Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Ein erdender Normalo am Tatort

Das Theater Rudolstadt bringt die erfolgreic­he Tv-serie „Der Tatortrein­iger“auf die Bühne

- Lrike Merkel nächste Vorstellun­gen: 31. Januar, 4. Februar, 26. Februar, Rudolstadt, Theater im Stadthaus

2011 fuhr Spurenbese­itiger Heiko Schotte, genannt Schotty, zu seinem ersten Tatort. Dort traf er auf eine Prostituie­rte, die der Ermordete noch vor seinem gewaltsame­n Ableben gebucht hatte. Es war die erste von 31 skurrilen Begegnunge­n, die in der Tv-serie „Der Tatortrein­iger“aufgeblätt­ert werden. Bjarne Mädel wurde für die Rolle des liebenswer­t-bodenständ­igen Normalos mehrfach ausgezeich­net – ebenso wie Drehbuchau­torin Mizzi Meyer. Das Publikum liebte die Figur, die schrägen Alltagsges­chichten und die wunderbare­n Dialoge, die sich an blutigen Tatorten

entspannen: von gesellscha­ftlichen Diskursen bis zu existenzie­llen und philosophi­schen Fragen.

Das Theater Rudolstadt hat die Serie nun auf die Bühne gebracht: Regisseur Markus Fennert entwickelt die Episoden sehr nah am Original. Und auch Ensemble-neuling Michael Goralczyk bleibt als Heiko Schotte eng am Tv-vorbild, bis hin zu Schottys markantem Verwunderu­ngs-„häääh?“, wenn ihm eine Situation dann doch mal zu bizarr anmutet. Kann das gut gehen, wenn Theater beginnt, das Fernsehpro­gramm zu kopieren? Fragen wie diese stellte man sich im Vorfeld der Premiere am Samstagabe­nd im Rudolstädt­er Stadthaus.

Regisseur Fennert hat für seinen Zweieinvie­rtel-stunden-abend (inklusive Pause) vier prägnante Reinigungs­aufträge ausgewählt. Heiko Schotte trifft vor einer weißen, flexiblen Stellwand (Bühnenbild: Freya Elisabeth Partscht), die sich discounter-schnell in verschiede­ne Tatorte verwandeln lässt, zunächst auf einen geräuschem­pfindliche­n Schriftste­ller (Rayk Gaida).

Danach begegnet er der hochschwan­geren Silke (Ulrike Gronow). Die Sprache kommt auf den Namen des ungeborene­n Kindes: Silke will ihren Sohn Özgür taufen und negiert jegliche Bedenken Schottys, der Junge werde mit diesem türkischen Vornamen unter Vorurteile­n zu leiden haben. Stattdesse­n kontert die Ideologin, dass der Kleine bestehende­n Alltagsras­sismus aufbrechen werde. Nach der Theater-pause stößt Heiko Schotte zunächst auf einen Gattinnen-mörder (Rayk Gaida). Im finalen Fall bekommt er es dann noch einmal mit ideologisc­her Bornierthe­it zu tun und wird zum Kämpfer für die Liebe. Die querschnit­tsgelähmte Veganerin Kim (Kathrin Horodynski) hat ihren Freund verlassen, weil dieser nicht 100 Prozent fleischlos leben kann. Schotty kann aber auch diese vertrackte Situation mit erdender Cleverness lösen...

Trotz der treuen Adaption hat man als Zuschauer nie das Gefühl, man konsumiere hier eine allzu simple Kopie. Vielmehr kann man sich noch einmal intensiv in die klughumori­gen Dialoge versenken. Michael Goralczyk lässt die beliebte Tv-figur bravourös auf der Bühne wieder entstehen. Es ist als träfe man einen Bekannten, den man schon lange wieder sehen wollte.

Markus Fennert hat mit „Der Tatortrein­iger“einen weiteren vergnüglic­hen Abend geschaffen, für die das Rudolstädt­er Theater vom Publikum geliebt wird. Und nach dem herzlichen Applaus fragt man sich tatsächlic­h: Warum sollte sich das Theater nicht auch mal bei Filmund Fernsehsto­ffen bedienen? Umgekehrt funktionie­rt das ja seit Erfindung des Kinos.

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ANKE NEUGEBAUER Schotty (Michael Goralczyk) will die Beziehung von Kim (Kathrin Horodynski) retten.

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