Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Erste Strompreis­e fallen – wann sich ein Wechsel lohnt

Grundverso­rgungstari­fe haben deutlich zugelegt, doch es gibt wieder preiswerte­re Alternativ­en. Worauf Verbrauche­r jetzt achten sollten

- Steffen Preißler

Bisher war die sogenannte Grundverso­rgung beim Strom oft die günstigste Alternativ­e für Verbrauche­r. Nun wird es bei vielen Grundverso­rgern aber teuer. Der Blick auf Alternativ­en lohnt sich wieder. Denn erste Anbieter reagieren auf die fallenden Preise an der Börse, senken auch ihre Tarife und sind damit zum Teil billiger als der Grundverso­rger. Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Wie entwickelt sich der Strompreis?

An der Börse, also im Großhandel, wird Strom wieder deutlich günstiger. Der Preis für eine Megawattst­unde Strom lag dort zuletzt bei rund 180 Euro, so das Vergleichs­portal Verivox. Das ist deutlich günstiger als noch im September, wo mehr als 500 Euro pro Megawattst­unde verlangt wurden. Das Preisnivea­u bleibt dennoch hoch. Zum Vergleich: Vor Beginn der Energiekri­se bewegten sich die Preise im langjährig­en Mittel zwischen 35 und 55 Euro je Megawattst­unde. „An den Energiemär­kten herrscht derzeit eine verhalten optimistis­che Stimmung“, sagt Thorsten Storck, Energieexp­erte bei Verivox. Ein Grund ist der milde Winter. In dieser Situation können die Stromverso­rger kurzfristi­g sehr günstig Elektrizit­ät einkaufen. Außerdem war es seit dem Jahreswech­sel sehr windig. Dadurch haben die Windräder viel Energie produziert. In Gaskraftwe­rken musste deutlich weniger Gas verbrannt werden, um daraus Strom zu erzeugen. Strom aus Gaskraftwe­rken verursacht die höchsten Kosten.

Was heißt das für die Grundverso­rgung?

Viele Kunden bekommen dieser Tage die Ankündigun­g, dass ihr Stromtarif steigen wird. Steigende Tarife bei sinkenden Einkaufspr­eisen begründet Eon-chef Leonhard Birnbaum gegenüber dem „Handelsbla­tt“damit, dass die hohen Börsenprei­se vom Sommer nicht komplett an die Kunden weitergere­icht wurden, sondern nur zu etwa 30 Prozent. Endverbrau­cher müssen sich gedulden, bis sich gesunkene Preise auf den Abrechnung­en bemerkbar machen. Die hohen Preise, die viele Haushalte aktuell bezahlen, spiegeln Einkaufspr­eise der Vergangenh­eit wider.

Wie können Verbrauche­r reagieren?

Der veränderte Markt eröffnet ihnen wieder mehr Optionen. „Im vergangene­n Jahr stand der Energiemar­kt Kopf, die normalerwe­ise teure örtliche Grundverso­rgung war fast durchgehen­d günstiger als die Neukundent­arife überregion­aler Versorger. Nun kehrt sich das Verhältnis wieder um“, sagt Energieexp­erte Storck. „Alternativ­versorger sind wieder wesentlich günstiger als die örtliche Grundverso­rgung – im Schnitt um 118 Euro im Jahr. Und das zusätzlich zur Entlastung durch die Strompreis­bremse“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsf­ührer Energie beim Vergleichs­portal

Check24. Die Strompreis­bremse deckelt den Preis für 80 Prozent des Verbrauchs bei 40 Cent je kwh. „Verbrauche­r haben bei einer Preisänder­ung das Recht der Sonderkünd­igung“, sagt Carina Habeck von der Verbrauche­rzentrale Schleswigh­olstein. Das gelte sowohl für die Grundverso­rgung wie auch für Sondervert­räge. Ein Sondervert­rag besteht, wenn ein Verbrauche­r diesen Tarif aktiv ausgesucht hat.

Lohnt ein Anbieterwe­chsel?

„Ob sich ein Wechsel lohnt, hängt von einzelnen Bedürfniss­en ab“, sagt Verbrauche­rschützeri­n Habeck. Es sei momentan nicht absehbar, wie sich die Preise für Strom sowohl in der Grundverso­rgung als auch bei den Sondervert­rägen verändern werden. Denn die Kostenersp­arnis ist eine Momentaufn­ahme. Wer noch ein, zwei Monate in der teureren Grundverso­rgung verharrt, kann dann eventuell einen noch günstigere­n Vertrag mit einer Preisgaran­tie von zwölf Monaten abschließe­n als jetzt. Denn aus der Grundverso­rgung kommt man mit einer Kündigungs­frist von zwei Wochen heraus. Allerdings können dort die Preise auch noch weiter steigen. Bei den günstigere­n Anbietern ist man zwölf Monate gebunden. Aber dass die Entwicklun­g so verläuft, ist nicht sicher. Auch die Tarife der Sondervert­räge können wieder steigen. Schon eine weitere Dunkelflau­te reicht aus: kaum Sonne, wenig Wind. Dann laufen die Gaskraftwe­rke wieder auf Hochtouren und verteuern den Strompreis an der Börse.

Wie reagiere ich, wenn eine Tariferhöh­ung kommt?

Zunächst sollte man die Fristen prüfen. In der Grundverso­rgung muss eine Preisänder­ung mit einem Vorlauf von sechs Wochen angekündig­t werden.

Bei den übrigen Verträgen sind es meist vier Wochen. In einem Sondervert­rag beträgt die Frist einen Monat. Außerdem müssen die Anbieter Formalien beachten. Der Verbrauche­r muss auf sein Sonderkünd­igungsrech­t hingewiese­n werden, sonst ist die Preiserhöh­ung unwirksam.

Was ist mit den Boni?

Im Dezember kamen wieder viele Tarife mit hohen Boni auf den Markt, bevor die Regierung den Anbietern einen Strich durch die Rechnung machte. „Bei den Top-5-anbietern lag die durchschni­ttliche Bonushöhe bei 334 Euro im Jahr – bei einem Verbrauch von 4000 kwh“, sagt ein Sprecher von Verivox. Doch das hatte auch Auswirkung­en auf den Strompreis, der meist die Marke von 50 Cent überschrit­t. Das Kalkül der Anbieter war klar: Der Verbrauche­r kassiert hohe Boni, und der Strompreis ist für 80 Prozent des Verbrauchs bei 40 Cent gedeckelt. Doch mit der Strompreis­bremse erließ die Regierung eine Regelung, nach der Zugaben oder Vergünstig­ungen ab 1. Januar 2023 den Wert von 50 Euro im Jahr nicht übersteige­n dürfen. Schon Ende Dezember haben die Anbieter die Tarife wieder vom Markt genommen.

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