Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Früher war alles besser
Nein, sprach er, das war anders, und stocherte enttäuscht auf seinem Teller herum. Wir saßen beim Essen und ich hatte ihm serviert, wovon er kurz zuvor in melancholischer Erinnerung erzählte: Ein Gericht, wie es seine Mutter einst machte.
Kann nicht sein, ich habe mich genau an deine Anweisungen gehalten, entgegnete ich. Auch wenn man Erinnerungsprotokollen eines Mannes, dessen Kompetenz am Herd beim Spiegelei endet, besser nicht trauen sollte: Ich wollte kooperativ sein. Keine Details, nur so viel: Das Gericht bestand aus dreieinhalb Zutaten, die Handlungsräume sind eng, man kann eigentlich nichts falsch machen. Offensichtlich doch, sagte er. Es schmeckte damals anders, irgendwie besser. Vielleicht, schlug ich sanft vor, überlagern gerade sentimentale Kindheitserinnerungen dein Urteilsvermögen. Psychologen sprechen von Retromanie, das muss es sein. Unsinn, widersprach er. Aus Respekt vor dem sensiblen Gesamtkomplex Mann, beschloss ich zu schweigen.
Vermutlich geht es mir da, wie Millionen anderen Frauen. Wenn man den Umfrageergebnissen eines großen Lebensmittelherstellers glauben kann, ist Mutters Essen der Kindheit das Beste. Da kann man als nachgeordnete Versorgungsinstanz machen, was man will, man schafft im besten Fall eine entfernte Anlehnung.
Die einzige Genugtuung ist, dass man als Mutter schließlich auch einmal Kinder bekocht hat. Der zitierte Lebensmittelproduzent zum Beispiel bietet auch sogenannte Convenience-produkte an. Für eine berufstätige Mutter kann das an manchen trüben Tagen die Rettung sein.
Vor vielen Jahren enttarnte mich einmal mein damals sechsjähriger Sohn vor Kollegen, als ich nach seinen Wünschen zum schnellen Abendessen fragte: Er wollte erst die Bilder auf der Verpackung sehen. So setzt man Maßstäbe.