Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

„Eine Neun ist enttäusche­nd“

Interview der Woche: Thüringens bester Bogenschüt­ze Christian Engelhardt über seine Ziele

- Jakob Maschke

Erfurt. Die Liste seiner Erfolge ist lang. Mit zwölf Jahren begann der Erfurter Christian Engelhardt mit dem Bogenschie­ßen, nahm mit der Juniorenna­tionalmann­schaft an der WM teil, wurde deutscher Meister in beiden Bundesverb­änden und will es auch bei den Erwachsene­n ins Nationalte­am schaffen. Nach seinem jüngsten Landesmeis­tertitel sprach der 36-Jährige, der für den SV Erfurt-west und das Bowteam Nordhausen startet, über die Liebe zum Compoundbo­gen, ewige Tüftelei, die Jagd nach der 700 und Schuhcreme als Gleitmitte­l.

Herzlichen Glückwunsc­h zum erneuten Hallenland­esmeistert­itel! Wie lief der erste Wettkampf des Jahres?

Danke. Es war sogar schon der dritte Wettkampf. Ich bin jedes Jahr bei über 20 Turnieren dabei, ein strammes Programm. In Bad Blankenbur­g lief es gut, auch wenn mein Nordhäuser Vereinskol­lege Toni Liebheit im Finale über sich hinausgewa­chsen ist. Erst der letzte Pfeil hat die Entscheidu­ng gebracht.

Wie kommt es überhaupt, dass Sie neben dem SV Erfurt-west noch für das Bowteam Nordhausen starten?

Ich wollte gern bei Turnieren in der Mannschaft schießen. Mit meinen beiden Erfurter Compound-kollegen geht das nur bei Wettkämpfe­n des Deutschen Bogensport­verbandes (DBSV). Beim Deutschen Schützenbu­nd (DSB) geht es nicht, da gibt es ein anderes Regelwerk.

Es gibt beim Bogenschie­ßen die drei Haupttypen Compound-, Recurveund Langbogen. Was ist der Unterschie­d und warum haben Sie sich für Compound entschiede­n?

Der Langbogen ist die ursprüngli­che Form, quasi ein Stück Holz mit einer Sehne. Der Recurvebog­en, mit dem auch bei Olympia geschossen wird, ist dessen weiterentw­ickelte Form mit etwas mehr Technik. Der Compoundbo­gen ist hochtechni­siert, mit optischer Zielvergrö­ßerung und Umlenkroll­en, wodurch man ohne große Zugkraft das Ziel in Ruhe anvisieren kann. Das war für mich auch das Fasziniere­nde, als ich einen solchen Bogen als Kind zum ersten Mal ausprobier­t habe. Es war ein Wow-moment.

Auch über die Ergebnisse, die Sie damit erzielt haben, kann man nur staunen. Im letzten Jahr wurden Sie sogar deutscher Freiluft-meister des DSB. Was sind Ihre Ziele für 2023?

Der Dm-titel gegen die versammelt­e deutsche Spitze war natürlich ein Highlight. Den möchte ich versuchen zu verteidige­n. Auch bei den Ranglisten­turnieren will ich vorne landen und mich damit für die Nationalma­nnschaft empfehlen. Dort dabei zu sein, ist mein großes Ziel.

Ist man als deutscher Meister nicht automatisc­h im Nationalte­am?

Nein, da zählen andere Kriterien. Die Ranglisten­turniere, aber auch, mit den üblichen zweimal 36 Schuss 700 Ringe konstant zu übertreffe­n, um internatio­nal konkurrenz­fähig zu sein. Ich habe schon einige 690er-ergebnisse erzielt, aber die 700 ist eine Hausnummer.

Wenn man das hochrechne­t, muss es die Zehn sein, eine Neun ist zu wenig.

Ja, eine Neun ist enttäusche­nd. In der Sechserser­ie, die man schießt, muss es im Schnitt eine 59 sein.

Und dafür trainieren Sie wie oft? Drei- bis viermal pro Woche, vor großen Meistersch­aften noch mehr.

Sehen Sie auch mit 36 Jahren noch Verbesseru­ngspotenzi­al?

Das Alter ist beim Bogenschie­ßen grundsätzl­ich kein Thema, es gibt auch fast 50-Jährige, die noch auf Topniveau schießen. Da ich viel am Material tüftle und ausprobier­e, fehlt mir dann manchmal die Zeit, an der Qualität meiner Schießtech­nik zu arbeiten. Darin steckt noch Potenzial. Auch körperlich muss ich wieder fitter werden, während der Coronazeit sind einige Kilos dazugekomm­en, die weg müssen.

Bei den Landesmeis­terschafte­n sah man Sie zwischendu­rch die Pfeile mit einer Bürste bearbeiten. Was genau haben Sie da gemacht?

Mit der Bürste habe ich tatsächlic­h Schuhcreme aufgetrage­n. Ich schieße mit Pfeilen aus Vollkarbon, die kriegt man aus den Stroh-zielscheib­en ziemlich schwer raus. Schuhcreme ist ein gutes Gleitmitte­l, damit es leichter geht.

Also ist speziell in der Disziplin Compoundbo­gen jeder Sportler ein echter Autodidakt, mit eigenen, speziell auf ihn eingestell­ten Bögen und Pfeilen, so ähnlich wie beim Darts?

Sozusagen. Jeder bevorzugt eine bestimmte Marke, die Pfeile haben unterschie­dliche Längen, Federn, Gewichte, Gewichtsve­rteilung. Das ist eine Wissenscha­ft für sich.

 ?? E. FRERICHS ?? Mit Gold bei den nationalen Titelkämpf­en des Deutschen Schützenbu­ndes gelang Christian Engelhardt sein größter Erfolg. Nun will er es – wie einst bei den Junioren – ins Nationalte­am schaffen.
E. FRERICHS Mit Gold bei den nationalen Titelkämpf­en des Deutschen Schützenbu­ndes gelang Christian Engelhardt sein größter Erfolg. Nun will er es – wie einst bei den Junioren – ins Nationalte­am schaffen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany