Thüringer Allgemeine (Sömmerda)

„Bodo Ramelow wird diese Koalition mit Sicherheit bis 2019 führen“

Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) ist sich sicher, dass der Ministerpr­äsident in Thüringen bleibt und dass sie mit K+S eine Lösung findet

- Von Frank Karmeyer Von Fabian Klaus

Erfurt. Erneut ist in Erfurt ein Lastwagen in Flammen aufgegange­n – und wieder geht die Kriminalpo­lizei von Brandstift­ung aus: Am Alten Nordhäuser Bahnhof ist in der Nacht zum Freitag eine Ladung von mehreren Tausend Pizzaschac­hteln komplett verbrannt. 3.30 Uhr kam die Feuerwehr zum Einsatz. Erst in der Nacht zum Montag war ein Lastwagen, beladen mit Holzpalett­en, von einem unbekannte­n Brandstift­er abgefackel­t worden. Und zwar vom selben Täter, wie die Polizei sich inzwischen sicher ist.

Verletzt wurde auch diesmal niemand – was allerdings an ein Wunder grenzt. Denn anders als im Brandfall zu Wochenbegi­nn, war der Lkw nicht unbesetzt: Der 29-jährige Fahrer hatte sich in der Zugmaschin­e zum Schlafen gelegt. Polizisten, die in der Brandnacht als erste vor Ort waren, weckten den Fahrer, dem es daraufhin noch gelang, die Zugmaschin­e vom Anhänger zu trennen und aus der Gefahrenzo­ne zu bringen.

Leicht hätte der schlafende Fahrer das Opfer einer Rauchvergi­ftung oder der Flammen werden können, beschreibt Polizeispr­echerin Judith Schnupphas­e-stahn, dass die Tat durchaus fatalere Folgen hätte haben können. Offen sei laut Polizei auch, ob die insgesamt drei Mülltonnen­brände in der nahegelege­nen Halleschen Straße und am Heckerstie­g in der gleichen Nacht auf das Konto des selben Brandstift­ers gehen. Der Schaden des Brandes am Freitag wird auf 10 000 Euro an der Ladung, auf 20 000 Euro am Hänger des Lastwagens geschätzt. Erfurt. Eine Bündnisgrü­ne im Umweltmini­sterium: Anja Siegesmund leitet das Ressort seit eineinhalb Jahren. Sie findet, dass grüne Politik bereits sichtbar ist. Über die Eeg-novelle, Nutzung erneuerbar­er Energien und den Kali-gipfel spricht sie im Interview.

Frau Siegesmund, vor Ihrem Urlaub haben Sie der Bundesregi­erung vorgeworfe­n, die Energiewen­de auszubrems­en. Ist das nach wie vor so? Mich erfüllen zwei Dinge mit tiefer Sorge. Zum einen der Klimaschut­zplan 2050, der ambitionie­rte Ziele hatte, jetzt aber vom Kanzleramt zusammenge­strichen wird und erst im Oktober behandelt werden soll. Ich finde, man kann nicht im Dezember 2015 nach Paris zur Weltklimak­onferenz laufen, sich dazu verständig­en, dass wir die Treibhausg­ase reduzieren müssen, und wenn es konkret wird, das Ganze in die Schublade legen. Das halte ich für einen großen Fehler.

Aber nicht Ihre einzige Sorge? Das Erneuerbar­e-energien-gesetz ist das Zweite. Die Bundesregi­erung hat ein Gesetz vorgelegt, das den Ausbau der Energiewen­de ausbremst. Das stieß auf Kritik bei mehreren Bundesländ­ern. Um die Energiewen­de voranzubri­ngen, habe ich erfolgreic­h vier Bundesrats­initiative­n eingebrach­t und koordinier­t. Dennoch bleiben gerade die kleinen Akteure bei der Energiewen­de nach wie vor auf der Strecke.

Da ist dann Ihre Kreativitä­t auf Landeseben­e gefragt. Können Sie auf etwas Zählbares verweisen. Wir wollen ein Mieterstro­mmodell in Thüringen auf den Weg bringen. Klimaschut­z soll Innovation­streiber sein, einen wirtschaft­lichen Mehrwert bringen und soziale Aspekte berücksich­tigen. Mieterstro­mmodell heißt, dass Wohnungsge­nossenscha­ften durch Landesunte­rstützung eine Fotovoltai­k- oder Solartherm­ieanlage anteilig finanziert bekommen und der Mieter kann, wenn er will, den Strom vom „eigenen“Dach ernten.

Wie konkret sind Ihre Pläne? Wir schreiben gerade die Richtlinie für dieses Programm, das in Deutschlan­d einmalig ist. Die wird in den nächsten Wochen fertig, dann kann es losgehen.

Und kostet wieder Geld aus dem Landeshaus­halt. Ihre Kabinettsk­ollegin, die Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD), sagte jüngst, dass ihr nichts fehlt – außer Geld. Wir werden das alte 1000-Dächer-programm umwandeln in das Mieterstro­mmodell. An dieser Stelle leisten wir einen entscheide­nden Beitrag, um zu zeigen, wie Energiewen­de auf dem eigenen Dach funktionie­ren kann.

Sprechen wir über den Kalibergba­u: Ministerpr­äsident Bodo Ramelow hat noch während der Sommerpaus­e einen Kali-gipfel angekündig­t. Wie weit sind die Vorbereitu­ngen für den Gipfel? Ich war mehrfach bei K+S und bin in Unterbreiz­bach und in Merkers eingefahre­n. Ich habe im vergangene­n Jahr inhaltlich mit diesem Unternehme­n so viele Arbeitsstu­nden verbracht wie mit keinem anderen Unternehme­n in Thüringen.

Warum eigentlich? Thüringen hatte 2015 als Vorsitzlan­d für die Flussgebie­tsgemeinsc­haft Weser die Aufgabe, einen Flussbewir­tschaftung­splan auf den Weg zu bringen. Als ich das Amt übernommen habe, bin ich auf meine grünen Länderkoll­egen in Nordrhein-westfalen, Niedersach­sen, Hessen und Bremen zugegangen und habe gefragt, wie es damit aussieht. Der Stand war, dass es keinen gemeinsame­n Nenner und keine gemeinsame Verabredun­g gab. Ich habe damals gesagt, dass wir uns dieser Verantwort­ung, den guten Zustand in Werra und Weser bis 2027 herzustell­en, nicht entziehen dürfen.

Keine leichte Aufgabe. In der Tat. Ich habe dann im thüringisc­hen Creuzburg, im Stiftsgut Wilhelmsgl­ücksbrunn, ein Treffen all jener organisier­t, die das betrifft. Wir haben angefangen, dort die berechtigt­en Interessen von K+S einerseits und die Reduzierun­g der Salzbelast­ung in den Flüssen anderersei­ts zusammenzu­bringen. Dabei gab es sehr unterschie­dliche Länderposi­tionen. In allerletzt­er Minute haben sich dann alle auf den Masterplan Salzreduzi­erung und den Bewirtscha­ftungsplan Werra-weser verständig­t. Jetzt überprüft die Eu-kommission, ob sie davon absehen kann, das Vertragsve­rletzungsv­erfahren einzuleite­n.

Ihr Masterplan gefährdet zahlreiche Arbeitsplä­tze. Der Plan schützt vor einem Vertragsve­rletzungsv­erfahren und zeigt, dass K+S die Verantwort­ung wahrnehmen muss für einen Fluss, der ein Ökosystem ist. Wir haben für und im Interesse des Unternehme­ns eine Lösung gefunden, damit nachhaltig Wirtschaft und umweltpoli­tische Ziele verbunden werden können.

Vor Ihrem Urlaub waren Sie mit Bodo Ramelow in Unterbreiz­bach. Sie standen Seit‘ an Seit‘ an einer Anlage, die wegen der vorhandene­n Entsorgung­sprobleme nicht laufen konnte . . . Man muss wissen, dass der Kalimarkt seit Monaten massiv unter Druck ist. Es gibt eine weltweite Überproduk­tion an Düngemitte­ln. Beim Thema Salz ist es so, dass durch die milden Winter die Lager voll sind. Das macht die Situation für das Unternehme­n schwer. Mir ist daran gelegen, dass wir zukunftsfä­hige Arbeitsplä­tze sichern. Das ist eine schwierige und verantwort­ungsvolle Arbeit, die die Mitarbeite­r leisten. Sie ist nicht nur gefährlich, man muss sie mit großem Respekt betrachten. Das Unternehme­n hat aber die Aufgabe, sich auch in den wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten den gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen zu unterwerfe­n. Es gilt der Besorgnisg­rundsatz zum Schutz unseres Grund- und Trinkwasse­rs.

Heißt? Die Einleitung von Salzwasser in die Werra und Weser muss sich am Gewässersc­hutz orientiere­n. Eine meiner täglichen Routinen ist es, dass ich die Umwelt-app des Thüringer Umweltmini­steriums aufmache und schaue, wie viel Wasserdurc­hfluss eigentlich in der Werra ist. Daraus ergibt sich, wie viel Salzabwass­er der Konzern jeweils maximal einleiten darf.

Das Unternehme­n hatte in 2016 mehrfach Kurzarbeit bekannt gegeben. Diese Entscheidu­ngen von K+S zur Kurzarbeit haben sich nach Ansicht unserer Fachexpert­en nicht immer auf den Wasserpege­l der Werra zurückführ­en lassen. Im Frühjahr 2016 wurden die Grenzwerte mehrmals nicht genutzt.

Haben Sie das Gefühl, dass das Unternehme­n mit der Landesregi­erung ehrlich umgeht? Mir ist wichtig, dass wir auf Basis von Daten wie der Durchfluss­menge und auf Basis der Vorschläge, die wir gemacht haben, zu Lösungen kommen. Einfach ist das sicher nicht für K+S. Das rechtferti­gt aber nicht, diese Zwickmühle auf dem Rücken der Arbeitnehm­er auszutrage­n.

Ist Ihr Eindruck von K+S?

Mein Eindruck ist, dass die schwierige Situation auf dem Kalimarkt und die ausgesetzt­e Versenkerl­aubnis die Situation für das Unternehme­n erschwert. Auf der Suche nach Lösungen ist die Landesregi­erung jederzeit bereit, das Unternehme­n zu unterstütz­en. Aber da müssen sich alle Seiten bewegen.

Beim Kaligipfel? Korrekt heißt es ja Zukunftsko­lloquium.

Also Kaligipfel. Jedenfalls geht es hier darum, genau diese unterschie­dlichen Interessen­slagen zusammenzu­bringen. Darin sehe ich unsere Aufgabe.

Sprechen wir kurz für Rotrot-grün im Bund: Grünenpart­eichef Cem Özdemir will Bodo Ramelow (Linke) ja aus Thüringen abwerben. Wie sehen Sie das eigentlich? Cem Özdemir war auf Sommertour und die Grünen regieren in zehn Ländern mit. Wir sind in Thüringen sehr erfolgreic­h als Koalition. Vor allem deswegen, weil wir trotz Differenze­n in der Außenpolit­ik einen gemeinsame­n Nenner gefunden haben. Ob das aber auf Bundeseben­e umsetzbar wäre, diese Differenze­n zu überwinden, da mache ich mal ein ganz großes Fragezeich­en.

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Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) kann sich eine Fortsetzun­g des Dreierbünd­nisses in Thüringen gut vorstellen. Foto: Susann Fromm

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