanista­n, Syrien, dem Irak oder anderswohe­r stammen.

Darüber hinaus unterhält das Land nur noch eine kleinere Einrichtun­g in Eisenberg unweit von Hermsdorf. Dort werden ausschließ­lich sogenannte Ortskräfte untergebra­cht, also Menschen, die in den vergangene­n Jahren für die Bundeswehr oder deutsche staatliche Organisati­onen in Afghanista­n arbeiteten.

In Hermsdorf selbst sollen vor allem Ukrainer vorübergeh­end untergebra­cht werden. Die Massenunte­rkunft scheint dringend nötig, weil die Kommunen kaum noch wissen, wohin sie mit den Menschen sollen. Sie benötigen Zeit, um Immobilien herzuricht­en oder Wohnungen zu sanieren. Zudem wird es in Suhl immer voller, weil auch wieder mehr Migranten aus anderen Krisenregi­onen kommen.

Doch so aufnahmebe­reit die Halle in Hermsdorf ist, so leer ist sie auch. Es gibt keinen Betreiber, also kein Unternehme­n, das sich um Essen, Reinigung, soziale Betreuung und Sicherheit kümmert. Das Land selbst kann oder will dafür kein eigenes Personal abstellen.

Wie es die deutschen Gesetze und europäisch­en Richtlinie­n verlangen, wurde der Auftrag vom Landesverw­altungsamt in Weimar öffentlich ausgeschri­eben. Das erste Vergabever­fahren begann am 13. April, wurde aber wegen eines Formfehler­s nach wenigen Tagen abgebroche­n.

Die zweite Ausschreib­ung startete am 19. April, auf die sich immerhin ein Bieter meldete. Doch am 12. Mai – also etwa zu dem Zeitpunkt, als die Halle bezugsfert­ig war – stoppte das Amt auch dieses Verfahren. Das Unternehme­n erfüllte aus Sicht der Beamten nicht alle Vorgaben. So sollte etwa den Beschäftig­ten offenbar kein Mindestloh­n gezahlt werden.

Also wurde am 23. Mai die dritte Ausschreib­ung veröffentl­icht. Wieder meldete sich laut der Landesbehö­rde derselbe Bieter, wieder gab es keine Mitbewerbe­r und wieder wurde das Verfahren abgebroche­n. Denn wieder entsprach das Angebot nicht den Anforderun­gen.

Ähnliche Erfahrunge­n wie das Landesverw­altungsamt sammelten übrigens auch die Kommunen seit

Längerem. Wegen des Personalma­ngels, der nahezu alle Branchen betrifft, finden sich kaum noch Dienstleis­ter – zumal dann, wenn die bürokratis­che Hürde groß ist, die Bezahlung übersichtl­ich und die Arbeit komplizier­t.

Nun will das Landesverw­altungsamt die Dienstleis­tungen einzeln ausschreib­en: Catering, Reinigung, Sozialbetr­euung. Währenddes­sen häufen sich die Kosten an; bis Ende Juni waren es rund 127.500 Euro. Dabei wird das Geld zumindest in Teilen nur innerhalb der thüringisc­hen Verwaltung umhergerei­cht: So geht etwa die Miete von monatlich 21.104 Euro an eine Landesgese­llschaft.

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LUTZ PRAGER Die Flüchtling­shalle in Hermsdorf im Jahr 2015.

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