Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Ein erdender Normalo am Tatort
Das Theater Rudolstadt bringt die erfolgreiche Tv-serie „Der Tatortreiniger“auf die Bühne
2011 fuhr Spurenbeseitiger Heiko Schotte, genannt Schotty, zu seinem ersten Tatort. Dort traf er auf eine Prostituierte, die der Ermordete noch vor seinem gewaltsamen Ableben gebucht hatte. Es war die erste von 31 skurrilen Begegnungen, die in der Tv-serie „Der Tatortreiniger“aufgeblättert werden. Bjarne Mädel wurde für die Rolle des liebenswert-bodenständigen Normalos mehrfach ausgezeichnet – ebenso wie Drehbuchautorin Mizzi Meyer. Das Publikum liebte die Figur, die schrägen Alltagsgeschichten und die wunderbaren Dialoge, die sich an blutigen Tatorten
entspannen: von gesellschaftlichen Diskursen bis zu existenziellen und philosophischen Fragen.
Das Theater Rudolstadt hat die Serie nun auf die Bühne gebracht: Regisseur Markus Fennert entwickelt die Episoden sehr nah am Original. Und auch Ensemble-neuling Michael Goralczyk bleibt als Heiko Schotte eng am Tv-vorbild, bis hin zu Schottys markantem Verwunderungs-„häääh?“, wenn ihm eine Situation dann doch mal zu bizarr anmutet. Kann das gut gehen, wenn Theater beginnt, das Fernsehprogramm zu kopieren? Fragen wie diese stellte man sich im Vorfeld der Premiere am Samstagabend im Rudolstädter Stadthaus.
Regisseur Fennert hat für seinen Zweieinviertel-stunden-abend (inklusive Pause) vier prägnante Reinigungsaufträge ausgewählt. Heiko Schotte trifft vor einer weißen, flexiblen Stellwand (Bühnenbild: Freya Elisabeth Partscht), die sich discounter-schnell in verschiedene Tatorte verwandeln lässt, zunächst auf einen geräuschempfindlichen Schriftsteller (Rayk Gaida).
Danach begegnet er der hochschwangeren Silke (Ulrike Gronow). Die Sprache kommt auf den Namen des ungeborenen Kindes: Silke will ihren Sohn Özgür taufen und negiert jegliche Bedenken Schottys, der Junge werde mit diesem türkischen Vornamen unter Vorurteilen zu leiden haben. Stattdessen kontert die Ideologin, dass der Kleine bestehenden Alltagsrassismus aufbrechen werde. Nach der Theater-pause stößt Heiko Schotte zunächst auf einen Gattinnen-mörder (Rayk Gaida). Im finalen Fall bekommt er es dann noch einmal mit ideologischer Borniertheit zu tun und wird zum Kämpfer für die Liebe. Die querschnittsgelähmte Veganerin Kim (Kathrin Horodynski) hat ihren Freund verlassen, weil dieser nicht 100 Prozent fleischlos leben kann. Schotty kann aber auch diese vertrackte Situation mit erdender Cleverness lösen...
Trotz der treuen Adaption hat man als Zuschauer nie das Gefühl, man konsumiere hier eine allzu simple Kopie. Vielmehr kann man sich noch einmal intensiv in die klughumorigen Dialoge versenken. Michael Goralczyk lässt die beliebte Tv-figur bravourös auf der Bühne wieder entstehen. Es ist als träfe man einen Bekannten, den man schon lange wieder sehen wollte.
Markus Fennert hat mit „Der Tatortreiniger“einen weiteren vergnüglichen Abend geschaffen, für die das Rudolstädter Theater vom Publikum geliebt wird. Und nach dem herzlichen Applaus fragt man sich tatsächlich: Warum sollte sich das Theater nicht auch mal bei Filmund Fernsehstoffen bedienen? Umgekehrt funktioniert das ja seit Erfindung des Kinos.