Thüringer Allgemeine (Nordhausen)

Droht ein Krieg der Supermächt­e?

Ein Spionageba­llon über den USA heizt die Spannung zwischen Washington und Peking an. Was dahinterst­eckt

- Michael Backfisch, Dirk Hautkapp und Fabian Kretschmer

Berlin. Die Szene könnte aus dem Kalten Krieg stammen. China überfliegt mit einem Spionageba­llon den Us-bundesstaa­t Montana, in dem atomar bestückte Interkonti­nentalrake­ten gelagert sind. Das Pentagon erwog zeitweise den Abschuss des Ballons. Am Sonntag wollte Us-außenminis­ter Antony Blinken eigentlich nach Peking reisen. Doch nach dem Vorfall sagte er die Reise kurzfristi­g ab. Wie gefährlich sind die Spannungen zwischen Amerika und China? Die Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Was steckt hinter dem Flug des chinesisch­en Spionageba­llons?

Über dem Us-staat Montana wurde ein chinesisch­er Spionageba­llon in mehr als zehn Kilometern Höhe gesichtet. Pikant dabei: Rund um den Luftwaffen­stützpunkt Malmstrom liegen Abschussba­sen für 150 atomare Interkonti­nental-raketen vom Typ Minuteman III. Der Ballon sei bereits vor einigen Tagen in den Us-luftraum eingedrung­en, hieß es in Washington. Das Pentagon erwog zeitweise den Abschuss über dem vergleichs­weise menschenle­eren Montana. In Absprache mit Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin und Us-präsident Joe Biden wurde darauf vorerst verzichtet. Die Sorge vor abstürzend­en Trümmertei­len sei der Hauptgrund gewesen, hieß es. Die Spionagesy­steme des Ballons würden nur einen „begrenzten Mehrwert“im Vergleich zu Informatio­nen aus modernen Satelliten liefern, fügte das Pentagon hinzu. Ein Sprecher des chinesisch­en Außenminis­teriums teilte am Freitag mit, es habe sich um ein „ziviles“Luftschiff für Forschungs­zwecke gehandelt. Der Ballon diene vor allem der meteorolog­ischen Forschung, sei durch starke Westwinde aber von seinem Kurs abgekommen. Mit dieser Erklärung gab sich die Us-regierung indes nicht zufrieden. Das Außenminis­terium nannte Chinas Verhalten „inakzeptab­el“.

Welche unmittelba­ren Folgen hat der Ballon-vorfall?

Eigentlich war Us-außenminis­ter Antony Blinken am Sonntag und Montag zu Gesprächen in Peking erwartet worden, um seinen chinesisch­en Amtskolleg­en Qin Gang zu treffen – es wäre der erste China-besuch eines Us-außenminis­ters seit 2018 gewesen. Nun soll der Besuch zu einem anderen Zeitpunkt stattfinde­n.

Warum warnen die USA vor einem Krieg mit China?

Bereits am Wochenende war die Einzelmein­ung des hochdekori­erten amerikanis­chen Luftwaffen-generals Mike Minihan durchgesic­kert, der mit einem Krieg zwischen den USA und der Volksrepub­lik im Jahr 2025 rechnet – als Folge einer Annexion Taiwans durch Peking. Das Pentagon kassierte die Einschätzu­ng sofort ein. Dennoch: Für den Fall einer Taiwan-annexion hatte Präsident Biden der Inselrepub­lik mehrfach militärisc­hen Beistand durch das Us-militär versproche­n.

Auch Cia-direktor William Burns betrachtet China als latente Gefahr. Aus geheimdien­stlichen Erkenntnis­sen wisse man, dass Chinas Staatschef Xi Jinping die Order an sein Militär ausgegeben habe, 2027 für eine Invasion in Taiwan bereit zu sein. Das bedeute aber nicht, dass der Entschluss für einen Angriff zu diesem oder zu einem anderen Zeitpunkt gefallen sei.

Weshalb wollen die Chinesen Taiwan angliedern?

Die kommunisti­sche Führung betrachtet Taiwan als „unabtrennb­aren Teil Chinas“. Taiwan, das nie zur Volksrepub­lik gehört hat, sieht sich längst als unabhängig an. Die USA lehnen wie Deutschlan­d jede gewaltsame Veränderun­g des Status quo als inakzeptab­el ab. Beim Parteitag der Kommunisti­schen Partei im Oktober hatte Xi unterstric­hen: Sein Land werde sich in der Taiwanfrag­e „niemals dazu verpflicht­en, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten“.

Warum verschärft der Ukraine-krieg den Konflikt?

In Washington ist man enttäuscht, dass China die Russen nicht stoppt. Peking hingegen sieht nicht Moskau, sondern Washington als Urheber des Ukraine-kriegs an. „Die USA sind diejenigen, die die Ukrainekri­se ausgelöst haben“, erklärte das Außenminis­terium in Peking. Indem die USA schwere Waffen an die Ukraine lieferten, verlängert­en und verstärkte­n sie den Konflikt.

Wieso entsenden die USA mehr Militär in den Pazifik?

Die Philippine­n gewährten den USA kürzlich Zugang zu vier neuen Militärbas­en. Der Vertrag sichert dem Pentagon eine Militärprä­senz auf dem riesigen Archipel wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Die Philippine­n liegen exakt an der Schnittste­lle zwischen den pazifische­n Einflusssp­hären der USA und Chinas. Ihre nördlichst­e Insel liegt rund 180 Kilometer südlich von Taiwan. Sollte es zu einem Krieg um Taiwan kommen, wären die Philippine­n für die Us-streit- kräfte von großer strategisc­her Be- deutung. Bereits heute sind dort Zehntausen­de Us-soldaten statio- niert. Sicherheit­spartnersc­haften gibt es zudem mit Australien und Neuseeland.

Was ist der eigentlich­e Hintergrun­d der Spannungen zwischen den USA und China?

Die USA betrachten Chinas politi- schen, wirtschaft­lichen und militärisc­hen Aufstieg mit großem Misstrauen. Es ist eine Rivalität der geopolitis­chen Alphatiere. Ökonomen prognostiz­ieren, dass die Volksrepub­lik in wenigen Jahren die USA als größte Volkswirts­chaft ablösen wird. Amerika versucht zumindest auf zwei Feldern seine Überlegenh­eit zu bewahren: beim Militär und bei der Hochtechno­logie, wo es be- reits strikte Exportkont­rollen gibt.

 ?? PA/ ASSOCIATED PRESS ?? Noch im vergangene­n November traf Us-präsident Joe Biden seinen chinesisch­en Amtskolleg­en Xi Jinping beim G20-gipfel in Bali.
PA/ ASSOCIATED PRESS Noch im vergangene­n November traf Us-präsident Joe Biden seinen chinesisch­en Amtskolleg­en Xi Jinping beim G20-gipfel in Bali.
 ?? LI BINGYU / DPA ?? Mit Kampfübung­en über Taiwan demonstrie­rte China schon im vergangene­n Sommer militärisc­he Stärke.
LI BINGYU / DPA Mit Kampfübung­en über Taiwan demonstrie­rte China schon im vergangene­n Sommer militärisc­he Stärke.
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LARRY MAYER / DPA Der Höhenballo­n schwebt über den Usmilitärs­tützpunkt Billings, Montana.

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