Thüringer Allgemeine (Nordhausen)
Tränen, zerhackte Schläger, traurige Mutter
Beim Henner-henkel-turnier geht nicht jeder Traum in Erfüllung. Einer des TC Erfurt 93 steht vor der Umsetzung
Erfurt. Optimistisch betrat der junge Lockenkopf den Platz. Bengt Reinhard, mit 17 schon die Nummer 159 im deutschen Herrentennis und eines der besten Talente seiner Altersklasse, war der Favorit beim 56. Henner-henkel-gedächtnisturnier des TC Erfurt 93. „Kein Problem, total gerne“, sagte er zur Anfrage auf ein Interview, das nach seinem Viertelfinale erfolgen sollte. Vorher musste er den Nürnberger André Büttner, einen auch einst sehr starken Nachwuchsspieler, der es aber danach ruhiger angehen ließ und in Erfurt nur an Position sechs gesetzt war, aus dem Weg räumen.
Der zehn Jahre ältere Franke bereitete dem jungen Fuldaer erhebliche Probleme. Auf dem Hauptplatz der nach dem Namensgeber des Turniers, der einige Jahre beim TC 93 spielte und 1937 die heutigen French Open gewann, benannten Tennisanlage entwickelte sich ein dramatisches Spiel. Büttner gewann den ersten Satz 6:4, Reinhard holte sich mit 6:4 den zweiten. Doch sein routinierter Gegner, der sich vor dem Spiel Schmerztabletten wegen Kniebeschwerden eingeworfen hatte, war im Entscheidungssatz der aggressivere Spieler. Als er auf 5:2 davonzog, schossen dem Turnierfavoriten schon die Tränen der Enttäuschung ins Gesicht. Er gewann noch ein Aufschlagspiel, verlor den Satz aber mit 3:6 und war raus. Das Interview war vergessen, stattdessen ging‘s schnurstracks zum Ausgang und ab nach Hause.
Nicht minder dramatisch lief ein weiteres Viertelfinale direkt daneben ab. Sowohl für Philipp Sikorski als auch für Paul Henkel wäre der Einzug ins Halbfinale bei einem der wichtigsten Thüringer Turniere ihr bisher größter Einzelerfolg. Die beiden Teamkollegen vom TC Ruhla waren zudem die letzten verbliebenen Thüringer im Feld der 26 gestarteten Herren – auch bei den nur elf angetretenen Damen waren die beiden Erfurterinnen Antonia Wolf und Christine Junge-ilges, die drei Satzbälle vergab, direkt im Achtelfinale am Freitag gescheitert.
Angesichts des erhofften großen Erfolgs war der Druck aber offenbar besonders groß. So ließen die beiden Ruhlaer die gute Kinderstube vermissen. Im ersten Satz lief es bei Henkel nicht. Er schimpfte erst wüst über den Platz, feuerte nach dem Satzverlust den Ball über die Bäume und beleidigte schließlich seine mitfiebernde Mutter so übel, dass diese ihren Zuschauerplatz
verließ. Bei Sikorski, der am Vortag in Runde eins klar gewonnen und im Achtelfinale als deutsche Nummer 473 die Nummer 175, den an zwei gesetzten Henri Schubert (Braunschweig) sensationell in zwei Sätzen besiegt hatte, schlich sich aber dann ebenfalls der Fehlerteufel ein. Henkel kam zurück, drehte das Spiel mit 6:4 und 6:3. Sikorski schlug gleich zwei seiner Schläger auf dem Sandplatz kurz und klein.
Während sein Kumpel mit reichlich „Kleinholz“von dannen zog,
sagte Henkel: „Anfangs hat wenig geklappt, da musste der Frust raus. Danach war ich zum Glück der Konstantere. Das Halbfinale ist toll, da kann ich befreit aufspielen, weil ich eigentlich keine Chance habe.“Und er versprach: „Ich werde mich gleich bei meiner Mutter entschuldigen, das war nicht in Ordnung.“
Im Halbfinale am späten Samstagnachmittag gegen den an fünf gesetzten Dominik Maly (Bayreuth), der das Turnier als „eines der schönsten, das ich kenne, weil alle
so herzlich sind und man als Spieler so gut umsorgt wird“lobte, unterlag Henkel klar mit 1:6 und 0:6.
Im Finale bot dann Maly dem an drei gesetzten Stephan Iserath (Brauweiler), der im Halbfinale den Reinhard-bezwinger Büttner mit 4:6, 6:2 und 7:5 niederrang, einen beherzten Kampf, verlor aber 3:6 und 5:7. Bei den Damenzogen die Nummer eins, Sofia Markova (Mögelsdorf) und die Nummer zwei Anastasiya Kuparev (Rheinbach) ins Finale ein, das Kuparev gewann.
Entspannt beobachtete Peter Glaitzar das Geschehen. Mit der Entwicklung in seinem Verein ist der Vorsitzende sehr zufrieden: „Es werden stetig mehr Mitglieder, wir sind dabei, uns zu erweitern.“Deshalb hat der Verein ein zwischenzeitlich in Vergessenheit geratenes Projekt wieder angeschoben: An der Nordseite der Anlage sollen drei neue Plätze entstehen – ganzjährig bespielbar, barrierefrei für ein mögliches Angebot für Rollstuhlfahrer, perspektivisch mit Überdachung.