Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Denn im Wald, da sind die Träumer
Shakespeares „Sommernachtstraum“wird in Rudolstadt zu glänzend-intelligenter Unterhaltung
Rudolstadt. Hier leben Freunde des Waldes, hier ist des Waidmanns Heil. Die Geweihe an den Wänden, die Gesichter der gefangenen Weiber unter den Lampenschirmen, die Brüste frei, die Wäsche schwarz. Wer braucht Gesichter, wenn er Titten haben kann. Ihre Chefin, Hippolyta, kniet ganz in Schwarz, im Doggy-style, falls dem künftigen Gemahl so werden sollte.
Die Herren tragen die grünliche Folklore der lustigen Jäger. Einer will seine Tochter lieber tot sehen als mit dem falschen Mann im Bett, der Oberjäger pflichtet bei. Da kann man nur noch weg. Weg in den Wald.
Den Weg dahin eröffnet das Wesen Puck. Der schiebt spielend leicht die Wände weg und zeigt uns: einen Zauber. Eine ansteigende Fläche ganz in Blau, die Farbe wird sich ändern, dieses Blau ergießt sich wie fließendes Wasser, wie dieser Puck, der auch zu fließen scheint. Und ein Gitarrist spielt Töne vom Sehnen. Hier ist gut Träumen. Das ist die wunderbare Bühne von Frank Hänig.
Und das ist ein sehr schöner „Sommernachtstraum“, von Jens Schmidl eingerichtet mit einem lustvollen Ensemble. „Der Sommernachtstraum“, dem sie hier viel Poeterei gestrichen haben, trägt viel Theorie mit sich herum, Liebe und Gewalt und dunkle Triebe. Das bleibt hier Theorie, mehr demonstriertes Zeichen als erspielte Haltung, die jungen Herren sind von der harmlosen Art.
Und der Abend ist einer der intelligent-unterhaltenden Art.
Sie beginnen, anders als Shakespeare, mit dem Besten, das sie haben, den Handwerkern. Die treten auf im uniformen Nadelstreifen, wie aus jener Zeit, als die Bands noch Kapellen hießen. Da liegt Musike drin.
In Sonderheit, wenn die Herren Matthias Winde und Markus Seidensticker als genervter Spielleiter Squenz und nervender Schauspieler Zettel eine Theaterprobe anzetteln, die ist so traumhaft schön. Sie gehen das ganz ernsthaft an, also saukomisch. Winde ist hoffnungslos resigniert, er weiß, dass er das Übliche nicht verhindern kann, aber er braucht den blöden Schauspieler nun mal.
Seidensticker weiß das auch und nervt erst recht, der dämliche Regisseur kann ja nicht ohne ihn. Live von der Probebühne. Markus Seidensticker war lang nicht mehr so überzeugend, so weg von aller Routiniertheit. Als Esel stapft er ganz tapprig, mit ernsthafter Naivität, stopft den großen schwarzen Lusterzeuger immer wieder in die Hose, den die Schlampe gern angewendet wüsste.
Doch wenn sie es tun, dann kopulieren Titania und der Esel gleichsam sanft und zart. Und wenn die Meisters am Ende ihr Stück aufführen, da geschieht ein kleines Wunder.
Es spielen nämlich Markus „Pyramus“Seidensticker im komischen Cäsarenlook und Marcus „Thisbe“Ostberg mit dem umgebundenen Schnee des Busens – assistiert von Rayk „der Löwe“Gaida und Jochen „Die Wand“Ganser – eine in Slow Motion choreografierte Tragikomödie, sie schmieren mit ernsthafter Lust und haben doch immer einen melancholischen Untertext, das ist glänzend.
Das war eine Schülervorstellung, es war rappelvoll und mäuschenstill, wenn grad nicht gelacht wurde. Heftiger Applaus vom Jungvolk, der Berichterstatter klatschte fröhlich mit.
Ein Abend der intelligent unterhaltenden Art