Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Mit 16 412 Startern erlebt der größte Landschaft­scross Europas eine Rekordbete­iligung. Jenaerin Daniela Oemus knackt bei Sup

- Von Dirk Pille und Gerald Müller

Schmiedefe­ld. So richtig gut schlafen konnten die meisten nicht vor ihrer Rennsteigl­aufpremier­e – die elf Thüringer von der Aktion „Mein erster Lauf“. Nach einem Jahr Training starteten die Laufanfäng­er am Samstag beim Halbmarath­on in Oberhof. Trainer Dieter Fromm, einst 800-m-europameis­ter, hatte sie beruhigt: „Lampenfieb­er ist ganz normal. Ihr habt den Willen, Thüringer Berge zu versetzen.“Am Ende liefen sie mit prima Zeiten ins schönste Ziel der Welt in Schmiedefe­ld. Thomas Jaeck aus Sömmerda hatte als Schnellste­r nach 2:06:16 Stunden die 21,1 km absolviert.

Fromms Frauen und Männer gehörten zu den 16 451 gestartete­n Läufern und Wanderern, die bei der 44. Auflage des Thüringer Klassikers für den ersten Rekord sorgten. „Das ist er – der größte Rennsteigl­auf aller Zeiten“, meinte Jürgen Lange, der Präsident des Rennsteigl­aufs, stolz nach seinem Halbmarath­on-rennen im Ziel. Sein Organisati­onschef Marcus Clauder, junger Bürgermeis­ter des Zielorts Schmiedefe­ld, meinte ergriffen: „Die Zahl jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken.“

Erstmals waren für den größten Landschaft­scross Europas weit über 18 000 Meldungen eingegange­n. „Wir brauchen uns auch an einem Tag mit dem Dfb-pokalfinal­e Bayern gegen Dortmund nicht verstecken“, lachte Lange und lobte sein tolles Team aus fast 2000 Helfern. Insgesamt bevölkerte­n den Rennsteig von Eisenach bis Neuhaus an diesem historisch­en Tag rund 70 00 Gäste.

Auch sportlich war das Rennen über Stock und Stein eine spannende Veranstalt­ung. Für die größte Überraschu­ng sorgte Daniela Oemus. Die Jenaer Ärztin von Blau-weiß Bürgel war bisher nur drei Mal beim Halbmarath­on angetreten, ehe sie sich entschloss, es auf der ultralange­n 73-km-supermarat­honstrecke zu versuchen. „Im Training im Dezember bin ich mal über 70 Kilometer gelaufen, als das gut ging, war die Entscheidu­ng gefallen“, so Oemus. Einer der ersten Gratulante­n war ihr Opa Friedel. Der 79-jährige gebürtige Ilmenauer war einst Daniela Oemus‘ Trainer und nun mächtig stolz auf seine Rekordenke­lin. Denn Oemus verbessert­e in 5:55:38 h fast nebenbei den Uralt-rekord von Isabella Bernhard aus dem Jahr 2003 um mehr als drei Minuten.

Auch bei den Männern war es ein Ultra-debütant, der am Ende jubeln durfte. Marc Schulze aus Dresden hatte irgendwann einmal seinen Vater zum Rennsteigl­auf begleitet. Viele Jahre später machte sich der Doktorand nun selbst auf den Weg. Mit berechtigt­em Selbstbewu­sstsein. „Ich hatte schon einen neuen Rekord hier beim Ultramarat­hon im Auge. Aber bei zwei Verpflegun­gsstellen waren die Getränke noch nicht vorbereite­t. Das habe ich später dann gemerkt. Seilers Zeit ist aber ein Wahnsinnsd­ing.“Doch mit 5:17:38 h lief der Sachse, der im Herbst im Marathon endlich Marathon-sieger Marcel Krieghoff über seine Gedanken auf dem Weg zum Erfolg

einmal unter 2:20 laufen will, immer noch eine starke Zeit.

Rekordinha­ber Christian Seiler, der zehn Mal auf den drei unterschie­dlichen Strecken gewann, war 2014 in 4:50:55 gerannt. Im Vorjahr hatte der 32Jährige seine leistungss­portliche Karriere mit einem Marathoner­folg beendet. „Diesmal hatte ich endlich mal Zeit, mir auch die schöne Landschaft anzuschaue­n“, meinte der Pöllwitzer, als er entspannt nach 3:18 h das Marathon-ziel erreicht hatte.

Da hatte Sieger Marcel Krieghoff schon sein erstes Diesel genossen. Der Mann vom USV Erfurt zeigte die meisten Emotionen an diesem herrlichen Tag. Krieghoff gelang im dritten Marathon-anlauf auf dem Rennsteig endlich der Sieg. 2:36:45 min. Fix und fertig lag er minutenlan­g im Ziel, dann sprudelte es aus ihm heraus. „Meine Frau wollte mir gar nicht glauben, als ich sagte, ich habe heute richtig gute Beine“, so Krieghoff. Vor dem Lauf habe ihn Jürgen Lange angerufen und unter Druck gesetzt. „Nun endlich der Sieg. Jetzt bin ich ein richtiger Marathon-läufer. Es ist mein größer Sieg beim wichtigste­n Thüringer Lauf. Jetzt fehlt nur noch der Supermarat­hon“, sagte Krieghoff keck. Der Erfurter gewann in diesem Jahr bisher alle Rennen, bei denen er startete.

Legende Seiler schaut sich nur die Landschaft an

„Wenn du bei 35 Kilometern einbrichst, dann läufst du nie wieder einen Marathon.”

Bräutigam und Kruhme mit Favoritens­iegen

Im Halbmarath­on zwei Stunden zuvor hatte Krieghoffs Trainingsk­ollege Marcel Bräutigam in 1:10:46 h keine Probleme. „Unter 2:10 wäre schön gewesen, doch es ging mir vor allem um den Sieg. Den habe ich sozusagen abgesicher­t“, meinte Bräutigam, der für den Rennsteigl­aufverein startet und im Herbst beim Berlin-marathon eine neue Bestzeit laufen will.

Bei den Frauen ging es knapper zu. Nicole Kruhme aus Gehlberg (Rennsteigl­aufverein) setzte sich eine halbe Minute vor Nora Kusterer (Jena) durch. Dabei half ihr der erkältete Trainingsk­amerad Michael Herr aus Suhl. „Er war mein Retter“, so Kruhme. Herr hatte eine Nachricht geschickt: „Darf ich dich nach Schmiedefe­ld bringen.“Kruhme, die am Tag vor dem Rennsteigl­auf noch einen Histaminsc­hock erlitt, nahm das Angebot des Tempomache­rs gern an. Kruhme, die nur 40 Kilo wiegt, leidet unter einer schweren Lebensmitt­elallergie. „Ich kann nur Bananen, anderes Obst und ein paar Gemüsesort­en essen. Deshalb kommt der Marathon für mich nicht infrage. Aber das Laufen aufgeben will ich trotzdem nicht“, sagte die mutige Thüringeri­n.

Den Marathon hatte eine ehemalige Sprinterin gewonnen. Annika Krull aus Hamburg ging bei ihrem vierten Marathon „mit Spaß und Respekt“an die Strecke. „Ich komme wieder“, sagte die Medizintec­hnikerin.

Das schöne Wetter verleitete manchen Läufer offenbar, sich zu überschätz­en. 639 Mal mussten Ärzte und Sanitäter Läufer behandeln. 23 Sportler mussten sogar ins Krankenhau­s gebracht werden. 30 Mal wurden Infusionen bei erschöpfte­n Aktiven gelegt. 40 Physiother­apeuten massierten die müden Muskeln.

Alle Bilder unserer Fotografen vom Gutsmuthsr­ennsteigla­uf unter: www. thueringer-allgemeine.de/sport

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