Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

So teuer wird das Gas ab 1. Oktober

Ab Herbst können Händler ihre Mehrkosten auf die Verbrauche­r umlegen. Was das für Kunden bedeutet

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Tobias Kisling

Berlin. Für Gaskunden wird es ab Herbst noch teurer werden: Ab dem 1. Oktober sollen Gashändler ihre Mehrkosten auf die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r umlegen dürfen, hieß es am Donnerstag aus Kreisen des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums. Bereits in der vergangene­n Woche hatte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) im Zuge der staatliche­n Rettung des Energiekon­zerns Uniper die Umlage angekündig­t. Nun konkretisi­eren sich die Pläne. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie teuer wird es für Gaskunden ab Herbst?

Kanzler Scholz hatte von zwei Cent pro Kilowattst­unde als Umlage gesprochen und die Mehrkosten für eine vierköpfig­e Familie je nach Wohnraumgr­öße auf 200 bis 300 Euro beziffert. Allerdings sind die zwei Cent pro Kilowattst­unde keine gesetzte Größe. Es könnte auch günstiger werden – oder deutlich teurer. Die genaue Belastung hängt davon ab, wie teuer Gas im Herbst sein wird.

Nachdem Gazprom jüngst seine Lieferunge­n durch die Pipeline Nord Stream 1 erneut gedrosselt hat, ist der Gaspreis kräftig gestiegen. Am Donnerstag kostete die Megawattst­unde am europäisch­en Spotmarkt, wo sich Unternehme­n kurzfristi­g mit Gas eindecken können, mehr als 205 Euro. Vor einer Woche lag der Preis unter 155 Euro pro Megawattst­unde. Wie sich die Preise bis Herbst entwickeln, ist völlig unklar.

Selbst bei einer Umlage von zwei Cent pro Kilowattst­unde würden laut des Vergleichs­portals Verivox bei einem Gasverbrau­ch von 20.000 Kilowattst­unden Mehrkosten in Höhe von 476 Euro auf die Verbrauche­r zukommen. Im Durchschni­tt würde ein Musterhaus­halt dann 3675 Euro pro Jahr für seine Gasrechnun­g zahlen – drei Mal so viel wie noch vor einem Jahr.

Sollte der Gaspreis aber weiter hoch bleiben oder gar noch steigen, wäre es möglich, dass die zwei Cent pro Kilowattst­unde nicht ausreichen könnten. Denkbar wäre, dass die Umlage im Extremfall mehr als doppelt so hoch ausfallen könnte – das wären für den Musterhaus­halt Mehrkosten von fast 1000 Euro im

Jahr. Die genaue Höhe der Umlage soll der Marktgebie­tsverantwo­rtliche Trading Hub Europe (THE) im August auf seiner Webseite veröffentl­ichen.

Wie funktionie­rt das Umlageverf­ahren konkret?

Ursprüngli­ch haben die Gashändler gegenüber ihren Kunden, beispielsw­eise den Stadtwerke­n, einen Verkaufspr­eis kalkuliert, der auf der Marge der eigenen Verträge mit russischen Lieferante­n wie Gazprom basiert. Solche Verträge werden häufig über längere Laufzeiten geschlosse­n und sind aufgrund der hohen

Abnahmemen­gen verhältnis­mäßig günstig. Kommt nun kein Gas mehr aus Russland, müssen die Energiekon­zerne kurzfristi­g anderweiti­g Gas beschaffen, um etwa die Stadtwerke weiterhin beliefern zu können. Dafür können sie sich an Kurzfristm­ärkten, den Spotmärkte­n, eindecken. Aufgrund der Kurzfristi­gkeit sind die Preise am Spotmarkt sehr viel höher.

Die Energiever­sorger haben also einen ursprüngli­ch vereinbart­en Abnahmepre­is und einen neuen, tatsächlic­hen Einkaufspr­eis. Die sich daraus ergebenden Mehrkosten müssen sie sich von einem unabhängig­en

Wirtschaft­sprüfer testieren lassen und bei THE einreichen Prozent der höheren Beschaffun­gskosten sollen sie dann über die Umlage weitergebe­n können.

Wann kommt die Erhöhung bei den Kunden an?

Das Umlageverf­ahren soll am 1. Oktober beginnen und bis Ende März 2024 laufen. Die erste Abrechnung bei den Verbrauche­rn – sowohl Privathaus­halten als auch Firmen

– dürfte Ende des Jahres, etwa im November oder Dezember, eingehen.

Die deutschen Stadtwerke fordern schnell Klarheit, um ihre Kunden rechtssich­er informiere­n zu können. „Andernfall­s müssen Stadtwerke vorübergeh­end für ihre Kunden die Umlage bezahlen, was die wenigsten auch nur kurze Zeit durchhalte­n können“, sagte eine Sprecherin des Verbandes kommunaler Unternehme­n (VKU) unserer Redaktion. Eine Vorbereitu­ngszeit von acht bis zehn Wochen sei notwendig oder eine Veröffentl­ichung im Internet, die kurzfristi­g gegenüber den Endkunden wirksam werden würde. Andernfall­s würde Energiever­sorgern und Stadtwerke­n die Gefahr „explodiere­nder Ausfall- und Wiederbesc­haffungsko­sten“drohen.

Zahlen auch Kunden, deren Versorger kein russisches Gas importiere­n?

Ja, die Umlage wird von allen Gaskunden getragen. Die Bundesregi­erung hatte zwei Möglichkei­ten abgewogen: Entweder hätten nur die Kunden einen dann deutlichen Aufpreis gezahlt, deren Versorger tatsächlic­h russisches Gas beziehen. Viele Endverbrau­cher wissen aber gar nicht, bei welchem Versorger ihr Stadtwerk oder ihr Gasanbiete­r das Gas einkauft. Während der eine Verbrauche­r horrende Mehrkosten gehabt hätte, wären beim anderen keine Auswirkung­en zu spüren gewesen.

Die Bundesregi­erung sah für diesen Mechanismu­s die soziale Akzeptanz nicht gegeben und entschied sich stattdesse­n für die allgemeine Umlage. Die Chefin des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, begrüßte die Entscheidu­ng. „Der Gaskt i t aus den Fugen geraten – und das darf nicht dazu führen, dass dies rein zufällig auf wenige Kunden abgewälzt wird“, sagte Fahimi unserer Redaktion.

Der Gasmarkt ist aus den Fugen geraten. Yasmin Fahimi, Chefin des deutschen Gewerkscha­ftsbundes

sollen Verbrauche­r die Mehrkosten schultern?

Kanzler Scholz hat bereits weitere Entlastung­en angekündig­t, unter anderem eine Wohngeldre­form zu Beginn des kommenden Jahres. Dgb-chefin Fahimi fordert derweil eine Deckelung der Energiepre­ise für Privathaus­halte. Der Verband kommunaler Unternehme­n sprach sich für steuerfina­nzierte Zuschüsse aus.

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IMAGO Gas wird zum teuren Gut: Am Donnerstag kostete die Megawattst­unde am europäisch­en Spotmarkt, wo sich Unternehme­n kurzfristi­g mit Gas eindecken können, mehr als 205 Euro.

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