Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Dem Thüringer Arbeitsmar­kt fehlen bald zehntausen­de Fachkräfte

Chef der Regionaldi­rektion der Bundesarbe­itsagentur hält gezielte Zuwanderun­g für dringend geboten. Zeit bis zur Besetzung freier Stellen nimmt deutlich zu

- Bernd Jentsch

In den Unternehme­n in Thüringen werden in den nächsten Jahren weit mehr Arbeitsplä­tze abgebaut als neue geschaffen. Das geht aus dem aktuellen Forschungs­bericht des Instituts für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung hervor, das den Zeitraum bis 2040 erfasst.

„Demnach gehen über alle Branchen hinweg betrachtet bis 2040 in Thüringen genau 191.100 Arbeitsplä­tze verloren, während lediglich 9500 neue entstehen“, berichtete am Donnerstag der Chef der Regionaldi­rektion Sachsen-anhalt/thüringen der Bundesagen­tur für Arbeit, Markus Behrens. Bei einem

Zuwachs von 0,9 Prozent und einen Rückgang von 18,8 Prozent stehe unter dem Strich ein minus von 181.600 Stellen im Freistaat.

Hauptgrund für den ausbleiben­den Arbeitspla­tzaufbau ist laut Behrens die Demografie. Es scheiden deutlich mehr ältere Beschäftig­te aus dem Arbeitsmar­kt aus, als jüngere Mitarbeite­r nachkommen. So kamen zwischen 2018 und 2022 im Freistaat rund 11.000 Beschäftig­te im Alter zwischen 20 und 25 Jahren hinzu, während der Anteil der Beschäftig­ten in einem Alter über 60 Jahre im gleichen Zeitraum um mehr als 12.500 auf 69.673 stieg.

Das Potenzial der erwerbslos­en Thüringer ist zudem überschaub­ar.

Nahezu ein Drittel der arbeitslos­en Fachkräfte und Spezialist­en im Freistaat ist bereits älter als 55 Jahre. Neben einer verstärkte­n Digitalisi­erung in den Unternehme­n – rund ein Drittel der Berufe sind laut einer Studie technisch stark substituie­rbar – muss der Freistaat laut Behrens auch um eine Rückkehr der Pendler ringen. Während derzeit aus anderen Bundesländ­ern 71.500 Menschen zur Arbeit nach Thüringen kommen, verlassen 124.400 regelmäßig das Land, um in anderen Regionen zu arbeiten. Dieser Auspendler­überschuss biete Potenzial.

Dagegen weist Thüringen bei der Beschäftig­ung von Frauen bereits die zweithöchs­te Quote unter den deutschen Bundesländ­ern auf, bei schwerbehi­nderten Menschen und Langzeitar­beitslosen sind die Zahlen kontinuier­lich gesunken.

Auch auf dem Ausbildung­smarkt klafft eine immer größer werdende Lücke. So standen laut Behrens im

September vergangene­n Jahres im Freistaat 13.300 freie Lehrstelle­n zur Verfügung, für die es aber lediglich 8100 Bewerber gab.

„Um den Arbeitsmar­kt in Thüringen in den kommenden Jahren zu stabilisie­ren ist eine gesteuerte Zuwanderun­g unumgängli­ch“, zeigte sich Markus Behrens überzeugt. Sie mindere bereits aktuell den demografie­bedingten Arbeitskrä­fteverlust. Im Frühjahr 2022 zählte man auf dem Thüringer Arbeitsmar­kt genau 741.134 Deutsche in einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ung und 62.158 Frauen und Männer aus dem Ausland. Während die Zahl der mit Deutschen besetzten Stellen binnen Jahresfris­t um 0,2 Prozentpun­kte sank, stieg sie bei den Ausländern um 16,6 Prozentpun­kte an. Dabei kamen die meisten ausländisc­hen Beschäftig­ten auf dem Arbeitsmar­kt in Thüringen aus Polen (13.197), aus Rumänien (8129) und Syrien (4096).

 ?? ARBEITSAGE­NTUR ?? Markus Behrens ist der Chef der Arbeitsage­nturen in Thüringen.
ARBEITSAGE­NTUR Markus Behrens ist der Chef der Arbeitsage­nturen in Thüringen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany