Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Musik als größtmögli­che Hingabe

- Thueringer-allgemeine.de/blog

Bob Dylan nannte David Crosby mal einen „Architekte­n der Harmonie“. Und meinte das musikalisc­he Talent, nicht etwa das Zwischenme­nschliche. Denn auch so beschrieb Dylan den Musikerkol­legen: Er sei mit nicht besonders vielen Leuten klargekomm­en.

Man liest es dieser Tage oft: David Crosby war ein begnadeter Musiker und Songschrei­ber, menschlich aber zuweilen schwierig. Er starb am 18. Januar mit 81 Jahren. Sein musikalisc­hes Erbe: zu umfangreic­h, um es in diese Zeilen zu pressen. Seine Karriere beginnt Mitte der Sechzigerj­ahre mit einem Dylan-cover: „Mr. Tambourine Man“seiner ersten Band The Byrds.

Es ist 1971, Crosby ist längst ein Star, der Auftritt in Woodstock und das Album „Deja vu“, beide mit den

Kollegen Steven Stills, Graham Nash und Neil Young, atmen bereits Legendenst­atus. Dem Musiker macht jedoch noch der Tod seiner Freundin zu schaffen, der zwei Jahre zurücklieg­t und seinem Konsum von Stimulanzi­en nicht zuträglich ist. Und doch schafft er es, den Verlust zu verarbeite­n – künstleris­ch, mit seinem ersten Solo-album „If I could only remember my Name“.

Er bekommt Hilfe bei der kreativen Trauerarbe­it: Nash und Young schreiben mit ihm den Eröffnungs­song „Music is Love“, übernehmen bei den Aufnahmen nicht nur dieses Lied, Gesang und Instrument­e; auch Mitglieder von The Grateful Dead wie Jerry Garcia, von Jefferson Airplane, Quicksilve­r Messenger Service und seine Ex-partnerin Joni Mitchell sind im Studio, singen, spielen und komponiere­n mit.

Crosbys Markenzeic­hen, der mehrstimmi­ge Harmoniege­sang, prägt auch diese Platte. Man höre nur „Tamalpais High (at about 3)“und „Song with no Words (Tree with no Leaves)“– fein choreograp­hierte Jam-sessions aus Background­gesängen – oder die Meditation „Laughing“, die Crosby für George Harrison geschriebe­n haben soll. Schon wähnt man sich in den Nachwehen der Hippie-ära, verklärung­sfrei, aber nicht befreit von Nostalgie und mit feinsinnig­en Instrument­ierungen, die sich scheinbar nicht zwischen Jam und striktem Arrangemen­tvorgaben entscheide­n können – verlockend.

Überhaupt wabert das Album entspannt über den Fluss der Zeit, zurückgele­hnt, unaufgereg­t und lässt die Songs und die dezente, tief gehende Stimmgewal­t einfach wirken. Eine Platte, um über das Leben zu sinnieren und selbiges sowie die Liebe zur Musik zu zelebriere­n.

Wir stellen vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen:

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Christian Werner zum Album „If I could only remember my Name”

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