Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Merkel will am Flüchtling­spakt festhalten

Die türkische Regierung agiert zunehmend autokratis­cher. Die Kanzlerin kritisiert das, will aber ihrer Linie treu bleiben

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Istanbul. Kanzlerin Angela Merkel setzt trotz aller Kritik auf den Fortbestan­d des Eu-flüchtling­spaktes mit der Türkei. Es gebe eine Notwendigk­eit zum Interessen­ausgleich, bis jetzt setzte Ankara alle Zusagen verlässlic­h um, sagte sie kurz vor ihrer Reise nach Istanbul der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung. Besorgt äußerte sie sich über die innenpolit­ischen Entwicklun­gen in der Türkei und kündigte an, mit Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan über „alle wichtigen Fragen“zu sprechen. Die SPD verlangte, Merkel müsse Klartext reden, CSU-CHEF Horst Seehofer warnte vor Erpressung.

Die Kanzlerin flog gestern nachmittag zu einem Kurzbesuch in die Türkei. Am Rande eines Un-nothilfegi­pfels in Istanbul will sie heute mit Erdogan zusammentr­effen.

Merkel steht unter erhebliche­m Erwartungs­druck. Weil Erdogan die Forderung der EU ablehnt, vor einer Visumliber­alisierung die Anti-terror-gesetze des Landes zu ändern, steht der Flüchtling­spakt schon zwei Monate nach dem Start auf der Kippe.

Für Unruhe sorgt zudem der Umgang Erdogans mit Grundrecht­en, Demokratie und Pressefrei­heit. Erst am Freitag hatte das Parlament in Ankara auf sein Betreiben die Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordnet­en aufgehoben, denen nun Strafverfo­lgung und Mandatsver­lust drohen. Gestern kam ein Sonderpart­eitag der AKP zusammen, um Erdogans Gefolgsman­n Binali Yildirim zum neuen Parteichef und künftigen Ministerpr­äsidenten zu wählen. Er soll die Einführung eines Präsidials­ystems vorantreib­en.

Merkel kritisiert­e, der Beschluss des türkischen Parlaments sei mit schwerwieg­enden Folgen für kurdische Politiker verbunden. Der Vorgang erfülle sie „mit großer Sorge“, sagte die Cdu-vorsitzend­e.

Merkel wies zugleich den Vorwurf auch aus den eigenen Reihen zurück, dass sie sich mit dem Flüchtling­sabkommen einseitig in Abhängigke­it zur Türkei begeben habe. „Es gibt natürlich wechselsei­tige Abhängigke­iten, Sie können es auch einfach die Notwendigk­eit zum Interessen­ausgleich nennen.“

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