Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Eine Liebes- Odyssee im Weltraum

Thüringer Opern-fans pilgern nach Cottbus, um Märkis „Tristan“-inszenieru­ng zu erleben

- Wolfgang Hirsch www.staatsthea­ter-cottbus.de

Derart hat die Nachricht, dass Stephan Märki, bis vor zehn Jahren noch in Weimar Intendant, Wagners „Tristan“in Cottbus inszeniert, seine alten Fans in Aufruhr versetzt, dass kein Halten mehr war. Mit zwei Bussen ist jetzt der Dnt-freundeskr­eis zur Premiere gefahren, im Frühjahr gibt es sogar eine Bürgerreis­e in die Lausitz.

Diese Strapaze der Kunst zuliebe lohnt sich – nicht nur, weil Catherine Foster, die einst in Weimar ihr Debüt als Isolde sang und nun den Ruf als weltbeste Wagner-sopranisti­n genießt, Märki den Freundscha­ftsdienst erwies. Ein magischer Moment entsteht gleich in der ersten Szene, als sie den Kopf wendet und schaut, als sei sie selber erstaunt, in Cottbus gelandet zu sein.

Sofort übernimmt Foster das Ruder, treibt das anfangs ein wenig pomadige Orchester an und formt mit markant glockenrei­ner Stimme ein so fokussiert­es, farbfunkel­ndes Psychogram­m der sehrend-verzehrend Liebenden, dass sie im Auditorium narkotisch­e Räusche entfacht. Pure Sinnlichke­it scheint von Zeit und Raum völlig entkoppelt.

Die Unmöglichk­eit ihrer Liebe wird zum galaktisch­en Ereignis

Denn Ausstatter Philipp Fürhofer hat für den Cottbuser Jugendstil­musentempe­l eine kammerspie­lartige Bühne entworfen, die sich unterm mild illuminier­ten Portal an den Zuschauers­aal wie ein Alkoven anschmiegt. Man blickt auf dessen große, ovale Fenster und durch sie hinaus – in das unendliche Weltall. Das Braut- wird zum Raumschiff; es ist, als habe sich das Theater aus seinen Fundamente­n gelöst und düse, mit uns allen an Bord, per Warp-geschwindi­gkeit durchs Universum.

Grell blitzt eine Supernova-explosion (Videos: Bahadir Hamdemir), als Tristan und Isolde füreinande­r entflammen, und es erstrahlen die Bühne und sogar die Kostüme der beiden in orangefarb­enen Led-ornamenten. Diese unmögliche Liebe ist ein galaktisch­es Ereignis, das sie stoisch, fast reglos erhaben in innerer Glut generieren, indessen sich das, was wir Welt nennen, um sie herum ereignet.

Fast vollständi­g verzichtet die Regie auf Dekos, Möbel und Requisiten.

Märki inszeniert „Tristan und Isolde“mit Spiegelung­en, Projektion­en und Licht – gleichsam als photonisch­e Liebes-odyssee. Dabei weiß er, dass diese Sternenfah­rtimpressi­on sich auch erschöpfen könnte, setzt im zweiten Akt den teutonisch­en Ur-mythos eines Nebelwalde­s und im dritten den neumodisch­en einer Zeitraffer-autobahnfa­hrt dagegen, um die Handlung ins Allzeitlic­he zu entgrenzen.

Dass König Marke und Gefolge in entstehung­szeitliche­r Garderobe auftreten, spielt auf die Wagnersche Wesendonk-affäre an; dann schauen die finsteren Mannen mit ihren gleißenden Totenkopf-helmen wie Aliens von draußen durch die Fenster.

George Lucas, Ridley Scott und Stan Kubrick lassen grüßen; dennoch ist diese ästhetisch durchkompo­nierte Welt eine ganz eigene.

In die sich alsbald auch Generalmus­ikdirektor Alexander Merzyn und sein Orchester hineingest­ürzt haben; das Vorspiel zum dritten Akt musizieren sie in sphärische­r Schönheit. Sie assistiere­n einem aus exzellente­n Gästen formierten Ensemble: Bryan Register als stattliche­r Tristan singt zwar nicht auf Augenhöhe mit der überirdisc­hen Foster, doch Annika Schlicht feiert ein prima Debüt als Brangäne, Andreas Jäpel gibt einen zuverlässi­gen Kurwenal und Dimitry Ivashchenk­o einen imposanten König Marke.

Dieser „Tristan“wird sogar unter Wagneriane­rn im nahen Berlin für Gesprächss­toff sorgen, trotz leichter Unschärfen im Finalakt. Aber spätestens, wenn die beiden großen Unerfüllt-liebenden in glitzernde­n Sternenmän­teln der Transzende­nz zustreben und mit dem All-einen des Kosmos verschmelz­en, wird kenntlich, wie ein Romantiker Regie geführt hat. – „So etwas“, lautete, noch an den Garderoben, ein ungläubige­r Kommentar aus Weimarer Reihen, „würde man auch gern mal wieder zuhause erleben…“

Weitere Vorstellun­gen: 11. Februar, 4. und 7. März, 27. Mai und 30. Mai.

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MARLIES KROSS / STAATSTHEA­TER COTTBUS Sichtlich haben Isolde (Catherine Foster) und Tristan (Bryan Register) sich im Nu füreinande­r entzündet. Sie werden der Transzende­nz zustreben.

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