Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Wie James Bonds Stuntman einen Finger verlor
Wer hat’s erfunden? Nein, nicht die Schweizer waren die Bob-pioniere. Es waren wie so oft im Sport die Engländer, die zwei Schlitten mit einem Seil und einem Brett verbanden. Zuerst ein unbekannter Brite 1888 in St. Andreasberg im Harz, dann zwei Jahre später der Virologe
Wilson Smith in St. Moritz. Dort hatte 1885 schon das erste Crestarennen auf einer Schlittenbahn, die heute noch von Freizeit-skeletonis genutzt wird, stattgefunden. Als erste Bob-bremse diente damals übrigens eine normale Garten-harke.
In Thüringen rauschte 1901 der erste Stahlbob „Schwarzer Peter“von Carl Benzing durch die Bahn von Friedrichroda. Doch die Wiege des Sports, den übrigens damals schon Männer und Frauen betrieben, die stand in der Schweiz. Vor 125 Jahren wurde der Sankt Moritz Bobsleigh Club gegründet. Ein Jahr später installierte man sogar die erste Telefonleitung zur Zeitmessung. Im Jahr 1904 errichtete die italienische Familie Angelini dann den Bob-run, der noch heute von den Südtirolern in Handarbeit aus 5000 Kubikmetern Schnee und noch mehr Wasser als größte Schneeskulptur der Welt errichtet wird. Ein Maskenball und eine Frankensammlung unter Bob-freunden finanzierte damals den Bahnbau.
Gefährlich war Bobfahren schon immer. 1911 starben in St. Moritz ein unbekannte Anzahl von Athleten und Zuschauern als ein Schlitten aus der Sunny-corner schoss. 1939 verunglückte der Schweizer Weltmeister Reto Capadrutt tödlich. Auch der Playboy und langjährige Club-präsident Gunter Sachs verlor bei der EM 1960 seinen
Bremser Peter Scheuplein. Im berüchtigten Horseshoe flog Sachs in den angrenzenden Wald. Der dabei schwer verletzte Scheuplein verstarb am Tag darauf an einer Lungen-embolie in der Klinik. Sachs nahm sich 2011 das Leben, als man bei ihm die Alzheimer-krankheit diagnostiziert hatte.
Weltberühmt wurde der Bob-run durch den James-bond-film „Im Geheimdienst ihrer Majestät“von 1969, als George Lazenby und Bösewicht Blofeld alias Telly Savalas in der Bob-bahn kämpften. Ein bleibendes Andenken behielt dabei Bond-stuntman Robert Zimmermann aus der Schweiz. Er stürzte beim Training im „Telephone“und als er im Krankenhaus seinen Handschuh auszog, zählte er nur noch neun Fingerspitzen. Ein halber Finger war ihm bei dem kapitalen Sturz abgerissen worden.
Auch Albert von Monaco fühlte sich unter den im Bob-kollegen immer wohl. In St. Moritz nannte man seine Unfälle scherzhaft „Prinzenrolle“. Rund vierzig Stürze gibt es pro Saison in St. Moritz, die meisten gehen, wie auch bei dieser WM, als sogar Francesco Friedrich im Training umkippte, glimpflich aus.
Einen Eindruck von den alten, hinten weitgehend offenen Bobs durfte ich mir in Altenberg verschaffen. Mit einem Schweizer Schlitten von 1972 ging es mit Olympiasieger
Harald Czudaj halsbrecherisch zu Tal. Ich brauchte fünf Minuten, bis ich wieder sprechen konnte. Dass die Bahn von St. Moritz auch für Zuschauer gefährlich ist, erlebte dieser Reporter bei der WM 2007. Ich rutschte am Sunny-house aus, brach mir zwei Rippen und weiß seitdem, was Schmerz bedeutet.
In diesem Jahr feiert der Weltverband sein 100-Jähriges. Athleten und Fans sind stolz auf eine Sportart, die seit 1924 olympisch ist. 1930 fand die erste WM in Montreux im Vierer und 1931 im Zweier in Oberhof statt. Die Em-premiere sah Ilmenau 1933. 69 Mal wurden Wmtitel vergeben. Das Jubiläum steigt 2024 – dann in Winterberg.