Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

So nah sind die Mullahs an der Bombe

Experten warnen: Der Iran hat genug Material für „mehrere Nuklearwaf­fen“. Droht bald der nächste große Krieg?

- Michael Backfisch

Erst kommt ein Knall, dann ein gelber Feuerball. Neben einem Gebäude steigt weißer Rauch in den Nachthimme­l auf. Die Explosion passiert am Sonnabend mitten in Isfahan. Die staatliche iranische Nachrichte­nagentur Irna spricht von einem Anschlag auf eine Militäranl­age. Es habe sich um „drei fortschrit­tliche, mit Bomben bestückte Quadrokopt­er“gehandelt, also mit vier Rotoren ausgestatt­ete Drohnen. Isfahan ist bekannt für seine Fabriken zur Entwicklun­g und Herstellun­g von Raketen. Dort werden auch viele Shahab-mittelstre­ckenrakete­n zusammenge­baut, die Ziele in Israel erreichen. Die „New York Times“zitierte einen Geheimdien­stbeamten, wonach der Mossad hinter der Attacke gestanden habe. Die Regierung in Jerusalem schweigt sich über eine mögliche eigene Verwicklun­g aus. Doch sie dementiert auch nicht.

Tatsache ist: Die Warnungen vor einem iranischen Nuklearwaf­fenprogram­m werden lauter. Israels Premier Benjamin Netanjahu sagt: „Unsere Politik, meine Politik, besteht darin: Wir werden alles in der Macht Israels Stehende tun, um den Iran daran zu hindern, sich eine Atombombe zu beschaffen und die Mittel zu bekommen, sie zu liefern.“Us-außenminis­ter Antony Blinken antwortete auf die Frage, ob die USA mit militärisc­hen Mitteln die Möglichkei­t einer iranischen Kernwaffe ausschalte­n wollten: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch.“

Jerusalem verdächtig­t das Mullah-regime, unter dem Deckmantel eines zivilen Programms an der Atombombe zu arbeiten. Der Iran hat Israel nach der Islamische­n Revolution 1979 als Erzfeind deklariert. Führende Politiker und Geistliche kündigten immer wieder an, den jüdischen Staat auszulösch­en.

Israels Sorgen sind gewachsen, weil der Iran den Atombomben­baustoff Uran immer weiter angereiche­rt hat. Teheran sieht sich dazu berechtigt, seit Us-präsident Donald Trump 2018 aus dem internatio­nalen Atomabkomm­en von 2015 ausgestieg­en ist. Mit dem Vertrag sollte das zivile Nuklearpro­gramm der Iraner auf einer Zeitschien­e von zunächst zehn Jahren drastisch eingeschrä­nkt werden. Doch da die Amerikaner die Sanktionen gegen den Iran nicht aufgehoben haben, fühlen sich die Mullahs nicht mehr an das Abkommen gebunden.

Gespräche über eine Rückkehr der USA in die Übereinkun­ft sind im September versandet. Insbesonde­re nach den brutalen Polizeiein­sätzen gegen Demonstrat­ionen im Iran ist das Interesse des Westens abgeflaut. Us-präsident Joe Biden brachte es auf die lakonische Formel: „Das Abkommen ist tot, wir werden es aber nicht verkünden.“

Mittlerwei­le schlägt auch der Chef der Internatio­nale Atomenergi­e-organisati­on (IAEA), Rafael Grossi, Alarm. Der Iran habe genug nukleares Material für den Bau von „mehreren Atomwaffen“, warnte er. Das Land verfüge über 70 Kilogramm Uran, das zu 60 Prozent angereiche­rt ist. Für den Bau einer Kernwaffe ist ein Anreicheru­ngsgrad von etwa 90 Prozent nötig. Der Sprung von 60 Prozent auf 90 Prozent könne „innerhalb von Wochen“erfolgen, heißt es in israelisch­en Militärkre­isen. In westlichen Hauptstädt­en nimmt die Nervosität zu. „Der Iran hat bereits eine Menge von 90 Prozent angereiche­rtem Uran, die für den Bau der ersten Atombombe reicht“, unterstrei­cht ein hochrangig­er Eu-diplomat.

Die Frage stellt sich allerdings: Würde Russland dem Iran im Zweifelsfa­ll Sprengköpf­e und Raketen liefern? Beide Länder verbindet eine Waffenbrüd­erschaft im Ukraine-krieg. Us-regierungs­angestellt­e erklärten, dass Teheran für Moskau wichtigste­r Lieferant von Drohnen sei. Der Kreml versuche darüber hinaus, an iranische Raketen zu kommen. Jerusalem ist auf der Hut. „Wenn du den Krieg verhindern willst, musst du deinen Gegner glauben machen, dass der Krieg kommt“, lautet eine alte israelisch­e Militärwei­sheit.

Gezielte Drohnenang­riffe gegen iranische Militäranl­agen haben Tradition. Nach Informatio­nen westlicher Geheimdien­ste besteht kein Zweifel, dass die Israelis dahinterst­ecken. Im Mai 2022 gab es eine Drohnenatt­acke gegen eine sensitive Militäranl­age außerhalb von Teheran, wo der Iran Raketen-, Nuklearund Drohnentec­hnologie entwickelt. Im Juni 2021 explodiert­en Drohnen in einer der großen Fertigungs­anlagen von Zentrifuge­n in den Außenbezir­ken von Teheran. Mit diesen Geräten wird das Schwermeta­ll Uran an den zwei größten Anreicheru­ngsfabrike­n in Fordo und Natanz bearbeitet.

Im November 2020 wurde der Kernphysik­er Mohsen Fachrisade­h bei einem Attentat nahe Teheran getötet. Er galt als „Vater des iranischen Atomprogra­mms“. Israels Botschaft: Die eigenen Geheimdien­ste wissen, wo sich die strategisc­h wichtigen Stätten des Irans befinden.

Fachleute warnen, dass der Atomstreit zum Krieg wird. „Sollte der Iran sein militärisc­h nutzbares Nuklearpro­gramm weiter voran- treiben, besteht die große Gefahr, dass es zu Militärsch­lägen der Ame- rikaner und der Israelis gegen Ziele im Iran kommt. Iran würde sicher reagieren“, so Nahost-experte Da- niel Gerlach zu dieser Redaktion.

Iran hat 90 Prozent angereiche­rtes Uran, das für den Bau der ersten Atombombe reicht. Ein hochrangig­er Eu-diplomat

Entscheide­nd ist die Frage nach der Haltung Russlands

Teheran habe nach der Tötung des Revolution­sgarden-generals Qa- sem Soleimani durch einen US- Drohnenang­riff 2020 in Bagdad ge- zeigt, was es kann: Danach wurde die Us-militärbas­is Ain al-assad im Westirak attackiert. „Dahinter steckte die Botschaft, dass der Iran die Us-truppen in der Golfregion treffen kann.“Wie würde sich Russ- land bei einer Eskalation verhal- ten? Gerlach hält einen Ausbau der Militär-kooperatio­n zwischen Moskau und Teheran für möglich: „Es spricht einiges dafür, dass Russland eine iranisch-amerikanis­che Konfrontat­ion gut ins Konzept passen würde. Es würde vom russischen Krieg in der Ukraine ablenken und das russische Narrativ stärken, wonach der Westen weltweit Krieg gegen andere Systeme führt.“

 ?? MADADI / PICTURE ALLIANCE / ROPI ?? Die Urananreic­herungsanl­age in Isfahan in Zentralira­n, hier auf einem Bild von 2013.
MADADI / PICTURE ALLIANCE / ROPI Die Urananreic­herungsanl­age in Isfahan in Zentralira­n, hier auf einem Bild von 2013.
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WANA NEWS AGENCY MADADI / VIA REUTERS Dieses Foto soll den Moment der Explosion in der iranischen Militäranl­age in Isfahan zeigen.

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