Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Scholz auf der Suche nach neuen Partnern
Bei seiner Südamerika-reise macht er zuerst Station in Argentinien. Wie verhält sich das Land im Ukraine-krieg?
Fußball-freundlichkeiten gehen immer, besonders hier. „Vielen Dank für den freundlichen Empfang hier in Argentinien“, sagt Olaf Scholz. „Im Land des Weltmeisters.“Dabei lächelt der Bundeskanzler verschmitzt auf die ihm eigene Art, die der bayerische Ministerpräsident Markus Söder einmal „schlumpfig“nannte. Man weiß nicht, ob Argentiniens Präsident Alberto Fernández in dem Moment das Wort „pitufo“durch den Kopf geht – spanisch für Schlumpf. Aber der argentinische Staatschef freut sich sichtlich über den Besucher aus Deutschland.
Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires ist die erste Station seiner gut viertägigen Reise nach Südamerika. Scholz will mit dem Besuch in Argentinien, Chile und Brasilien deutlich machen, wie viel ihm an diesen drei demokratischen Ländern liegt. „Gerade in diesen Zeiten sind Freundschaften wichtig und Beziehungen zwischen Ländern, die gut zusammenarbeiten“, betont er. Erneuerbare Energien, Handel, Kampf gegen den Klimawandel: Der Kanzler zählt ein Feld nach dem anderen auf, das er gemeinsam mit den Staaten der Region beackern will. Auch im Konflikt mit Russland sucht Scholz den Schulterschluss mit den Südamerikanern, „weil wir die gleichen Werte im Herzen haben“.
Deutsche „Air Force One“: Scholz fliegt erstmals mit neuem Jet
Es ist sommerlich, der Wind weht warm durch die argentinische Hauptstadt. Viele Bewohner befinden sich derzeit in den Sommerferien am Meer. Die abendliche Pressekonferenz von Scholz und Präsident Fernández findet unter freiem Himmel statt. Olaf Scholz scheint der Szenenwechsel zu gefallen. Gestartet war der Kanzler in Berlin bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Sein Kanzlerflieger vom Typ Airbus A350-900 musste erst enteist werden, bevor sich die Maschine die 12.052 Kilometer und 15 Stunden Flugzeit auf den Weg machen konnte. Es ist die erste Reise des Kanzlers in der „Konrad Adenauer“, dem neuen Flaggschiff der Flugbereitschaft der Bundeswehr. Wegen seiner speziellen Vip-ausstattung gilt die Maschine als die deutsche „Air Force One“. Schon auf dem Flug hatte Scholz gute Laune. Das mag an dem nigelnagelneuen Flieger gelegen haben – oder am Verlauf der vergangenen Woche. Am Mittwoch konnte Scholz eine von Deutschland und den USA angeführte internationale Allianz zur Unterstützung der Ukraine mit Kampfpanzern verkünden. Für den Kanzler war das ein Erfolg, für den ihn Kritiker lobten. Scholz fühlte sich in den Tagen und Wochen zuvor zu Unrecht attackiert.
Wer ihn nach Lateinamerika begleitet, trifft auf einen Olaf Scholz, der zumindest deutlich gelöster ist als noch am Wochenende zuvor auf der Reise zum deutsch-französischen Ministerrat in Paris. Druck ist von ihm gefallen. Deutlich wird aber auch, dass Scholz sich auf den Besuch in Südamerika freut. In Buenos Aires besucht der Kanzler
den Park der Erinnerungen am Ufer des Rio de la Plata. Hier sind die Namen von Opfern der argentinischen Militärdiktatur in lange Mauern graviert. Scholz spricht mit Hinterbliebenen, steckt eine weiße Blume für Elisabeth Käsemann in die Wand. Die junge Deutsche wurde 1977 von dem Regime ermordet. Diktaturen seien immer mit Verschwundenen und Getöteten verbunden, sagt Scholz und nennt ausdrücklich den Iran. „Das ist eine Mahnung an uns alle, die Freiheit, die wir haben, zu schätzen und zu verteidigen.“
Wenig zuvor: Scholz sitzt nach einem kurzen Spaziergang durch das Hafenviertel La Boca in weißem Hemd, ohne Sakko, in einem schattigen
Patio und trifft junge Unternehmer, Klimaaktivisten, Wissenschaftler. Sie stellen ihm Fragen zum Umweltschutz, zum Handel – und äußern Sorgen, dass Deutschland zwar scharf sein könnte auf Argentiniens Lithium, das wichtig ist für die Herstellung von Batterien für E-autos – das Land selbst aber nicht davon profitiert. Scholz bemüht sich, diese Angst vor einem modernen Kolonialismus zu zerstreuen, verspricht eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Anstatt in China könne die Weiterverarbeitung auch in Argentinien stattfinden und tausende Jobs schaffen.
Kanzler äußert sich zu Baerbocks Aussagen zu Krieg mit Russland
Auslandsreisen vor allem auf andere Kontinente sind für den Bundeskanzler auch eine Abwechslung zum politischen Alltag. Fernab der Heimat lassen sich einmal andere Themen bearbeiten als die letzten Konflikte mit störrischen Koalitionspartnern. Der Krieg in der Ukraine begleitet Scholz allerdings überallhin. Wie er zu der Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena
Baerbock (Grüne) steht, Deutschland kämpfe „einen Krieg gegen Russland“, wird Scholz gefragt. „Das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine“, betont er. Daran ändere sich nichts durch die Unterstützung der Ukraine auch mit Waffen. Viel lieber als über den verbalen Fehltritt seiner Außenministerin spricht Scholz über die Haltung Argentiniens zu dem Krieg. „Wir verurteilen diesen Angriff“, stellt Fernández klar. Sein Land nimmt aber eine distanzierte Haltung ein: Waffen werde weder Argentinien noch ein anderes südamerikanisches Land an die Ukraine liefern. „Der Bundeskanzler und ich wünschen uns, dass so bald wie möglich wieder Frieden herrscht.“Der Krieg im fernen Europa ist dem argentinischen Staatschef aber auch aus eigenem Interesse nicht egal: „In der nördlichen Halbkugel fliegen Raketen und sterben Menschen. Aber hier in der südlichen Halbkugel hat das Folgen für die Preise und den Hunger der Menschen.“Das müsse Putin verstehen, klagt Fernández. Scholz ist froh über solche Worte.