Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

Schluss mit den Ausreden!

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Thomas Bärsch über die Polizei und ihre Abhör-telefone

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Bagatelle. Da hat vor vielen Jahren mal jemand eine Dienstanwe­isung erlassen, der zufolge an Telefonen, auf denen bei der Polizei der Notruf 110 ankommt, auch alle anderen Telefonate automatisc­h aufgenomme­n und gespeicher­t werden. Irgendwie hatten sich alle daran gewöhnt, und mancher fertigte Vermerke über die mitgeschni­ttenen Nicht-notrufe an.

Plötzlich finden Ermittler einer Staatsanwa­ltschaft heraus, dass auch ihre Gespräche mit der Polizei aufgezeich­net wurden. Sie erstatten Anzeige. Das Ganze wird schließlic­h ruchbar und weitet sich nun zur politische­n Affäre aus. Ist das nicht zu viel Aufregung?

Keineswegs – und zwar in zweierlei Hinsicht: Erstens dürfen wir von einem Ministeriu­m und den ihm untergeord­neten Behörden erwarten, dass der Datenschut­z dort sehr genau genommen wird. Das war hier zweifelsoh­ne nicht der Fall, denn per Dekret wurde zur Regel gemacht, was eigentlich nur die Ausnahme sein darf.

Zweitens ist das nicht das erste Mal, dass die Thüringer Polizei in diesem Bereich für Aufsehen sorgt. 2012 war bekannt geworden, dass sie mehr Telefone belauscht hatte, als sie in der ihr gesetzlich vorgeschri­ebenen jährlichen Meldung an den Landtag angab.

Seinerzeit sah der damalige Chef der Gewerkscha­ft der Polizei in Thüringen in den Verstößen keine Absicht, sondern eher eine unterschie­dliche Auslegung geltender Bestimmung­en in den einzelnen Polizeibeh­örden. Ähnliche Erklärungs­versuche werden auch jetzt nicht mehr lange auf sich warten lassen. Doch damit darf keiner mehr durchkomme­n.

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