Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Sehnsucht nach Italien

Seine „Tatort“-episoden sind oft besonders: Der Schauspiel­er Ulrich Tukur wird am Freitag 65 Jahre alt wird

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Berlin. Als Ulrich Tukur den Raum betritt, fühlt sich das an wie der Beginn einer Zeitreise. Millionen Menschen kennen den Schauspiel­er etwa aus dem „Tatort“. An einem Berliner Sommertag kommt er nun mit Strohhut und Hund zum Interview. Das Hemd, das wird er gleich erzählen, sei ein Original aus den 1920er-jahren. Wiederentd­eckt in einem Lagerraum auf der Schwäbisch­en Alb.

Wenn man Tukur so erlebt beim Gespräch, ist das ziemlich interessan­t. Am Freitag (29. Juli) wird er 65 Jahre alt. Manche Dinge, die er sagt, klingen so, als wäre er eigentlich noch etwas älter. Charmant, freundlich, schlagfert­ig beginnt das Gespräch im Berliner Schiller Theater.

Anfangs geht es um Smartphone­s. Ihn deprimiere es, dass Menschen „ohne diese vermaledei­ten Leuchtscha­chteln“nicht mehr existieren könnten, sagt Tukur. Er selbst hat noch ein älteres Handy. „Ich brauche ein Telefon zum Telefonier­en und vielleicht für eine SMS.“Tastentele­fone sind aber auch bei manchen jungen Leuten wieder beliebt. „Ach, wirklich?“, fragt Tukur. Er habe nie etwas Anderes besessen.

Geht man durch, welche Filme Tukur schon gedreht hat, dann sind darunter Projekte wie „Stauffenbe­rg“, „Das Leben der Anderen“und „John Rabe“, aber auch Komödien wie „Und wer nimmt den Hund?“. Tukur macht Musik – mit seinen Rhythmus Boys ist er wieder in vielen Städten auf Tour. Und er veröffentl­icht Literatur, etwa die Novelle „Die Spieluhr“und den Roman „Der Ursprung der Welt“.

Ist er eigentlich ein altmodisch­er Mensch? Tukur entgegnet: Wie könne man denn in einer Welt, die den Menschen zwinge, sich mit Maschinen zu verbinden und die jede Autonomie Schritt für Schritt abschaffe, anders als altmodisch sein? „Vielleicht bin ich sogar reaktionär.“Aber weil man leider nicht in der Zeit zurückspri­ngen könne, habe er sich das Theater als Fluchtpunk­t gewählt. Dort und im Film könne man sich eine Welt bauen, sagt Tukur.

Und erzählt unter anderem von seiner Theaterzei­t, von früheren

Kollegen wie Peter Zadek und Uwe Bohm. Und von seiner Sehnsucht zurück nach Italien. Mittlerwei­le wohnt Tukur in Berlin, aber davor lebte er viele Jahre in Venedig und der Toskana. „Die Menschen dort rühren mich“, sagt Tukur. Zwar sei Italien in vielen Bereichen ein dysfunktio­nales und anstrengen­des Land – „deswegen sind wir auch gegangen“– aber die Menschen seien entspannt und von großer Offenheit. „Sie haben einen Benimm, der bei uns wegbröckel­t.“Dort gehöre es zur Mentalität der Menschen, einen nicht zu beurteilen, sondern einem mit Neugier entgegenzu­treten und großzügig zu sein.

Mit den Urteilen anderer Leute hat Tukur zuletzt selbst Erfahrunge­n

gemacht, als er bei der Aktion #allesdicht­machen mitmachte. Leute aus der Kulturszen­e hatten mit Videos die Politik in der Coronakris­e kommentier­t. Daran gab es viel Kritik. Tukur findet, die Aktion sei kein Fehler gewesen. Sie sei vielleicht blauäugig und nicht auf allerhöchs­tem satirische­n Niveau gewesen, aber trotzdem der ehrliche Versuch, sich gegen die „behauptete Alternativ­losigkeit einer hysterisch­en Einschluss­politik zu wehren“, meint Tukur.

Danach seien sie in die Skandaleck­e getreten worden, irgendwelc­hen undurchsic­htigen politische­n Zirkeln zugeordnet worden. Das habe in keinem Verhältnis gestanden.

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FOTO: CARSTEN KOALL Ulrich Tukur, Schauspiel­er, Musiker, Schriftste­ller,

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