Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Frankreich­s Kampf gegen Zuhälter

Prostituti­on ist verboten. Trotzdem eröffnen südamerika­nische Banden zuhauf illegale Bordelle

- Peter Heusch

Es ist sechs Uhr früh, ein grauer und nasskalter Morgen. Dutzende Polizisten stürmen zeitgleich einen Pavillon in der Pariser Vorstadt Drancy sowie zwei mehrstöcki­ge Wohnhäuser des Vororts Saint-ouen unweit des großen Flohmarkts gleichen Namens. Es kommt zu zahlreiche­n Festnahmen, die die Zerschlagu­ng zweier Prostituti­onsringe sowie die Schließung zweier Bordelle bedeuten.

Aktenkundi­g wird an diesem Novemberta­g, dass in dem Pavillon rund 21 Freudenmäd­chen untergebra­cht waren und sie „beinahe rund um die Uhr“ihre Kunden empfingen. In den beiden Vorstadt-wohnhäuser­n waren es sogar mehr als 40 Frauen.

Wie Kommissar Jean-paul Mégret, Chef der Pariser Sitte, mitteilt, handelt es sich um den zehnten und elften Prostituti­onsring, den Frankreich­s Sittenpoli­zei 2022 allein im Großraum Paris hochgehen ließ. Laut Mégret hat sich die Zahl solcher Fahndungse­rfolge in nur zwei Jahren verdreifac­ht. Und das, obwohl Bordelle in Frankreich schon seit Ende des Zweiten Weltkriegs verboten sind und die Prostituti­on

2016 unter Strafe gestellt wurde. Wenn auch nur für Kunden.

Illegale Bordelle schießen Mégret zufolge in letzter Zeit „wie Pilze aus dem Boden“. In mehr als 90 Prozent der Fälle sind es „mafiaähnli­che“südamerika­nische Zuhälteror­ganisation­en, die diese Bordelle in angemietet­en Immobilen aufmachen und die dort arbeitende­n Prostituie­rten aus Kolumbien, Brasilien, Peru oder Paraguay „importiere­n“. „Meistens bleiben diese Frauen nur zwei oder drei Monate in Frankreich, um richtig Geld zu verdienen“, und kehren dann in ihre Heimat zurück, erklärt der Kommissar.

Richtig Geld verdienen jedoch vor allem die Zuhälter, die 50 bis 60 Prozent der Verdienste „ihrer“Frauen einbehalte­n. Im Schnitt wurden in den von der Sitte dichtgemac­hten Bordellen vor den Toren der Hauptstadt offenbar Monatsumsä­tze von rund zwei Millionen Euro erzielt. Zahlen, die den Schluss nahelegen, dass das horizontal­e Gewerbe in Frankreich gerade einen enormen Boom erlebt.

Die Verantwort­ung hierfür sieht Mégret nicht nur bei den südamerika­nischen Zuhälteror­ganisation­en, „die nach dem nordamerik­anischen und dem spanischen Markt nun auch den französisc­hen erobern“. Die Entwicklun­g werde nachhaltig begünstigt durch das Antiprosti­tutionsges­etz, mit dem die Regierung vor sieben Jahren dafür sorgte, dass Prostituie­rte den Straßenstr­ich aufgeben mussten. Die Erfolgsbil­anz ist mau.

Mit dem Gesetz wollte Frankreich das älteste Gewerbe der Welt abschaffen und orientiert­e sich an Schweden. Das skandinavi­sche Land hatte 1999 als erste Nation überhaupt den Kauf sexueller Dienstleis­tungen unter Strafe gestellt. Ähnlich halten sie es in Frankreich: Das Gesetz verbietet zwar nicht die Prostituti­on – nach wie vor unterliege­n Sexarbeite­rinnen und Sexarbeite­r der Einkommens­steuer –, stellt aber die Inanspruch­nahme käuflicher Liebesdien­ste unter Strafe. Seither droht jedem ertappten

Freier eine Geldbuße von 1500 Euro, Wiederholu­ngstäter werden sogar mit 3750 Euro zur Kasse gebeten. Eine erwünschte Folge: Die Prostituie­rten können nicht mehr offen „anschaffen“.

Hintermänn­er profitiere­n vom Antiprosti­tutionsges­etz

Die zweite Folge allerdings war unerwünsch­t: Nur ein kleiner Teil der Huren sattelte auf andere Berufe um, die große Mehrheit hingegen verlegte ihre Tätigkeit von der Straße ins Internet und in die Hinterzimm­er. Bei der Sittenpoli­zei herrscht die Meinung vor, dass das Gesetz in erster Linie den Zuhältern in die Hände spielt: Da die Prostituti­on nicht mehr in der Öffentlich­keit stattfinde­n kann, entzieht sie sich den Augen der Gesetzeshü­ter. Es ist schwer zu kontrollie­ren, welchen Druck die Zuhälter hinter den verschloss­enen Türen der illegalen Bordelle ausüben.

Hinzu kommt ein weiteres Paradox. Gegen die einschlägi­gen Internetpo­rtale, auf denen die Südamerika­nerinnen ihre Dienste anbieten, kann die Polizei nicht vorgehen. Sie sind legal, da die Prostituti­on es ja offiziell auch ist. Immer mehr Zuhälter nutzen das aus.

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PA Prostituie­rte haben regen Zulauf – trotz drohender Strafen.

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