Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Droht ein Krieg der Supermächte?
Ein Spionageballon über den USA heizt die Spannung zwischen Washington und Peking an. Was dahintersteckt
Berlin. Die Szene könnte aus dem Kalten Krieg stammen. China überfliegt mit einem Spionageballon den Us-bundesstaat Montana, in dem atomar bestückte Interkontinentalraketen gelagert sind. Das Pentagon erwog zeitweise den Abschuss des Ballons. Am Sonntag wollte Us-außenminister Antony Blinken eigentlich nach Peking reisen. Doch nach dem Vorfall sagte er die Reise kurzfristig ab. Wie gefährlich sind die Spannungen zwischen Amerika und China? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was steckt hinter dem Flug des chinesischen Spionageballons?
Über dem Us-staat Montana wurde ein chinesischer Spionageballon in mehr als zehn Kilometern Höhe gesichtet. Pikant dabei: Rund um den Luftwaffenstützpunkt Malmstrom liegen Abschussbasen für 150 atomare Interkontinental-raketen vom Typ Minuteman III. Der Ballon sei bereits vor einigen Tagen in den Us-luftraum eingedrungen, hieß es in Washington. Das Pentagon erwog zeitweise den Abschuss über dem vergleichsweise menschenleeren Montana. In Absprache mit Verteidigungsminister Lloyd Austin und Us-präsident Joe Biden wurde darauf vorerst verzichtet. Die Sorge vor abstürzenden Trümmerteilen sei der Hauptgrund gewesen, hieß es. Die Spionagesysteme des Ballons würden nur einen „begrenzten Mehrwert“im Vergleich zu Informationen aus modernen Satelliten liefern, fügte das Pentagon hinzu. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums teilte am Freitag mit, es habe sich um ein „ziviles“Luftschiff für Forschungszwecke gehandelt. Der Ballon diene vor allem der meteorologischen Forschung, sei durch starke Westwinde aber von seinem Kurs abgekommen. Mit dieser Erklärung gab sich die Us-regierung indes nicht zufrieden. Das Außenministerium nannte Chinas Verhalten „inakzeptabel“.
Welche unmittelbaren Folgen hat der Ballon-vorfall?
Eigentlich war Us-außenminister Antony Blinken am Sonntag und Montag zu Gesprächen in Peking erwartet worden, um seinen chinesischen Amtskollegen Qin Gang zu treffen – es wäre der erste China-besuch eines Us-außenministers seit 2018 gewesen. Nun soll der Besuch zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden.
Warum warnen die USA vor einem Krieg mit China?
Bereits am Wochenende war die Einzelmeinung des hochdekorierten amerikanischen Luftwaffen-generals Mike Minihan durchgesickert, der mit einem Krieg zwischen den USA und der Volksrepublik im Jahr 2025 rechnet – als Folge einer Annexion Taiwans durch Peking. Das Pentagon kassierte die Einschätzung sofort ein. Dennoch: Für den Fall einer Taiwan-annexion hatte Präsident Biden der Inselrepublik mehrfach militärischen Beistand durch das Us-militär versprochen.
Auch Cia-direktor William Burns betrachtet China als latente Gefahr. Aus geheimdienstlichen Erkenntnissen wisse man, dass Chinas Staatschef Xi Jinping die Order an sein Militär ausgegeben habe, 2027 für eine Invasion in Taiwan bereit zu sein. Das bedeute aber nicht, dass der Entschluss für einen Angriff zu diesem oder zu einem anderen Zeitpunkt gefallen sei.
Weshalb wollen die Chinesen Taiwan angliedern?
Die kommunistische Führung betrachtet Taiwan als „unabtrennbaren Teil Chinas“. Taiwan, das nie zur Volksrepublik gehört hat, sieht sich längst als unabhängig an. Die USA lehnen wie Deutschland jede gewaltsame Veränderung des Status quo als inakzeptabel ab. Beim Parteitag der Kommunistischen Partei im Oktober hatte Xi unterstrichen: Sein Land werde sich in der Taiwanfrage „niemals dazu verpflichten, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten“.
Warum verschärft der Ukraine-krieg den Konflikt?
In Washington ist man enttäuscht, dass China die Russen nicht stoppt. Peking hingegen sieht nicht Moskau, sondern Washington als Urheber des Ukraine-kriegs an. „Die USA sind diejenigen, die die Ukrainekrise ausgelöst haben“, erklärte das Außenministerium in Peking. Indem die USA schwere Waffen an die Ukraine lieferten, verlängerten und verstärkten sie den Konflikt.
Wieso entsenden die USA mehr Militär in den Pazifik?
Die Philippinen gewährten den USA kürzlich Zugang zu vier neuen Militärbasen. Der Vertrag sichert dem Pentagon eine Militärpräsenz auf dem riesigen Archipel wie seit über 30 Jahren nicht mehr. Die Philippinen liegen exakt an der Schnittstelle zwischen den pazifischen Einflusssphären der USA und Chinas. Ihre nördlichste Insel liegt rund 180 Kilometer südlich von Taiwan. Sollte es zu einem Krieg um Taiwan kommen, wären die Philippinen für die Us-streit- kräfte von großer strategischer Be- deutung. Bereits heute sind dort Zehntausende Us-soldaten statio- niert. Sicherheitspartnerschaften gibt es zudem mit Australien und Neuseeland.
Was ist der eigentliche Hintergrund der Spannungen zwischen den USA und China?
Die USA betrachten Chinas politi- schen, wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg mit großem Misstrauen. Es ist eine Rivalität der geopolitischen Alphatiere. Ökonomen prognostizieren, dass die Volksrepublik in wenigen Jahren die USA als größte Volkswirtschaft ablösen wird. Amerika versucht zumindest auf zwei Feldern seine Überlegenheit zu bewahren: beim Militär und bei der Hochtechnologie, wo es be- reits strikte Exportkontrollen gibt.