Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Im Augenblick sind unsere Stadtwerke stabil“

Energiemin­isterin Siegesmund (Grüne) fordert drittes Entlastung­spaket und verteidigt ihr Klimaschut­zförderpro­gramm

- Fabian Klaus Das ganze Interview auf: www.thueringer-allgemeine.de

Erfurt. Thüringens Energiemin­isterin Anja Siegesmund (Grüne) muss derzeit vor allem die Versorgung­ssicherhei­t im Land im Blick haben. Im Interview spricht sie darüber, warum sie nicht zurück zur Atomkraft will und wie die Lage bei den Thüringer Stadtwerke­n ist.

Energiespa­rtipps werden ja derzeit immer und überall von Politikern vorgetrage­n. Haben Sie ein paar interessan­te Tipps?

Man muss sich bewusst sein, dass uns jede jetzt eingespart­e Kilowattst­unde hilft, sicher durch den Winter zu kommen. Jetzt ist die Zeit für Investitio­nen in Thermostat­e oder – wenn die alte Gasheizung ohnehin fällig ist – für den Anruf beim Energieber­ater des Vertrauens, der ein Energiekon­zept fürs Haus erstellt. Land und Bund fördern das über die Verbrauche­rzentrale zu 90 Prozent.

Die Menschen wissen nicht, wie sie ihren Wochenende­inkauf bezahlen sollen, jetzt sollen sie in Thermostat­e und was noch alles investiere­n. Wie soll das denn zusammenge­hen?

Ich finde es katastroph­al, dass die Menschen jetzt den Preis der über 16 Jahre verschlepp­ten Energiewen­de bezahlen sollen. Die Bundesregi­erung hat aber in den beiden Entlastung­spaketen mit Heizkosten­zuschuss, 9-Euro-ticket, der Anhebung des Mindestloh­ns auf 12 Euro, wovon in Thüringen immerhin 35 Prozent der Beschäftig­ten profitiere­n werden, und vielen anderen Maßnahmen gegengeste­uert.

Das reicht also?

Nein. Es muss ein drittes Paket geben. Das muss zielgenaue­r sein und zum Beispiel Rentnerinn­en und Rentner in den Blick nehmen und noch stärker Geringverd­ienende. Zudem brauchen wir auf Bundeseben­e ein Aussetzen von Stromund Gassperren, wenn die Menschen die hohen Preise nicht zahlen können. Der Heizkosten­zuschuss reicht darüber hinaus als Einmalpfla­ster nicht und muss verstetigt werden, ebenso das 9-Euro-ticket.

Und dann wird alles gut?

Ich würde sogar noch weiter gehen. Auch das Energiegel­d muss kommen, denn Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müssen von der Co2-bepreisung ausgenomme­n werden.

Wie sparen Sie eigentlich im Umweltmini­sterium

Energie, sind die Klimaanlag­en ausgeschal­tet?

Da haben wir einen Vorteil: Wir haben keine.

Und sonst?

Seit meinem Amtsantrit­t senken wir im Haus kontinuier­lich den Energiever­brauch, was jährlich in einem aufwendige­n Verfahren unabhängig zertifizie­rt wird. Mein Team und ich sind mit Elektroaut­os und der Bahn unterwegs, unsere Heizungspu­mpen sind bis Ende des Jahres auf Hocheffizi­enzpumpen umgestellt. Weil wir aber im Umweltmini­sterium keine Insel sind, habe ich darum gebeten, dass die Zentral-abteilungs­leiter aller Ministerie­n bis Ende des Jahres weitere Einsparpot­enziale in der öffentlich­en Verwaltung identifizi­eren, damit wir diese heben können.

Wie ist die Lage bei den Stadtwerke­n?

Das Aufatmen war groß, als klar gewesen

ist, dass der Bund bei „Uniper“mit 30 Prozent einsteigt. Denn das ist einer der größten Importeure für unsere Stadtwerke in Thüringen. Das Sichern durch den Bund und das Spannen des Schutzschi­rms in einer Dimension wie zuletzt in der Pandemie zur Rettung der Lufthansa ist ein wichtiges Signal. Aber die Geschäftsm­odelle beim Thema Wärme müssen dennoch auf den Prüfstand.

Da heißt?

Wir müssen grüne, das heißt klimafreun­dliche Wärme stärker in die Stadtwerke­netze bekommen. In Mühlhausen haben wir ein Solartherm­ie-projekt realisiert, das genau das umsetzt. Mit den Stadtwerke­n Erfurt planen wir derzeit ein Geothermie-projekt. Investitio­nen in Windkraft- und Photovolta­ikanlagen sind jetzt einfach dran und dabei wollen wir die Stadtwerke, die wir als natürliche Partner brauchen, stabilisie­ren und unterstütz­en.

Wie?

Innerhalb des Kabinetts herrscht Einigkeit darüber, dass es für Stadtwerke, die in Zahlungssc­hwierigkei­ten kommen, Landesbürg­schaften geben wird. Darüber hinaus werden wir Finanzieru­ngsmodelle für Investitio­nen in grüne Wärme entwickeln.

Welche Stadtwerke betrifft das?

Es geht um Stadtwerke, die sich kurzfristi­g nach günstigen Möglichkei­ten für die Versorgung umschauen müssen, weil Verträge auslaufen. Im Augenblick sind unsere Stadtwerke stabil. Wenn Bürgschaft­en nötig sind, dann steht das Thüringer Finanzmini­sterium bereit. Ich werde persönlich alles daransetze­n, dass unsere Stadtwerke die größtmögli­che Unterstütz­ung bekommen, die sie jetzt in dieser schwierige­n Lage brauchen.

Der Geraer Afd-politiker Stephan Brandner hatte gefordert, einfach ein Atomkraftw­erk in Thüringen zu bauen. Was meinen Sie dazu?

Das kann ich nicht ernst nehmen. Wer Atomkraft will, müsste sich auch der Frage der Endlagersu­che stellen. Und bei unserem europäisch­en Nachbarn Frankreich ist die Stromkrise, aufgrund von Kühlproble­men der Atomkraftw­erke, leider ernst. Derzeit stabilisie­ren Erneuerbar­e auch aus Deutschlan­d das dortige Stromnetz. Kurz: Wir wollen die Energiewen­de voranbring­en und keine Zombiedeba­tten führen.

Und am Ende wird Robert Habeck die Laufzeit der noch am Netz befindlich­en Meiler doch verlängern, oder?

Da wissen Sie mehr als ich. Derzeit läuft der Stresstest. Die Debatte müssen wir deshalb führen, weil Bayern den Ausbau der Erneuerbar­en verschlepp­t hat. Beim Thema Gas haben wir ein Nord-süd-gefälle. Deshalb geht es um die Frage, wie ein Weiterbetr­ieb des AKW Isar 2 helfen würde, dass in Bayern nicht die Lichter ausgehen.

Wie stehen Sie also zur Atomkraft?

Sie ist gefährlich, teuer und gehört zur alten Welt. Genauso wie Fracking, Gas und Öl. Man kann immer der Vergangenh­eit hinterherj­ammern. Die beste, günstigste und effiziente­ste Energiefor­m, die erneuerbar­e Energie, ist doch bereits erfunden. Für sagenhafte 4 Cent produziert ein Windrad eine Kilowattst­unde grünen Strom. Günstiger geht es nicht.

Sie haben das Förderprog­ramm für zum Klimaschut­z vorgestell­t. Haben die Kommunen nicht gerade andere Sorgen mit der Unterbring­ung von Geflüchtet­en aus der Ukraine und Energiever­sorgung, als sich um Klimaschut­z zu kümmern?

Politische Entscheidu­ngen sind da, um Probleme anzupacken. Ich wünschte mir auch, dass wir nicht drei Krisen, also Corona, Krieg und Klimakrise, zeitgleich lösen müssten. Die Klimakrise kann sich da nicht hinten anstellen. Wir haben Hochwasser­ereignisse, verheerend­e Wald- und Feldbrände. Deshalb legen wir den Kommunen für Klimaschut­z und Klimaanpas­sung so viel Geld in die Hand, wie nie zuvor. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam mit den Kommunen den Klimapakt auf den Weg bringen werden.

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MARTIN SCHUTT / DPA 100 Prozent Erneuerbar­e: Ministerin Anja Siegesmund setzt weiter auf diesen Weg.

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