Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
„Heulsuse“
Landtagsauftakt: Hitzige Debatte um R2g-einstellungspraxis. Untersuchungsausschuss möglich
Erfurt. Die erste Plenarsitzung geht ausnahmsweise schon am Dienstag los. Der Thüringer Landtag hat einige Dinge abzuarbeiten – aber: Zum Auftakt der Plenardebatte wird es zunächst hitzig.
Nach knapp zwei Stunde erreicht die Debatte dieses Niveau: „Heulsuse“ruft der Cdu-abgeordnete Zippel in das weite Rund und zielt auf den Chef der Staatskanzlei, Benjamin Hoff (Linke), am Rednerpult. Der hatte sich kurz darüber echauffiert, dass Cdu-fraktionschef Mario Voigt ihm den Rücken zudrehte, als er, Hoff, auf einen Zwischenruf von Voigt antwortet.
Worum es geht? In zwei „Aktuellen Stunden“debattiert der Landtag über Prüfberichte des Landesrechnungshofes, die bisher im Entwurf vorliegen. Sie befassen sich mit der Einstellungspraxis der Landesregierung von Linken, SPD und Grünen in hohe Posten bei Ministerien und mit der Praxis bei der Auswahl der Staatssekretäre.
In den Entwürfen kritisiert der Landesrechnungshof die Landesregierung an mehreren Stellen scharf. Für die Opposition ist das Anlass genug, maximale Transparenz zu fordern – so, wie das in den vergangenen Monaten an verschiedenen Stellen stattgefunden hat. Die Koalitionsfraktionen indes wiegeln ab, verweisen darauf, dass die Prüfungen nicht abgeschlossen sind.
Im Plenarsaal sitzt auch die Frau, die im Fokus steht, seit die beiden Teile des Berichtsentwurfs öffentlich geworden sind. Kirsten Putzke ist die Präsidentin des Landesrechnungshofes. Sie hört, wie der Staatskanzleichef erneut darauf drängt, dass die Prüfung „lieber heute als morgen“abgeschlossen werden solle.
Sie hört, wie der Parlamentarische Geschäftsführer der Cdulandtagsfraktion Andreas Bühl auch die Einrichtung eines Landtagsuntersuchungsausschusses als Möglichkeit der Aufarbeitung ins Kalkül zieht – und sie hört und sieht, wie das Parlament miteinander umgeht.
Da nutzt der Afd-abgeordnete Robert Sesselmann die Möglichkeit der Debatte, um auf die designierte Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne) zu zielen und sie in rassistischer Weise auf ihre Hautfarbe zu reduzieren – die strenge Ermahnung der zu diesem Zeitpunkt sitzungsleitenden Vize-präsidentin
Madeleine Henfling (Grüne) folgt auf dem Fuß. Da nutzt der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) die Möglichkeit, sich auf seinem Abgeordneten-sitz niederzulassen und als Parlamentarier mehrfach dazwischenzurufen.
Einzig: Erkenntnisgewinn gibt es nach zwei Stunden Debatte kaum. Nur so viel: Die Thüringer Staatskanzlei sieht sowohl dem finalen Bericht als auch einem Untersuchungsausschuss gelassen entgegen und ebenso den bekannt gewordenen Ermittlungen der Erfurter Staatsanwaltschaft. Das betont der Staatskanzleiminister an mehreren Stellen der Debatte.
Auch dies: Die FDP geht mittlerweile so weit, dass vom Landesrechnungshof kritisierte Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden sollen, wie ihr Gruppensprecher Thomas Kemmerich an einer anderen Stelle betont.
Und: Offenbar hat die Cdu-fraktion den festen Willen, das Thema noch eine ganze Weile weiter zu bedienen, und nutzt jede Chance dazu, das öffentlich zu forcieren.
Für das laufende Plenum steht in der Debatte die nächste Runde an – dann haben mehrere Cdu-abgeordnete mündliche Fragen an die Landesregierung für die anberaumte Fragestunde eingereicht.