Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
„Bodo Ramelow wird diese Koalition mit Sicherheit bis 2019 führen“
Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) ist sich sicher, dass der Ministerpräsident in Thüringen bleibt und dass sie mit K+S eine Lösung findet
Erfurt. Erneut ist in Erfurt ein Lastwagen in Flammen aufgegangen – und wieder geht die Kriminalpolizei von Brandstiftung aus: Am Alten Nordhäuser Bahnhof ist in der Nacht zum Freitag eine Ladung von mehreren Tausend Pizzaschachteln komplett verbrannt. 3.30 Uhr kam die Feuerwehr zum Einsatz. Erst in der Nacht zum Montag war ein Lastwagen, beladen mit Holzpaletten, von einem unbekannten Brandstifter abgefackelt worden. Und zwar vom selben Täter, wie die Polizei sich inzwischen sicher ist.
Verletzt wurde auch diesmal niemand – was allerdings an ein Wunder grenzt. Denn anders als im Brandfall zu Wochenbeginn, war der Lkw nicht unbesetzt: Der 29-jährige Fahrer hatte sich in der Zugmaschine zum Schlafen gelegt. Polizisten, die in der Brandnacht als erste vor Ort waren, weckten den Fahrer, dem es daraufhin noch gelang, die Zugmaschine vom Anhänger zu trennen und aus der Gefahrenzone zu bringen.
Leicht hätte der schlafende Fahrer das Opfer einer Rauchvergiftung oder der Flammen werden können, beschreibt Polizeisprecherin Judith Schnupphase-stahn, dass die Tat durchaus fatalere Folgen hätte haben können. Offen sei laut Polizei auch, ob die insgesamt drei Mülltonnenbrände in der nahegelegenen Halleschen Straße und am Heckerstieg in der gleichen Nacht auf das Konto des selben Brandstifters gehen. Der Schaden des Brandes am Freitag wird auf 10 000 Euro an der Ladung, auf 20 000 Euro am Hänger des Lastwagens geschätzt. Erfurt. Eine Bündnisgrüne im Umweltministerium: Anja Siegesmund leitet das Ressort seit eineinhalb Jahren. Sie findet, dass grüne Politik bereits sichtbar ist. Über die Eeg-novelle, Nutzung erneuerbarer Energien und den Kali-gipfel spricht sie im Interview.
Frau Siegesmund, vor Ihrem Urlaub haben Sie der Bundesregierung vorgeworfen, die Energiewende auszubremsen. Ist das nach wie vor so? Mich erfüllen zwei Dinge mit tiefer Sorge. Zum einen der Klimaschutzplan 2050, der ambitionierte Ziele hatte, jetzt aber vom Kanzleramt zusammengestrichen wird und erst im Oktober behandelt werden soll. Ich finde, man kann nicht im Dezember 2015 nach Paris zur Weltklimakonferenz laufen, sich dazu verständigen, dass wir die Treibhausgase reduzieren müssen, und wenn es konkret wird, das Ganze in die Schublade legen. Das halte ich für einen großen Fehler.
Aber nicht Ihre einzige Sorge? Das Erneuerbare-energien-gesetz ist das Zweite. Die Bundesregierung hat ein Gesetz vorgelegt, das den Ausbau der Energiewende ausbremst. Das stieß auf Kritik bei mehreren Bundesländern. Um die Energiewende voranzubringen, habe ich erfolgreich vier Bundesratsinitiativen eingebracht und koordiniert. Dennoch bleiben gerade die kleinen Akteure bei der Energiewende nach wie vor auf der Strecke.
Da ist dann Ihre Kreativität auf Landesebene gefragt. Können Sie auf etwas Zählbares verweisen. Wir wollen ein Mieterstrommodell in Thüringen auf den Weg bringen. Klimaschutz soll Innovationstreiber sein, einen wirtschaftlichen Mehrwert bringen und soziale Aspekte berücksichtigen. Mieterstrommodell heißt, dass Wohnungsgenossenschaften durch Landesunterstützung eine Fotovoltaik- oder Solarthermieanlage anteilig finanziert bekommen und der Mieter kann, wenn er will, den Strom vom „eigenen“Dach ernten.
Wie konkret sind Ihre Pläne? Wir schreiben gerade die Richtlinie für dieses Programm, das in Deutschland einmalig ist. Die wird in den nächsten Wochen fertig, dann kann es losgehen.
Und kostet wieder Geld aus dem Landeshaushalt. Ihre Kabinettskollegin, die Finanzministerin Heike Taubert (SPD), sagte jüngst, dass ihr nichts fehlt – außer Geld. Wir werden das alte 1000-Dächer-programm umwandeln in das Mieterstrommodell. An dieser Stelle leisten wir einen entscheidenden Beitrag, um zu zeigen, wie Energiewende auf dem eigenen Dach funktionieren kann.
Sprechen wir über den Kalibergbau: Ministerpräsident Bodo Ramelow hat noch während der Sommerpause einen Kali-gipfel angekündigt. Wie weit sind die Vorbereitungen für den Gipfel? Ich war mehrfach bei K+S und bin in Unterbreizbach und in Merkers eingefahren. Ich habe im vergangenen Jahr inhaltlich mit diesem Unternehmen so viele Arbeitsstunden verbracht wie mit keinem anderen Unternehmen in Thüringen.
Warum eigentlich? Thüringen hatte 2015 als Vorsitzland für die Flussgebietsgemeinschaft Weser die Aufgabe, einen Flussbewirtschaftungsplan auf den Weg zu bringen. Als ich das Amt übernommen habe, bin ich auf meine grünen Länderkollegen in Nordrhein-westfalen, Niedersachsen, Hessen und Bremen zugegangen und habe gefragt, wie es damit aussieht. Der Stand war, dass es keinen gemeinsamen Nenner und keine gemeinsame Verabredung gab. Ich habe damals gesagt, dass wir uns dieser Verantwortung, den guten Zustand in Werra und Weser bis 2027 herzustellen, nicht entziehen dürfen.
Keine leichte Aufgabe. In der Tat. Ich habe dann im thüringischen Creuzburg, im Stiftsgut Wilhelmsglücksbrunn, ein Treffen all jener organisiert, die das betrifft. Wir haben angefangen, dort die berechtigten Interessen von K+S einerseits und die Reduzierung der Salzbelastung in den Flüssen andererseits zusammenzubringen. Dabei gab es sehr unterschiedliche Länderpositionen. In allerletzter Minute haben sich dann alle auf den Masterplan Salzreduzierung und den Bewirtschaftungsplan Werra-weser verständigt. Jetzt überprüft die Eu-kommission, ob sie davon absehen kann, das Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.
Ihr Masterplan gefährdet zahlreiche Arbeitsplätze. Der Plan schützt vor einem Vertragsverletzungsverfahren und zeigt, dass K+S die Verantwortung wahrnehmen muss für einen Fluss, der ein Ökosystem ist. Wir haben für und im Interesse des Unternehmens eine Lösung gefunden, damit nachhaltig Wirtschaft und umweltpolitische Ziele verbunden werden können.
Vor Ihrem Urlaub waren Sie mit Bodo Ramelow in Unterbreizbach. Sie standen Seit‘ an Seit‘ an einer Anlage, die wegen der vorhandenen Entsorgungsprobleme nicht laufen konnte . . . Man muss wissen, dass der Kalimarkt seit Monaten massiv unter Druck ist. Es gibt eine weltweite Überproduktion an Düngemitteln. Beim Thema Salz ist es so, dass durch die milden Winter die Lager voll sind. Das macht die Situation für das Unternehmen schwer. Mir ist daran gelegen, dass wir zukunftsfähige Arbeitsplätze sichern. Das ist eine schwierige und verantwortungsvolle Arbeit, die die Mitarbeiter leisten. Sie ist nicht nur gefährlich, man muss sie mit großem Respekt betrachten. Das Unternehmen hat aber die Aufgabe, sich auch in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten den gesetzlichen Rahmenbedingungen zu unterwerfen. Es gilt der Besorgnisgrundsatz zum Schutz unseres Grund- und Trinkwassers.
Heißt? Die Einleitung von Salzwasser in die Werra und Weser muss sich am Gewässerschutz orientieren. Eine meiner täglichen Routinen ist es, dass ich die Umwelt-app des Thüringer Umweltministeriums aufmache und schaue, wie viel Wasserdurchfluss eigentlich in der Werra ist. Daraus ergibt sich, wie viel Salzabwasser der Konzern jeweils maximal einleiten darf.
Das Unternehmen hatte in 2016 mehrfach Kurzarbeit bekannt gegeben. Diese Entscheidungen von K+S zur Kurzarbeit haben sich nach Ansicht unserer Fachexperten nicht immer auf den Wasserpegel der Werra zurückführen lassen. Im Frühjahr 2016 wurden die Grenzwerte mehrmals nicht genutzt.
Haben Sie das Gefühl, dass das Unternehmen mit der Landesregierung ehrlich umgeht? Mir ist wichtig, dass wir auf Basis von Daten wie der Durchflussmenge und auf Basis der Vorschläge, die wir gemacht haben, zu Lösungen kommen. Einfach ist das sicher nicht für K+S. Das rechtfertigt aber nicht, diese Zwickmühle auf dem Rücken der Arbeitnehmer auszutragen.
Ist Ihr Eindruck von K+S?
Mein Eindruck ist, dass die schwierige Situation auf dem Kalimarkt und die ausgesetzte Versenkerlaubnis die Situation für das Unternehmen erschwert. Auf der Suche nach Lösungen ist die Landesregierung jederzeit bereit, das Unternehmen zu unterstützen. Aber da müssen sich alle Seiten bewegen.
Beim Kaligipfel? Korrekt heißt es ja Zukunftskolloquium.
Also Kaligipfel. Jedenfalls geht es hier darum, genau diese unterschiedlichen Interessenslagen zusammenzubringen. Darin sehe ich unsere Aufgabe.
Sprechen wir kurz für Rotrot-grün im Bund: Grünenparteichef Cem Özdemir will Bodo Ramelow (Linke) ja aus Thüringen abwerben. Wie sehen Sie das eigentlich? Cem Özdemir war auf Sommertour und die Grünen regieren in zehn Ländern mit. Wir sind in Thüringen sehr erfolgreich als Koalition. Vor allem deswegen, weil wir trotz Differenzen in der Außenpolitik einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Ob das aber auf Bundesebene umsetzbar wäre, diese Differenzen zu überwinden, da mache ich mal ein ganz großes Fragezeichen.