Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
So nah sind die Mullahs an der Bombe
Experten warnen: Der Iran hat genug Material für „mehrere Nuklearwaffen“. Droht bald der nächste große Krieg?
Erst kommt ein Knall, dann ein gelber Feuerball. Neben einem Gebäude steigt weißer Rauch in den Nachthimmel auf. Die Explosion passiert am Sonnabend mitten in Isfahan. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna spricht von einem Anschlag auf eine Militäranlage. Es habe sich um „drei fortschrittliche, mit Bomben bestückte Quadrokopter“gehandelt, also mit vier Rotoren ausgestattete Drohnen. Isfahan ist bekannt für seine Fabriken zur Entwicklung und Herstellung von Raketen. Dort werden auch viele Shahab-mittelstreckenraketen zusammengebaut, die Ziele in Israel erreichen. Die „New York Times“zitierte einen Geheimdienstbeamten, wonach der Mossad hinter der Attacke gestanden habe. Die Regierung in Jerusalem schweigt sich über eine mögliche eigene Verwicklung aus. Doch sie dementiert auch nicht.
Tatsache ist: Die Warnungen vor einem iranischen Nuklearwaffenprogramm werden lauter. Israels Premier Benjamin Netanjahu sagt: „Unsere Politik, meine Politik, besteht darin: Wir werden alles in der Macht Israels Stehende tun, um den Iran daran zu hindern, sich eine Atombombe zu beschaffen und die Mittel zu bekommen, sie zu liefern.“Us-außenminister Antony Blinken antwortete auf die Frage, ob die USA mit militärischen Mitteln die Möglichkeit einer iranischen Kernwaffe ausschalten wollten: „Alle Optionen liegen auf dem Tisch.“
Jerusalem verdächtigt das Mullah-regime, unter dem Deckmantel eines zivilen Programms an der Atombombe zu arbeiten. Der Iran hat Israel nach der Islamischen Revolution 1979 als Erzfeind deklariert. Führende Politiker und Geistliche kündigten immer wieder an, den jüdischen Staat auszulöschen.
Israels Sorgen sind gewachsen, weil der Iran den Atombombenbaustoff Uran immer weiter angereichert hat. Teheran sieht sich dazu berechtigt, seit Us-präsident Donald Trump 2018 aus dem internationalen Atomabkommen von 2015 ausgestiegen ist. Mit dem Vertrag sollte das zivile Nuklearprogramm der Iraner auf einer Zeitschiene von zunächst zehn Jahren drastisch eingeschränkt werden. Doch da die Amerikaner die Sanktionen gegen den Iran nicht aufgehoben haben, fühlen sich die Mullahs nicht mehr an das Abkommen gebunden.
Gespräche über eine Rückkehr der USA in die Übereinkunft sind im September versandet. Insbesondere nach den brutalen Polizeieinsätzen gegen Demonstrationen im Iran ist das Interesse des Westens abgeflaut. Us-präsident Joe Biden brachte es auf die lakonische Formel: „Das Abkommen ist tot, wir werden es aber nicht verkünden.“
Mittlerweile schlägt auch der Chef der Internationale Atomenergie-organisation (IAEA), Rafael Grossi, Alarm. Der Iran habe genug nukleares Material für den Bau von „mehreren Atomwaffen“, warnte er. Das Land verfüge über 70 Kilogramm Uran, das zu 60 Prozent angereichert ist. Für den Bau einer Kernwaffe ist ein Anreicherungsgrad von etwa 90 Prozent nötig. Der Sprung von 60 Prozent auf 90 Prozent könne „innerhalb von Wochen“erfolgen, heißt es in israelischen Militärkreisen. In westlichen Hauptstädten nimmt die Nervosität zu. „Der Iran hat bereits eine Menge von 90 Prozent angereichertem Uran, die für den Bau der ersten Atombombe reicht“, unterstreicht ein hochrangiger Eu-diplomat.
Die Frage stellt sich allerdings: Würde Russland dem Iran im Zweifelsfall Sprengköpfe und Raketen liefern? Beide Länder verbindet eine Waffenbrüderschaft im Ukraine-krieg. Us-regierungsangestellte erklärten, dass Teheran für Moskau wichtigster Lieferant von Drohnen sei. Der Kreml versuche darüber hinaus, an iranische Raketen zu kommen. Jerusalem ist auf der Hut. „Wenn du den Krieg verhindern willst, musst du deinen Gegner glauben machen, dass der Krieg kommt“, lautet eine alte israelische Militärweisheit.
Gezielte Drohnenangriffe gegen iranische Militäranlagen haben Tradition. Nach Informationen westlicher Geheimdienste besteht kein Zweifel, dass die Israelis dahinterstecken. Im Mai 2022 gab es eine Drohnenattacke gegen eine sensitive Militäranlage außerhalb von Teheran, wo der Iran Raketen-, Nuklearund Drohnentechnologie entwickelt. Im Juni 2021 explodierten Drohnen in einer der großen Fertigungsanlagen von Zentrifugen in den Außenbezirken von Teheran. Mit diesen Geräten wird das Schwermetall Uran an den zwei größten Anreicherungsfabriken in Fordo und Natanz bearbeitet.
Im November 2020 wurde der Kernphysiker Mohsen Fachrisadeh bei einem Attentat nahe Teheran getötet. Er galt als „Vater des iranischen Atomprogramms“. Israels Botschaft: Die eigenen Geheimdienste wissen, wo sich die strategisch wichtigen Stätten des Irans befinden.
Fachleute warnen, dass der Atomstreit zum Krieg wird. „Sollte der Iran sein militärisch nutzbares Nuklearprogramm weiter voran- treiben, besteht die große Gefahr, dass es zu Militärschlägen der Ame- rikaner und der Israelis gegen Ziele im Iran kommt. Iran würde sicher reagieren“, so Nahost-experte Da- niel Gerlach zu dieser Redaktion.
Iran hat 90 Prozent angereichertes Uran, das für den Bau der ersten Atombombe reicht. Ein hochrangiger Eu-diplomat
Entscheidend ist die Frage nach der Haltung Russlands
Teheran habe nach der Tötung des Revolutionsgarden-generals Qa- sem Soleimani durch einen US- Drohnenangriff 2020 in Bagdad ge- zeigt, was es kann: Danach wurde die Us-militärbasis Ain al-assad im Westirak attackiert. „Dahinter steckte die Botschaft, dass der Iran die Us-truppen in der Golfregion treffen kann.“Wie würde sich Russ- land bei einer Eskalation verhal- ten? Gerlach hält einen Ausbau der Militär-kooperation zwischen Moskau und Teheran für möglich: „Es spricht einiges dafür, dass Russland eine iranisch-amerikanische Konfrontation gut ins Konzept passen würde. Es würde vom russischen Krieg in der Ukraine ablenken und das russische Narrativ stärken, wonach der Westen weltweit Krieg gegen andere Systeme führt.“