Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Thüringen zahlt nicht in Missbrauchsfonds ein
Sexueller Missbrauch kommt laut Experten häufig innerhalb der Familie vor. Die Politik will helfen, doch der Fonds darbt
Erfurt. Thüringen sperrt sich gegen eine Beteiligung am Hilfsfonds für die Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs in Familien.
Noch unter der schwarz-roten Vorgängerregierung sei beschlossen worden, kein Geld an den Fonds zu überweisen, sagte der Sprecher des von der Linken geführten Jugendministeriums, Gerd Schwinger. „Da ist keine Änderung geplant.“Begründet wird die Absage damit, dass es keine Staatshaftung für den familiären Bereich gebe. Zudem gelten für solche Straftaten lange Verjährungsfristen, sodass Betroffene Ansprüche vor Gericht erstreiten könnten.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johanneswilhelm Rörig, hatte jüngst Alarm geschlagen, dass der mit rund 58 Millionen Euro bestückte Fonds für zusätzliche Therapien und andere Hilfen fast ausgeschöpft sei. Bisher hätten mehr als 5000 Menschen, die in ihrer Familie sexuelle Gewalt erlebt haben, Anträge gestellt. In den Fonds eingezahlt haben den Angaben nach neben dem Bund aber nur die Länder Bayern und Mecklenburg-vorpommern.
Der Fonds war ein Ergebnis des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“, der als Reaktion auf die Missbrauchsskandale an kirchlichen und staatlichen Schulen Empfehlungen abgab. Die meisten Missbrauchsfälle ereignen sich in Familien.
Den Eindruck, Thüringen stehle sich bei diesem Thema aus der moralischen Verantwortung, will das Erfurter Ministerium nicht gelten lassen – und verweist auf Engagement an anderer Stelle. So gebe es neben der Beteiligung am Ddr-heimkinderfonds „ergänzende Angebote“für Opfer im institutionellen Bereich wie Heimen, Schulen und Internaten aus der Zeit von 1990 bis 2013. Hier sieht sich die öffentliche Hand als Arbeitgeber etwaiger Täter in der Verantwortung. Betroffene Kinder und Jugendliche könnten Hilfen beantragen. Bisher gebe es sechs Anträge, die geprüft würden, sagte Schwinger. Und es werde daran gearbeitet, eine solche Vereinbarung auch für vor 1990 zu erstellen. dpa