Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Wenige Wärmestube­n in Thüringen

Weshalb es das Angebot nur in einigen Kommunen gibt

- Sophie-marie Rudolph

Wenn Wohnungen im Winter kalt bleiben, weil etwa Heizung, Strom oder Gas großflächi­g ausgefalle­n sind, oder das Geld fehlt, sollen Wärmestube­n frierenden Menschen Zuflucht bieten. Doch in den wenigsten Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in Thüringen gibt es solche Räume. Das ergab eine Recherche dieser Zeitung.

Die Stadt Gera hält erst Wärmestube­n vor, wenn deren Amt für Brand- und Katastroph­enschutz eine Gefahrenla­ge ausspricht. „Solche Überlegung­en sind aktuell nicht nötig“, sagt auch Kristian Philler, Sprecher der Stadt Jena. Das Vorgehen deckt sich mit dem im Landkreis Saale-orla. Alexander Hebenstrei­t, Sprecher des Landratsam­tes, bestätigt auf Nachfrage, dass zwar Gebäude wie Turnhallen bei Bedarf genutzt werden können, es jedoch einige Gemeinden gebe, „die es ablehnen, Wärmestube­n vorzuhalte­n, weil sie es schlicht nicht für nötig erachten“. Sollte es im Landkreis zu einem großflächi­gen Stromausfa­ll kommen, stehen Stützpunkt­feuerwehre­n als erste Anlaufstel­le für die Bürgerinne­n und Bürger bereit.

Martin Modes vom Landratsam­t Saalfeld-rudolstadt verweist auf eine Bürgermeis­terberatun­g im Dezember 2022, in der das Konzept der Katastroph­enschutz-leuchttürm­e vorgestell­t wurde. Es erfülle ähnliche Anforderun­gen wie die an eine Wärmestube. Generell obliege es jeder Kommune und Stadt, selbst solche Hilfsangeb­ote zu betreiben. Hilfsorgan­isationen und karitative Verbände bieten solche Einrichtun­gen, neben ihren anderen Tätigkeite­n, an.

Diese Landkreise und Städte bieten Wärmestube­n an

Wärmestube­n können „ein sinnvolles Hilfsangeb­ot für Menschen sein, die aufgrund der extrem gestiegene­n Heizkosten nicht mehr wie in der Vergangenh­eit ihre Wohnungen beheizen können oder anderweiti­g nicht in der Lage sind, warme Räumlichke­iten zu nutzen“, definiert Karina Krausholz, Öffentlich­keitsund Fördermitt­elbeauftra­gte des Novalis-diakonieve­reins Kyffhäuser­kreis, eine Wärmestube. Man sei in der Lage, bei Bedarf ein entspreche­ndes Angebot zu errichten. „Als Novalis-diakonie sind wir im Kyffhäuser­kreis und den anliegende­n Landkreise­n sehr dezentral tätig und sind für die Bürgermeis­ter ansprechba­r. Hilfen wie Lebensmitt­elgutschei­ne haben wir bereits installier­t, um erste Bedürfniss­e bei den Betroffene­n zu bedienen“, so Krausholz.

Die Diakoniest­iftung Weimar Bad Lobenstein handhabt das Thema anders. Pfarrer Ramón Seliger betont im Gespräch mit dieser Zeitung den Bedarf dieser Räume: „Menschen stehen in diesen Tagen vor besonderen Herausford­erungen. Sie frieren an Leib und Seele.“Es gehe in den Projekten nicht nur um die physische Kälte, „sondern auch um die Lieblosigk­eiten und fehlende soziale Wärme, die hier und da wahrzunehm­en sind.“Eines der Projekte, welches mehr als nur einen beheizten Raum bietet und Besucher auf mehreren Ebenen berühren soll, ist das Projekt Wärmewinte­r, das im Dezember begann. Das Angebot wurde jüngst unter dem Namen „Zu Tisch bei Jakob“erweitert. Bis Ende März soll es in Bad Blankenbur­g, Saalfeld, Weimar und Pößneck angeboten werden. „Zu Tisch bei Jakob“richte „sich an den Hartz-iv-empfänger genauso wie an den Arbeitnehm­er, der eine

Stunde Gemeinscha­ft erfahren will. In diesem Sinne sind wir alle bedürftig. Wir wollen hier die Schwelle niedrig halten, damit jeder kommen kann“, fasst Seliger zusammen.

In Erfurt bietet die Bahnhofsmi­ssion im Pavillon auf dem Gleis 3-8 im Hauptbahnh­of einen Ort, in dem man sich aufwärmen kann. Das bestätigt Mitarbeite­r Hubertus Schönemann. Er weist darauf hin, dass die Bahnhofsmi­ssion entspreche­nde Hilfeeinri­chtungen vermittelt, wenn das für Menschen notwendig wird, die die Bahnhofsmi­ssion aufsuchen. Zusätzlich gibt es den Tagestreff der Caritas in der Regierungs­straße und das Café des Herzens in der Allerheili­genstraße, wo Bedürftige essen und sich aufwärmen können. Die Stadt Erfurt bestätigt auf Nachfrage, dass der Bedarf an Wärmestube­n so niedrig sei, dass dieser durch karitative Verbände abgedeckt werden kann.

In Mühlhausen ist eine Wärmestube am Güterbahnh­of in Planung. Dieses Angebot des Diakonisch­en Werkes unterstütz­t ein lokaler Unternehme­r mit 100.000 Euro. Laut der Geschäftsf­ührerin der Diakonie, Grit Jugl, gibt es am Güterbahnh­of einen Wärmetreff, wo es für bedürftige Menschen heißen Kaffee, Tee und manchmal eine Suppe gibt. Ein ähnliches Angebot findet sich im Diakoniewe­rk Gotha. Obdachlose Menschen können hier duschen und Wäsche waschen, bestätigt Tanja Schreyer, Bereichsle­itung Kreisdiako­niestelle.

Das ist für mich nicht nur der Ort, wo man sich aufwärmt, sondern wo es Begegnung gibt, wo es Hilfeleist­ungen und Unterstütz­ungen gibt. Ramón Seliger Pfarrer von der Diakoniest­iftung Weimar Bad Lobenstein, definiert den Sinn einer Wärmestube

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 ?? MARCO SCHMIDT ?? Der Pavillon der Erfurter Bahnhofsmi­ssion am Bahnsteig 3-5 bietet einen Ort, an den man sich aufwärmen kann.
MARCO SCHMIDT Der Pavillon der Erfurter Bahnhofsmi­ssion am Bahnsteig 3-5 bietet einen Ort, an den man sich aufwärmen kann.

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