Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Denn im Wald, da sind die Träumer

Shakespear­es „Sommernach­tstraum“wird in Rudolstadt zu glänzend-intelligen­ter Unterhaltu­ng

- Von Henryk Goldberg

Rudolstadt. Hier leben Freunde des Waldes, hier ist des Waidmanns Heil. Die Geweihe an den Wänden, die Gesichter der gefangenen Weiber unter den Lampenschi­rmen, die Brüste frei, die Wäsche schwarz. Wer braucht Gesichter, wenn er Titten haben kann. Ihre Chefin, Hippolyta, kniet ganz in Schwarz, im Doggy-style, falls dem künftigen Gemahl so werden sollte.

Die Herren tragen die grünliche Folklore der lustigen Jäger. Einer will seine Tochter lieber tot sehen als mit dem falschen Mann im Bett, der Oberjäger pflichtet bei. Da kann man nur noch weg. Weg in den Wald.

Den Weg dahin eröffnet das Wesen Puck. Der schiebt spielend leicht die Wände weg und zeigt uns: einen Zauber. Eine ansteigend­e Fläche ganz in Blau, die Farbe wird sich ändern, dieses Blau ergießt sich wie fließendes Wasser, wie dieser Puck, der auch zu fließen scheint. Und ein Gitarrist spielt Töne vom Sehnen. Hier ist gut Träumen. Das ist die wunderbare Bühne von Frank Hänig.

Und das ist ein sehr schöner „Sommernach­tstraum“, von Jens Schmidl eingericht­et mit einem lustvollen Ensemble. „Der Sommernach­tstraum“, dem sie hier viel Poeterei gestrichen haben, trägt viel Theorie mit sich herum, Liebe und Gewalt und dunkle Triebe. Das bleibt hier Theorie, mehr demonstrie­rtes Zeichen als erspielte Haltung, die jungen Herren sind von der harmlosen Art.

Und der Abend ist einer der intelligen­t-unterhalte­nden Art.

Sie beginnen, anders als Shakespear­e, mit dem Besten, das sie haben, den Handwerker­n. Die treten auf im uniformen Nadelstrei­fen, wie aus jener Zeit, als die Bands noch Kapellen hießen. Da liegt Musike drin.

In Sonderheit, wenn die Herren Matthias Winde und Markus Seidenstic­ker als genervter Spielleite­r Squenz und nervender Schauspiel­er Zettel eine Theaterpro­be anzetteln, die ist so traumhaft schön. Sie gehen das ganz ernsthaft an, also saukomisch. Winde ist hoffnungsl­os resigniert, er weiß, dass er das Übliche nicht verhindern kann, aber er braucht den blöden Schauspiel­er nun mal.

Seidenstic­ker weiß das auch und nervt erst recht, der dämliche Regisseur kann ja nicht ohne ihn. Live von der Probebühne. Markus Seidenstic­ker war lang nicht mehr so überzeugen­d, so weg von aller Routiniert­heit. Als Esel stapft er ganz tapprig, mit ernsthafte­r Naivität, stopft den großen schwarzen Lusterzeug­er immer wieder in die Hose, den die Schlampe gern angewendet wüsste.

Doch wenn sie es tun, dann kopulieren Titania und der Esel gleichsam sanft und zart. Und wenn die Meisters am Ende ihr Stück aufführen, da geschieht ein kleines Wunder.

Es spielen nämlich Markus „Pyramus“Seidenstic­ker im komischen Cäsarenloo­k und Marcus „Thisbe“Ostberg mit dem umgebunden­en Schnee des Busens – assistiert von Rayk „der Löwe“Gaida und Jochen „Die Wand“Ganser – eine in Slow Motion choreograf­ierte Tragikomöd­ie, sie schmieren mit ernsthafte­r Lust und haben doch immer einen melancholi­schen Untertext, das ist glänzend.

Das war eine Schülervor­stellung, es war rappelvoll und mäuschenst­ill, wenn grad nicht gelacht wurde. Heftiger Applaus vom Jungvolk, der Berichters­tatter klatschte fröhlich mit.

Ein Abend der intelligen­t unterhalte­nden Art

 ??  ?? Marcus Ostberg, Matthias Winde, Carola Sigg, Rayk Gaida und Jochen Ganser in einer Szene aus Shakespear­es „Sommernach­tstraum“(von links). Foto: Peter Scholz
Marcus Ostberg, Matthias Winde, Carola Sigg, Rayk Gaida und Jochen Ganser in einer Szene aus Shakespear­es „Sommernach­tstraum“(von links). Foto: Peter Scholz

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