Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Ansage soll Aufzeichnung ermöglichen
Abhörverdacht bei der Thüringer Polizei: Staatsanwaltschaft wertet Telefonmitschnitte aus
Erfurt. Bei der Landespolizeidirektion in Erfurt ist das Mitschneiden von Telefongesprächen eingestellt worden, nachdem hier bekannt war, dass es dagegen eine Anzeige gibt. Das geht aus einem Schriftverkehr hervor, der der Thüringer Allgemeinen vorliegt.
Demnach wird bei der LPD an keinem Apparat mehr mitgeschnitten, der nicht Notrufplatz ist. Dass soll aber, heißt es in dem von Polizeipräsident Brunnengräber unterzeichneten Schreiben, nur solange gelten, bis außerhalb der Notrufplätze eine Bandansage auf die Aufzeichnung hinweist.
Dass die 1999 vom Innenministerium erlassene Dienstanweisung nach wie vor Gültigkeit hatte, bestätigen in verschiedenen Schreiben, die jetzt an den Nsu-untersuchungsausschuss zur Kenntnis geschickt wurden, Verantwortliche von Landespolizeidirektion und Landeskriminalamt. Inwieweit in Thüringer Polizeibehörden über das Maß der 1999er-dienstanweisung hinaus mitgeschnitten wurde, darum kümmert sich derzeit die Erfurter Staatsanwaltschaft. Sie ermittelt wegen zweier Anzeigen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Ressorts und hat im Innenministerium zahlreiche relevante Unterlagen angefordert. Diese seien, sagte die Sprecherin der Behörde, Anette Schmitt-ter Hell auf Ta-anfrage, mittlerweile vollständig übergeben worden.
Darunter befinden sich auch mitgeschnittene Telefonate, die nun ausgewertet werden sollen. „Ich habe das mit Freude vernommen“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD, Dorothea Marx, dieser Zeitung. Sie erhofft sich, dass davon Erkenntnisse über das tatsächliche Ausmaß der Abhörtätigkeiten erlangt werden können.
Marx hatte schon 2013 zu Abhörpraktiken bei der Thüringer Polizei eine „Kleine Anfrage“an das Innenministerium gestellt, die damals damit beantwortet wurde, dass „in der Regel“nur Notrufe aufgezeichnet werden.
Das Innenministerium bestätigte gestern auf Anfrage, dass die Polizeistationen in Thüringen mit nahezu identischen Telefonanlagen ausgestattet sind und diese über das Leistungsmerkmal zum Mitschneiden von Gesprächen verfügen. Inwieweit das aber über die Notrufapparate hinaus genutzt wurde, ist bisher nicht bekannt.