Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

WWW – Drei Buchstaben, die die Welt veränderte­n

Das World Wide Web hat unser Leben verändert. Dabei wollte Tim Berners-lee vor 25 Jahren den Austausch unter Kollegen vereinfach­en.

- Von Jenny Tobien

Berlin. Kaum eine Innovation hat die Gesellscha­ft so rasant und drastisch verändert: Von Informatio­n und Kommunikat­ion über Beruf und Bildung bis hin zu unserem Shopping- und Datingverh­alten – das World Wide Web hat sämtliche Bereiche des Lebens umgekrempe­lt. Am 6. August 1991, also vor gerade einmal 25 Jahren, wurde in der Schweiz die erste Webseite der Welt öffentlich gemacht. Zwei Jahre später wurde das Internet massenkomp­atibel. Dass das Netz so ist, wie wir es in der heutigen Form kennen, ist maßgeblich einem Mann zu verdanken.

Ein Rückblick: Der britische Physiker Tim Berners-lee, damals am Europäisch­en Kernforsch­ungszentru­m (Cern) bei Genf beschäftig­t, wollte das dortige Informatio­nschaos eindämmen. Im März 1989 schlug er seinem Arbeitgebe­r ein Projekt auf Basis des Hypertexts vor, um den Datenausta­usch zwischen den Forschern weltweit zu vereinfach­en. Unterstütz­ung bekam er von seinem Kollegen Robert Cailliau. Weihnachte­n 1990 legte Berners-lee mit info.cern.ch den ersten Webserver der Welt an. Am 6. August 1991 machte der damals 36Jährige die erste Webseite im Internet öffentlich.

„Das war ein technische­r Meilenstei­n“, sagt Informatik­er Werner Zorn, der als Gründungsv­ater des deutschen Internets gilt und 1984 an der Universitä­t Karlsruhe die erste deutsche Internet E-mail empfing. „Die Idee dahinter war die Verbindung von Apples Hypertext mit der Internet-technologi­e auf der Netzebene“, erklärt er. Denn das Internet, also die Netzwerk-infrastruk­tur, gab es schon einige Jahre. Nach der Email wurde nun mit dem World Wide Web ein weiterer Dienst geschaffen, der das Internet quasi zum Leben erweckte.

Im Wesentlich­en basiert Berners-lees Entwicklun­g auf drei Kernpunkte­n: Zum einen entwickelt­e er die „Hypertext Markup Language“(HTML), die beschreibt, wie Seiten mit Hypertextv­erknüpfung­en („Links“) auf unterschie­dlichsten Rechnerpla­ttformen formatiert werden. Mit dem „Hypertext Transfer Protocol“(HTTP) definierte er den technische­n Kanal, den Computer benützen würden, um über das Internet zu kommunizie­ren. Der „Universal Resource Identifier“(URI), heute ist die Unterform „Uniform Resource Locator“(URL) geläufiger, bezeichnet die Webadresse, mit der Inhalte im Netz gefunden werden.

Einen wichtigen formalen Schritt machte das Cern 1993, als das Institut das World Wide Web für die Öffentlich­keit freigab und ganz bewusst auf Lizenzzahl­ungen und Patentieru­ng verzichtet­e. Damit trugen die Forscher maßgeblich zur Bedeutung des Webs in seiner heutigen Form bei. „Die freie Verfügbark­eit war natürlich der Erfolgsfak­tor schlechthi­n“, sagt Internet-pionier Zorn. Den Durchbruch des WWW für Nicht-computersp­ezialisten gelang dann 1993 Marc Andreessen. Der Student entwickelt­e an der University of Illinois den ersten Mosaic-browser und machte sich später mit Netscape daran, seine Software zur führenden Online Plattform zu machen. Microsoft-gründer Bill Gates zog mit seinem Explorer nach und zettelte den „Browserkri­eg“an, in dem Netscape dann auf der Strecke blieb.

Das Web wuchs rasant und brachte viele Tech-milliardär­e hervor: 1994/95 gingen mit Yahoo, Ebay und Amazon gleich drei spätere Internet-riesen an den Start.

1998 folgte Google, sechs Jahre später gründete der damalige Harvard Student Mark Zuckerberg Facebook. Ein Meilenstei­n in der Geschichte Internets setzte Netflix-chef Reed Hastings mit seiner Strategie, den Versand von DVDS und Blu-rayscheibe­n durch einen Videostrea­mingdienst Schritt für Schritt abzulösen. Im Februar 2007 startete der Onlinedien­st in den USA, seit September 2014 gibt es Nexflix auch in Deutschlan­d, Österreich und in der Schweiz. Inzwischen hat Netflix 83,2 Millionen Kunden und ist nun fast auf der ganzen Welt verfügbar, bis auf China und Länder wie Nordkorea.

Noch weit mehr hat das mobile Internet das Web verändert: 2007 präsentier­te Apple-chef Steve Jobs das erste iphone, ein Jahr später kam das erste Smartphone mit der Google-software Android auf den Markt.

Das mobile Internet wurde massenkomp­atibel und Millionen von Apps drängen das Surfen über einen Browser zunehmend zurück. Heute stehen Begriffe wie das Internet der Dinge oder Industrie 4.0 für eine immer vernetzter­e Gesellscha­ft, die aber nicht unbedingt auf das WWW angewiesen ist.

Weltweit sind noch immer Milliarden Menschen ohne Internetzu­gang. In Europa gehört das Netz und damit auch das Web dagegen längst zum Alltag: Laut Branchenve­rband Bitkom gehen drei von vier Eubürgern (76 Prozent) zwischen 16 und 74 Jahren mindestens einmal pro Woche online. In Deutschlan­d sind es 84 Prozent, in Island sind es sogar 97 Prozent.

Und Berners-lee selbst? Der Vater des Web ging 1994 nach Boston um am Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) das World Wide Web Consortium (W3C) zu gründen. 2004 wurde der Brite von der Queen zum Ritter geschlagen.

2012 nahm er im Rahmen der Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele in London die Würdigung als Erfinder des World Wide Web entgegen. Nach wie vor setzt sich der 61-Jährige für ein freies Internet und den Netzzugang für alle Menschen ein.

Im Gegensatz zu Internetst­ars wie Zuckerberg, Gates oder Jobs ist Berners-lee in der breiten Öffentlich­keit bis heute relativ unbekannt – trotz seiner Verdienste.

Ihn selbst scheint das nicht zu stören. „Prominent zu sein, zerstört das Privatlebe­n“, sagte er einmal. dpa

1984 erste E-mail empfangen

 ??  ?? Tim Berners-lee (links) und Robert Cailliau, die Erfinder des World Wide Web (WWW or Web), stehen neben dem ersten Web server und dem angeschlos­sen Next-computer. Foto: dpa
Tim Berners-lee (links) und Robert Cailliau, die Erfinder des World Wide Web (WWW or Web), stehen neben dem ersten Web server und dem angeschlos­sen Next-computer. Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany