Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Energiekrise weckt Ellricher Erfindergeist
Mit einem Zusatz-heizsystem sollen Hausbesitzer etwa ein Drittel Erdgas oder Heizöl sparen können
Das Auftragsbuch ist gut gefüllt, die von der Europäischen Union (EU) verordnete Zukunft der emissionsfreien Antriebe ist für Sportwagenfreaks fern: Seit fast 15 Jahren erfahren ihre Autos in Ellrich die Tuning-vollendung. Christoph Zinram baut spezielle Abgasanlagen für leistungsgesteigerte Fahrzeuge und für den Motorsport.
Kunden hat sein Unternehmen auf fast allen Kontinenten, der Absatzrückgang in Deutschland wird vor allem durch Aufträge aus den USA und Kanada mehr als ausgeglichen. Seit Jahren macht der Diplomingenieur für Fahrzeugtechnik mit fünf Kollegen einen Jahresumsatz im hohen sechsstelligen Bereich. Daran habe auch der Trend zu Elektro- und Wasserstoffantrieben nichts geändert. Zumal, sagt Firmenchef Zinram, immer mehr Oldtimerfreunde aus ganz Europa mangels Original-ersatzteilen bei ihm Hilfe suchen.
Anfang des Jahres 2022 zog er aus den alten Backsteinmauern der früheren Ellricher Stuhlfabrik aus und in eine neue Produktionshalle nebenan ein. 380.000 Euro hatte er investiert. „Diese Investition war notwendig, um die staatlich vorgeschriebene Zertifizierung der Fertigung vom TÜV Thüringen und dem Kraftfahrtbundesamt zu erlangen“, erklärt er.
Doch die Erfolgsgeschichte aus der Provinz ließ den Ellricher nicht ruhen. Er sieht, dass Energie die Ressource der Zukunft, dass Erdgas seit dem Ukrainekrieg umkämpft wie nie ist. „Da macht man sich schon Gedanken. Vielleicht ist irgendwann ein auf 330 PS hochgetunter Golf nicht mehr so wichtig
wie ein warmes Zuhause.“Es sagt dies ein Mann, der mit zwölf das erste Mal eine Simson anspringen ließ, für den der Beruf eines Kfz-mechanikers ein wirklicher Traumjob ist, der dann ein Diplom in Fahrzeugtechnik draufsattelt.
Kurzum: Zinram ist ein Autonarr. Aber er ist eben auch jemand, der
das Tüfteln liebt und ständig eine neue Herausforderung sucht.
Es ist die Gasrechnung für die Firmenhalle, die ihn vergangenes Jahr antreibt, eine strombetriebene Durchlaufheizung als ergänzendes Heizsystem für private Hausbesitzer zu entwickeln. Wird sie zwischen Heizung und Warmwasserkessel
installiert, könne damit der Erdgas- oder Heizölverbrauch um durchschnittlich 30 Prozent gesenkt werden. „Strom wird langfristig günstiger sein als Erdgas oder Heizöl“, ist sich Zinram sicher. Denn Strom kann auch regional, etwa dank Photovoltaik auf dem eigenen Dach, erzeugt werden. Er ergänzt, dass die Heizung auch als Notheizung im Falle eines Gasausfalls oder für die Erwärmung von Pools eingesetzt werden kann.
In der Industrie gebe es solche Durchlaufheizsysteme längst, um etwa Medien wie Öl oder Lebensmittel zu erwärmen. Auch als Notheizungen werden solche als große Systeme angeboten, um bei einem Heizungsdefekt das Einfrieren der Leitungen zu verhindern: „Wir haben den großen Industriestandard quasi verkleinert und effizienter gemacht“, erklärt Zinram und ist selbst verwundert, eine noch unbesetzte Nische entdeckt zu haben. Um einen Gebrauchsmusterschutz müht er sich gerade.
Verblüffende Parallelen zu Abgasanlagen für Autos
Ein befreundeter Heizungsinstallateur half, die Idee in ein Produkt zu überführen. Zinrams Know-how in Sachen Edelstahlverarbeitung und die Fähigkeit, Rohrleitungssysteme zu berechnen, sind nicht minder wichtig. Wie bei Abgasanlagen gilt es auch hier, eine Rohrführung technisch so zu konstruieren, dass das Medium darin so abgeführt wird, dass es sich optimal erwärmt. Sowohl die Fließgeschwindigkeit als auch das Durchflussvolumen spielen dabei eine Rolle.
Als Alternative zur Erdgasheizung sind Wärmepumpen hoch im Kurs. „Aber die sind so teuer, dass sich viele diese gar nicht leisten können“, argumentiert Christoph Zinram mit Blick auf die fünfstelligen Investitionssummen, die auf die Hausbesitzer zukommen. Seine Durchlaufheizung indes koste einen dreistelligen Euro-betrag. Zwischen 50 und 120 Zentimeter lang, liefern sie Leistungen zwischen drei und zwölf Kilowatt.
Den ersten Heizungstyp baute Zinram vor einem halben Jahr, inzwischen verkauft er Woche für Woche 20 bis 25 Stück. Kunden hat er deutschlandweit, ein Europageschäft soll es werden. „Etwa zehn Prozent unseres Umsatzes macht das Geschäftsfeld aktuell aus, etwa die Hälfte peile ich an.“Zusätzlicher Investitionen bedurfte es nicht – für die Fertigung der Heizungen können die gleichen Maschinen und Produktionsplätze genutzt werden wie für die Abgasanlagen.
Vielleicht ist irgendwann ein auf 330 PS hochgetunter Golf nicht mehr so wichtig wie ein warmes Zuhause. Christoph Zinram, Tüftler, Autonarr und Unternehmer