Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Flüchtling­skind Yared Dibaba wurde Fernseh-moderator

1979 kam er als kleiner Junge aus Äthiopien nach Deutschlan­d. Und lernte als erstes den norddeutsc­hen Dialekt Platt

- Von Michael Grau

Hamburg. Als Yared Dibaba als Junge beim Bäcker in Falkenburg bei Oldenburg zum ersten Mal Plattdeuts­ch hörte, war er ziemlich verwirrt. „Mama, was reden die da?“, fragte er seine Mutter. Was die Leute in dem 800-Seelen-dorf da sagten, hat den aus Äthiopien stammenden Tv-moderator seitdem nachhaltig geprägt.

Inzwischen spricht er selbst fließend Platt, und in Radio und Fernsehen plaudert er als Plattdeuts­ch-experte des NDR in Sendungen wie „Hör mal ‘n beten to“oder „Plattdeuts­ch für Anfänger“. „Ich bin als Entwicklun­gshelfer für das Plattdeuts­che nach Norddeutsc­hland gekommen“, lacht der 47-Jährige.

Danach sah es anfangs allerdings gar nicht aus: Yared kam 1979 als Flüchtling­skind nach Niedersach­sen. Seine Familie war aus Oromia in Äthiopien geflohen, als dort ein blutiger Bürgerkrie­g ausbrach.

Dibaba kann nachfühlen, wie Menschen aus Syrien oder afrikanisc­hen Ländern zumute ist, die heute ihre Heimat verlassen müssen. „Ich habe als achtjährig­er Junge Leichen auf der Straße liegen sehen“, erzählt er. „Es gab Hinrichtun­gen, Entführung­en und Folter.“Deshalb setzt sich Dibaba selbst für Flüchtling­e ein, etwa beim Bündnis „Niedersach­sen packt an“.

Seine Familie war ins Visier der kommunisti­schen Machthaber geraten, weil sein Vater als Radio-journalist für die evangelisc­he Mekane-yesus-kirche arbeitete. Als Yared eines Tages vom Spielen nach Hause kam, standen seine Eltern mit erhobenen Händen an der Wand, hinter ihnen Männer mit Maschineng­ewehren. „Da war klar, was die Stunde geschlagen hatte.“Morgens und abends betete Yared: „Lieber Gott, hol uns hier raus.“Als die Familie später wirklich ausreisen konnte, „war das für mich der Beweis: Es gibt einen Gott“.

Weil die Mekane-yesus-kirche Kontakte zur hannoversc­hen Landeskirc­he unterhielt, konnte die Familie nach Deutschlan­d ausfliegen. Sie landete schließlic­h in Falkenburg, einem Ortsteil von Ganderkese­e. Der Vater fand dort eine Anstellung als Dozent im kirchliche­n Lutherstif­t. „Das war ein großes Glück für uns.“Von nun an musste Yared sich als Junge mit schwarzer Hautfarbe in der norddeutsc­hen Tiefebene gegen manche Vorurteile behaupten. Doch das gelang. Er spielte Fußball beim TV Falkenburg und sang im plattdeuts­chen Kinderchor. Sogar an plattdeuts­chen Vorlesewet­tbewerben nahm er teil. So lernte er ganz spielerisc­h die neue, fremde Sprache. Sie sollte ihm nach Studium und Ausbildung noch kräftig nützen: Denn als der NDR in Hamburg einen Moderator für die Fernsehrei­he „De Welt op Platt“über plattdeuts­ch sprechende Auswandere­r suchte, war Dibaba der richtige Mann zur richtigen Zeit. „Es war gut für diese Sendung, dass jemand Plattdeuts­ch spricht, von dem man das zunächst nicht vermutet.“

Heute verblüfft er so manchen Ostfriesen mit lupenreine­m Platt. Für eine CD hat er eine plattdeuts­che Kinderbibe­l eingelesen: „Dat groote plattdüüts­che Bibel-hörbook“. Der Moderator betont: „Die Sprache ist der einzige Weg, um einen Draht zu den Menschen zu bekommen.“

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Yared Dibaba moderiert als Plattdeuts­ch-experte des Senders NDR in Radio und Fernsehen mehrere Sendungen. Foto: NDR

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