Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Vom Hambüchen-reck in den Bob

Der einstige Turner Adam Ammour gilt als größtes deutsches Talent an den Lenkseilen

- Dirk Pille

Oberhof. Adam Ammour hat keine Schraube locker. Weder im Bob noch in seinem Handgelenk. Dort stabilisie­rt ein Stück Metall seit fünf Jahren die Knochen und Sehnen nach einem Sportunfal­l.

Beim Anschieben stört Ammour die Verletzung längst nicht mehr. Mit den besten Startzeite­n raste der Pilot in Winterberg mit dem Erfurter Benedikt Hertel zum Juniorenwe­ltmeistert­itel im Zweierbob. Der erste große internatio­nale Erfolg für den 21 Jahre alten gebürtigen Hessen, der für den Bob Racing Club Thüringen in Oberhof startet.

Bevor Ammour in den Schlitten stieg war er ein talentiert­er Turner beim TSV Allendorf/lahn nahe Gießen. „Ich bin sogar mal am Gold-reck von Fabian Hambüchen, der ja aus dem nahen Wetzlar stammt, geturnt“, erinnert sich Ammour. Bei einem Turnunfall brach sich der junge Hesse dann das Handgelenk. „Komplizier­t. Danach konnte ich die nötigen Drehungen nicht mehr machen. Mit dem Turnen war jedenfalls Schluss“, erzählt der Sportsolda­t.

Ein halbes Jahr war Pause mit Sport für Ammour. „Doch dann brachte mich mein Bruder Issam, der schon ein paar Jahre Anschieber war, zum Bobfahren“, berichtet Ammour. Die Oberhofer bekamen das Talent unter ihre Fittiche. Ammours ehemaliger Verein in Wiesbaden und Winterberg hatten offenbar Streit. So landete der Schwarzsch­opf, dessen Vater aus Algerien und die Mutter aus Marseille stammen, in Thüringen. „Papa hat in Deutschlan­d studiert und ist dann als Ingenieur hier geblieben“, lässt

Ammour ein bisschen in die Familienge­schichte blicken.

Vor drei Jahren wechselte Ammour auf den Rennsteig, wo er mit Issam gemeinsam trainiert. Ammours Bruder ist inzwischen einer der besten deutschen Anschieber, verpasste mit dem zweiten Oberhofer Piloten Hans Peter Hannighofe­r knapp die Weltcup-plätze. „Matthias Trübner, der frühere Trainer von André Lange hat mich bis zu seiner Rente ausgebilde­t. Da habe ich sehr viel gelernt“, so Ammour, der mittlerwei­le als größtes deutsches Talent an den Lenkseilen gilt. Auch Bundestrai­ner René Spies hat den

Youngster mit Blick auf Olympia 2026 in Cortina d’ampezzo fest im Blick. „Er ist zweifellos ein Ausnahmeta­lent“, findet Spies.

Vor allem die Startzeite­n und die stabilen Fahrten katapultie­rten Ammour mit Kumpel Hertel jetzt mit einer Wildcard für den Juniorenwe­ltmeister sogar schon zur richtigen WM in einer Woche in St. Moritz. „Das hätte ich mir in meiner ersten internatio­nalen Saison nicht vorstellen können. Doch nachdem wir im Europacup jedes Zweierrenn­en gewonnen hatten, wollten wir auch Junioren-weltmeiste­r werden. Der Plan ging auf“, freut sich Ammour.

Die Bahn in St. Moritz kennt Ammour schon ein bisschen. „Im Frühjahr durften wir zum Lehrgang auf die einzige Naturbahn der Welt“, erzählt sein Athletiktr­ainer Martin Putze, selbst Weltmeiste­r und Olympiasie­ger mit André Lange.

Aktuell lernt Ammour wieder eine neue Bahn kennen. Im lettischen Sigulda fährt er im Europacup, wo die Siegesseri­e halten soll. Ammour ist nicht zu bremsen.

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DIETMAR REKER (2) Adam Ammour (vorn und kleines Bild) und Benedikt Hertel vom BRC Thüringen waren die Start-raketen bei der Junioren-wm.

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