Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Digital Detox
Ich gebe zu: Über dieses Thema zu schreiben fällt mir sehr schwer, geht es doch um „digitale Entgiftung“, die immer mehr gepriesen wird. Schon wegen dieser Kolumne kann ich ein solches Experiment nicht selbst durchführen und über Erkenntnisse berichten.
Schätzungen zufolge entsperren wir Deutsche unser Handy durchschnittlich alle acht Minuten oder anders ausgedrückt, benutzen wir es fast 3,5 Stunden am Tag. Dazu gehören vermutlich das tägliche Lesen von Zeitungen und News-portalen oder auch Überweisungen per Banking-app. Schließlich gibt es aber auch eine immer größere Gruppe von Menschen, die ihr Geld mit digitalen Endgeräten verdienen. Für die wäre eine digitale Enthaltsamkeit maximal während des Urlaubes oder des Wochenendes möglich.
Fakt ist, und da spreche ich auch aus eigener Erfahrung, dass wir uns immer weniger konzentrieren können, da wir durch digitale Reize immer häufiger abgelenkt werden. Wer kennt es nicht, wenn im Zug oder im Büro ständig die unzähligen unterschiedlichen Signaltöne beim Eingang von Nachrichten, Anrufen oder App-news ertönen und man immer wieder aus seinen Gedanken oder seiner Lektüre gerissen wird. Und wenn es nicht die anderen sind, dann ist es der eigene Blick auf die gerade eingegangene 30. Chatnachricht, der einen beim Schreiben dieser Kolumne ablenkt. Daher versuche ich schon seit einiger Zeit, sogenannte Fokuszeiten durchzuhalten, das heißt, ich lege bewusst das Handy für eine gewisse Zeit in ein anderes Zimmer, um ungestört produktiv sein zu können.
Digital Detox soll dabei helfen, mehr Lebensqualität zu gewinnen, denn wer schon bei einem niedrigen Akkustand erhöhten Puls bekommt oder sein Handy nur entsperrt, um zu schauen, ob er nicht doch eine Chatnachricht verpasst hat, sollte sich dringend damit beschäftigen.
Mittlerweile gibt es auch dafür entsprechende Apps, die die digitale Entgiftung unterstützen. So kann man mit ihnen zum Beispiel Zeitlimits für Anwendungen festlegen oder bestimmte Apps sperren. Andere beruhen auf der Pomodorotechnik, nach der man produktiver ist, wenn man 25 Minuten konzentriert und ohne Ablenkung an einer Sache gearbeitet hat.
Die Orthopäden unter Ihnen wissen es schon lange: Das ständige einhändige Schreiben und der permanente Blick auf das Handy verändern auch die Körperhaltung und verursachen zunehmend Rückenschmerzen. Gründe genug, sich mit dem Thema Digital Detox intensiver zu beschäftigen und seine eigenen digitalen Aktivitäten zu überdenken. Ohne jedoch die Digitalisierung zu verteufeln und die enormen Mehrwerte zu schätzen.