Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Neustart ohne Welpenschutz
Grünen-minister-duo wird vereidigt. Politologe hält Personalentscheidung mit Blick auf die Wahlen für riskant
Coup oder Wagnis? Mit Doreen Denstädt und Bernhard Stengele sollen zwei Grünen-politiker ohne Regierungserfahrung von diesem Mittwoch an zwei Thüringer Ministerien führen. Auch fachlich sind sie eher Quereinsteiger. Stengele übernimmt das Umwelt- und Energieministerium von Anja Siegesmund, die sich von der Politik verabschiedet hat, um neue Aufgaben zu suchen. Denstädt wird als erste schwarze Ministerin in Ostdeutschland das Justiz- und Migrationsministerium führen, das bis vor Kurzem Dirk Adams geleitet hat, auf dessen Entlassung seine eigene Partei bestand.
Die Personalien kamen für viele in Thüringen überraschend, für die Grünen sind sie ein Komplett-neustart beim Regierungspersonal. Am heutigen Mittwoch sollen Stengele und Denstädt im Landtag vereidigt werden. Viel Zeit für eine Einarbeitung bleibt den beiden nicht. Schon im Jahr 2024 soll ein neuer Landtag gewählt werden – spätestens im letzten Drittel des Jahres. „Ich habe keine 100 Tage, das ist mir klar. Geplant ist ein Sprintstart“, sagte Denstädt. Migrationspolitik stehe auf der Tagesordnung ganz oben. Sie kündigte an, sich in ihren ersten
Wochen als Ministerin einen Überblick verschaffen und mit einigen Kommunen über die Migrationspolitik sprechen zu wollen.
Zuvor hatte bereits Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betont, dass die beiden neuen Regierungsmitglieder drängende Probleme zu lösen hätten. „Sie haben keinen Welpenschutz“, hatte Ramelow gesagt. An den beiden Personalentscheidungen der Grünen hatte sich auch Kritik entfacht – so kamen Bedenken auf, den beiden könnte die nötige fachliche Qualifikation fehlen.
Nach Auffassung des Erfurter Politologen André Brodocz sind die Personalentscheidungen mit Blick auf die bald anstehende Wahl riskant. „Wir haben hier eine Ministerin und einen Minister, die im Land jenseits der Grünen weitgehend unbekannt sind“, sagte Brodocz.