Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
Wenn Einbrecher sich durch Abdrücke der Ohren verraten
Die Polizei hält sich bedeckt, um Täter nicht mit Tipps zu schulen
Erfurt. Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand – und der Einbrecher, ob die Luft am Tatort rein ist. Doch genau das kann ihm zum Verhängnis werden. Denn längst sind die Ermittler dazu übergegangen, an Tatorten auch Ohrabdruckspuren zu sichern. Schließlich sind diese ähnlich individuell wie Fingerabdrücke und folglich dazu geeignet, Kriminelle zu überführen. Angeblich gibt es unter 300 Millionen Menschen keine zwei identischen Ohren.
Wenn die Ermittler – zum Beispiel nach Wohnungseinbrüchen – Glück haben, dann hat der Täter, ehe er zur Tat schritt, sein Ohr an eine Tür gepresst und dort Horch-spuren hinterlassen. Diese können nicht nur mit Rußpulver sichtbar gemacht, sondern auch fotografiert und durch Abziehen mit einer Gelatinefolie gesichert werden. Mitunter werden dabei noch weitere Merkmale des Verursachers sichtbar, etwa der Haaransatz, die Haare oder Bereiche der Wange.
Die Tatortgruppe des Thüringer Landeskriminalamtes hat es nach Auskunft dieser Behörde eher selten mit Ohrabdrücken zu tun, die Beamten der Kriminalpolizei vor Ort indes häufiger, da in der Regel sie die Ermittler sind, die nach Wohnungseinbrüchen gerufen werden und sich auf Spurensuche begeben. Ausgewertet werden die Ohrabdrücke indes nicht in Thüringen, sondern von einem Sachverständigen der Hamburger Polizei. Die jedoch will sich zu ihrer Arbeit nicht äußern und keine Hintergründe zu Ohrabdruckspuren preisgeben. Denn noch sei die neue Methode bei Tätern weitgehend unbekannt, heißt es. Spreche sie sich erst herum, werden sich zumindest die Intelligenteren unter den Einbrechern hüten, am Tatort ganz Ohr zu sein. Die Pressestelle der Hamburger Polizei befürchtet, dass eine Veröffentlichung von Details einer „Täterschulung“gleichkäme, weshalb sie lieber nichts dazu verlauten lassen will.
Bundesweit sind inzwischen Täter überführt worden, weil ihr Ohrabdruck sie verriet. So konnte die Erfurter Kripo im November 2015 anhand seiner Ohrabdrücke einen 22-Jährigen fassen, dem rund 30 Einbrüche und räuberischer Diebstahl zur Last gelegt werden.
Denn auch wenn viele Täter die Taten sehr überlegt und vorausschauend begehen, mit Handschuhen und Ganzkörperanzügen zu Werke gehen: Daran, dass die Ermittler längst auch Wände und Türen gezielt nach Abdrücken von Ohr, Wange oder Haar absuchen, die die Täter versehentlich hinterlassen, denken sie meist nicht.
Ohrabdrücke sind indes nicht nur bei Einbrüchen eine wichtige Spur, sondern auch bei anderen Straftaten, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt. Als Beispiel führt er einen „nicht natürlichen Todesfall“an, bei dem an einer Tür in Höhe von 150 und 170 Zentimetern eben nicht nur sogenannte daktyloskopische, also Fingerabdrücke sichtbar gemacht wurden, sondern auch drei Ohrabdrücke.