Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Neue Landesstelle für 250 000 Euro pro Jahr ohne Ausschreibung
Landesrechnungshofpräsident Dette erwägt Prüfung. Cdu-politiker Tischner sieht „Verstoß gegen Verfassungsrecht“
Erfurt. Die von der rot-rot-grünen Landesregierung mit jährlich 250 000 Euro ohne öffentliche Ausschreibung geförderte „Dokumentationsstelle für Menschenrechte“wird bereits vor ihrem Tätigkeitsbeginn ein Fall für den Landesrechnungshof. „Wir erwägen, uns diese Sache anzuschauen“, teilte Präsident Sebastian Dette unserer Zeitung gestern mit.
An der Spitze der neuen Dokumentationsstelle soll nach Recherchen der Thüringer Allgemeinen der Jenaer Soziologe Matthias Quent stehen, ehemaliger Büromitarbeiter der linken Landtagsabgeordneten Katharina König aus Jena. Offiziell wird dies noch nicht bestätigt. Derzeit ist Quent am Kompetenzzentrum Rechtsextremismus der Friedrich-schiller-universität ohne Anstellungsvertrag tätig.
Träger der Dokumentationsstelle soll nach einem Votum im Bildungsministerium die bundesweit agierende Amadeu-antonio-stiftung sein. Ministerin Birgit Klaubert (Linke) werde die finale Entscheidung voraussichtlich in dieser Woche treffen, teilte ein Sprecher mit.
Die Amadeu-antonio-stiftung hatte im April 2016 – kurz vor Ablauf einer Frist — ein Konzept für die Dokumentationsstelle eingereicht und sich damit erfolgreich beworben. Mitbewerber gab es nach Auskunft des Bildungsministeriums nicht. Ebenso wenig gab es eine öffentliche Ausschreibung. Im Ministerium hält man dies in diesem Fall nicht für erforderlich.
Gegenteilig – ähnlich wie Rechnungshof-präsident Dette – sieht dies die Cdu-landtagsfraktion. Der Abgeordnete und Politikwissenschaftler Christian Tischner hält eine öffentliche Ausschreibung bei der Einrichtung einer neuen Dokumentationsstelle für dringend geboten – allein deshalb, weil diese Stelle Leistungen für den Freistaat Thüringen erbringt, wie das Bildungsministerium bestätigt.
Tischner erkennt in der Art, wie die Stelle eingerichtet wird, zudem einen „Verstoß gegen Verfassungsrecht“. Der Cdupolitiker stützt sich in seiner Kritik auf das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags „Verfassungsrechtliche Grenzen der finanziellen Förderung von Initiativen gegen Rechtsextremismus“von 2015.
Darin wird hervorgehoben, „dass der Staat sich bei der Vergabe von Fördermitteln nicht allein auf Projekte gegen Rechtsextremismus beschränken darf“. Doch genau dies ist die „schwerpunktmäßige Aufgabe“der neuen Dokumentationsstelle, wie es bereits im Koalitionsvertrag von Rot-rot-grün Ende 2014 hieß.
Die Amadeu-antonio-stiftung ist in Thüringen keine Unbekannte. Anfang dieses Jahres sollte bei einer Veranstaltung der Stiftung in Erfurt Verfassungsschutz-präsident Stephan Kramer ein Grußwort halten. Die Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König (Linke) und Astrid Rothe-beinlich (Grüne) intervenierten: Kramer hielt daraufhin keine Rede.
Die Stiftung selbst ist nicht unumstritten. Über Leiterin Anetta Kahane, ehemalige inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit, sagte die Thüringer Bürgerrechtlerin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld unserer Zeitung: „Frau Kahane will immer noch mit den alten Methoden den neuen Menschen erschaffen. Sie hat die kommunistische Umerziehungsattitüde nicht abgelegt.“
Kritisch äußert sich auch der Rechtsextremismus-experte vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin, Michael Kohlstruck: „Der Gestus des Stiftungsauftretens ist der der Anklage und der Belehrung.“
Es hätte wohl Alternativen zur Amadeu-antonio-stiftung geben können. „Wir haben jedoch keine Ausschreibung oder Ähnliches gefunden. Das war alles sehr nebulös“, sagte der Leiter vom Zentrum Demokratische Kultur, Bernd Wagner, der Thüringer Allgemeinen.
Es sei wichtig, so Wagner, alle extremistischen Strömungen zu untersuchen, die gegen Grundrechte vorgehen. Dies gelte für islamistische ebenso wie für rechts- oder linksextremistische Bestrebungen.
Vera Lengsfeld kritisiert Stiftungschefin Kahane