Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
„Im Augenblick sind unsere Stadtwerke stabil“
Energieministerin Siegesmund (Grüne) fordert drittes Entlastungspaket und verteidigt ihr Klimaschutzförderprogramm
Erfurt. Thüringens Energieministerin Anja Siegesmund (Grüne) muss derzeit vor allem die Versorgungssicherheit im Land im Blick haben. Im Interview spricht sie darüber, warum sie nicht zurück zur Atomkraft will und wie die Lage bei den Thüringer Stadtwerken ist.
Energiespartipps werden ja derzeit immer und überall von Politikern vorgetragen. Haben Sie ein paar interessante Tipps?
Man muss sich bewusst sein, dass uns jede jetzt eingesparte Kilowattstunde hilft, sicher durch den Winter zu kommen. Jetzt ist die Zeit für Investitionen in Thermostate oder – wenn die alte Gasheizung ohnehin fällig ist – für den Anruf beim Energieberater des Vertrauens, der ein Energiekonzept fürs Haus erstellt. Land und Bund fördern das über die Verbraucherzentrale zu 90 Prozent.
Die Menschen wissen nicht, wie sie ihren Wochenendeinkauf bezahlen sollen, jetzt sollen sie in Thermostate und was noch alles investieren. Wie soll das denn zusammengehen?
Ich finde es katastrophal, dass die Menschen jetzt den Preis der über 16 Jahre verschleppten Energiewende bezahlen sollen. Die Bundesregierung hat aber in den beiden Entlastungspaketen mit Heizkostenzuschuss, 9-Euro-ticket, der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, wovon in Thüringen immerhin 35 Prozent der Beschäftigten profitieren werden, und vielen anderen Maßnahmen gegengesteuert.
Das reicht also?
Nein. Es muss ein drittes Paket geben. Das muss zielgenauer sein und zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner in den Blick nehmen und noch stärker Geringverdienende. Zudem brauchen wir auf Bundesebene ein Aussetzen von Stromund Gassperren, wenn die Menschen die hohen Preise nicht zahlen können. Der Heizkostenzuschuss reicht darüber hinaus als Einmalpflaster nicht und muss verstetigt werden, ebenso das 9-Euro-ticket.
Und dann wird alles gut?
Ich würde sogar noch weiter gehen. Auch das Energiegeld muss kommen, denn Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen müssen von der Co2-bepreisung ausgenommen werden.
Wie sparen Sie eigentlich im Umweltministerium
Energie, sind die Klimaanlagen ausgeschaltet?
Da haben wir einen Vorteil: Wir haben keine.
Und sonst?
Seit meinem Amtsantritt senken wir im Haus kontinuierlich den Energieverbrauch, was jährlich in einem aufwendigen Verfahren unabhängig zertifiziert wird. Mein Team und ich sind mit Elektroautos und der Bahn unterwegs, unsere Heizungspumpen sind bis Ende des Jahres auf Hocheffizienzpumpen umgestellt. Weil wir aber im Umweltministerium keine Insel sind, habe ich darum gebeten, dass die Zentral-abteilungsleiter aller Ministerien bis Ende des Jahres weitere Einsparpotenziale in der öffentlichen Verwaltung identifizieren, damit wir diese heben können.
Wie ist die Lage bei den Stadtwerken?
Das Aufatmen war groß, als klar gewesen
ist, dass der Bund bei „Uniper“mit 30 Prozent einsteigt. Denn das ist einer der größten Importeure für unsere Stadtwerke in Thüringen. Das Sichern durch den Bund und das Spannen des Schutzschirms in einer Dimension wie zuletzt in der Pandemie zur Rettung der Lufthansa ist ein wichtiges Signal. Aber die Geschäftsmodelle beim Thema Wärme müssen dennoch auf den Prüfstand.
Da heißt?
Wir müssen grüne, das heißt klimafreundliche Wärme stärker in die Stadtwerkenetze bekommen. In Mühlhausen haben wir ein Solarthermie-projekt realisiert, das genau das umsetzt. Mit den Stadtwerken Erfurt planen wir derzeit ein Geothermie-projekt. Investitionen in Windkraft- und Photovoltaikanlagen sind jetzt einfach dran und dabei wollen wir die Stadtwerke, die wir als natürliche Partner brauchen, stabilisieren und unterstützen.
Wie?
Innerhalb des Kabinetts herrscht Einigkeit darüber, dass es für Stadtwerke, die in Zahlungsschwierigkeiten kommen, Landesbürgschaften geben wird. Darüber hinaus werden wir Finanzierungsmodelle für Investitionen in grüne Wärme entwickeln.
Welche Stadtwerke betrifft das?
Es geht um Stadtwerke, die sich kurzfristig nach günstigen Möglichkeiten für die Versorgung umschauen müssen, weil Verträge auslaufen. Im Augenblick sind unsere Stadtwerke stabil. Wenn Bürgschaften nötig sind, dann steht das Thüringer Finanzministerium bereit. Ich werde persönlich alles daransetzen, dass unsere Stadtwerke die größtmögliche Unterstützung bekommen, die sie jetzt in dieser schwierigen Lage brauchen.
Der Geraer Afd-politiker Stephan Brandner hatte gefordert, einfach ein Atomkraftwerk in Thüringen zu bauen. Was meinen Sie dazu?
Das kann ich nicht ernst nehmen. Wer Atomkraft will, müsste sich auch der Frage der Endlagersuche stellen. Und bei unserem europäischen Nachbarn Frankreich ist die Stromkrise, aufgrund von Kühlproblemen der Atomkraftwerke, leider ernst. Derzeit stabilisieren Erneuerbare auch aus Deutschland das dortige Stromnetz. Kurz: Wir wollen die Energiewende voranbringen und keine Zombiedebatten führen.
Und am Ende wird Robert Habeck die Laufzeit der noch am Netz befindlichen Meiler doch verlängern, oder?
Da wissen Sie mehr als ich. Derzeit läuft der Stresstest. Die Debatte müssen wir deshalb führen, weil Bayern den Ausbau der Erneuerbaren verschleppt hat. Beim Thema Gas haben wir ein Nord-süd-gefälle. Deshalb geht es um die Frage, wie ein Weiterbetrieb des AKW Isar 2 helfen würde, dass in Bayern nicht die Lichter ausgehen.
Wie stehen Sie also zur Atomkraft?
Sie ist gefährlich, teuer und gehört zur alten Welt. Genauso wie Fracking, Gas und Öl. Man kann immer der Vergangenheit hinterherjammern. Die beste, günstigste und effizienteste Energieform, die erneuerbare Energie, ist doch bereits erfunden. Für sagenhafte 4 Cent produziert ein Windrad eine Kilowattstunde grünen Strom. Günstiger geht es nicht.
Sie haben das Förderprogramm für zum Klimaschutz vorgestellt. Haben die Kommunen nicht gerade andere Sorgen mit der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine und Energieversorgung, als sich um Klimaschutz zu kümmern?
Politische Entscheidungen sind da, um Probleme anzupacken. Ich wünschte mir auch, dass wir nicht drei Krisen, also Corona, Krieg und Klimakrise, zeitgleich lösen müssten. Die Klimakrise kann sich da nicht hinten anstellen. Wir haben Hochwasserereignisse, verheerende Wald- und Feldbrände. Deshalb legen wir den Kommunen für Klimaschutz und Klimaanpassung so viel Geld in die Hand, wie nie zuvor. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam mit den Kommunen den Klimapakt auf den Weg bringen werden.