Thüringer Allgemeine (Sömmerda)
„Für mich ist jedes Konzert auch ein Akt der Kommunikation“
Ein Gespräch mit der zauberhaften Pianistin Yulianna Avdeeva, die während ihrer Welttournee auf der Wartburg gastiert
Eisenach. Im Frühjahr hat die junge, russische Pianistin Yulianna Avdeeva ihre vierte Solocd – mit Werken von Mozart, Chopin und Liszt – vorgelegt, jetzt tourt sie um die halbe Welt und gastiert unter anderem in Singapur, Osaka, Luzern und Warschau sowie beim Mdrmusiksommer in Eisenach.
Sie befinden sich ja regelrecht auf einer pianistischen Weltreise. Kriegen Sie da von den Städten mehr zu sehen als Hotelzimmer und Konzertsäle? Kaum. Ich bin absolut fokussiert auf die Auftritte, und ich übe viel, auch wenn ich unterwegs bin. Deshalb ist die Zeit, sich umzuschauen, leider immer viel zu knapp. Aber ich lese zur Vorbereitung viel über die Städte, die ich besuche. Das interessiert mich sehr, ein Spaziergang vor Ort muss mindestens möglich sein, und ich versuche auch mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, weil ich erfahren möchte, wie sie denken und was sie bewegt.
Sie spielen Liszt auf der Wartburg. Hat Liszts Bezug zum Genius loci für Sie eine Bedeutung? Aber ja! Auf der Wartburg habe ich 2011 schon einmal ein Rezital mit Liszt-werken gespielt, darunter auch seine Klavierfassung der „Tannhäuser“-ouvertüre. Die Atmosphäre empfinde ich dann als eine sehr besondere, weil man geradezu eine Nähe des Meisters zu spüren meint. Das inspiriert mich sehr. Steigert das auch Ihren Erwartungsdruck an sich selbst? Nein, das versuche ich zu vermeiden. Während eines Konzertes sollte es keine Rolle spielen, ob es ein kleiner oder großer Saal ist und wo er sich befindet. Ich musiziere für die Menschen, die zuhören – in dieser Situation unabhängig von allen äußeren Faktoren. Inwieweit bringen Sie – zum Beispiel bei einem Liszt/beethoven-programm wie in Eisenach – eigene Gefühle in die Interpretation ein? Grundsätzlich ist der Notentext für mich die Basis. Ihn genau zu kennen und die Ideen des Komponisten darin genau zu verstehen, ist für mich das Entscheidende. Natürlich entsteht daraus eine individuelle Interpretation eines Werkes, die sich von denen anderer Kollegen unterscheidet. Und natürlich ist jedes Konzert auch ein Akt der Kommunikation zwischen dem Publikum und mir.
Was verbinden Sie mit den Liszt-werken, die Sie auf der Wartburg interpretieren? Ich spiele späte Klavierstücke, die er in seiner letzten Schaffensperiode komponiert hat. Die finde ich deshalb so aufregend, weil er sich damit von allem, was er zuvor geschrieben hat, komplett löst. Gerade solche Stücke wie „La lugubre Gondola“, „Unstern!“oder „R. W. — Venezia“sind Werke, die sich ausschließlich mit Stimmungen und Atmosphären befassen. Da gibt es keine Tonalität mehr – geschweige denn, dass es um Virtuosität und Schwierigkeitsgrade ginge.
Dabei ist diese Musik beileibe nicht atonal. Das stimmt. Aber sie ist ungeheuer modern und öffnet bereits eine Tür in das 20. Jahrhundert. Das geht schon in Richtung Skrjabin und Bartók. Umso spannender finde ich es, danach die h-moll-sonate zu hören, weil Liszts Spätwerk einen anderen Blick darauf ermöglicht.
Und Beethoven, den Liszt ja sehr verehrte?
Ich bringe nach Eisenach drei Werke der mittleren Schaffensperiode mit, die e-moll-sonate opus 90, die 32 Variationen und die Es-dur-sonate opus 81a mit dem Beinamen „Les Adieux“. Ich finde gerade die e-moll-sonate wirklich einzigartig. Da spürt man bei aller Energetik, die darin noch enthalten ist, auch schon, wie sich das Spätwerk mit seinen Seelenzuständen am Horizont abzeichnet. Aber alle drei Werke zeigen sehr unterschiedliche Seiten des Genies Beethovens.
Sie haben 2010 als vierte Frau den Chopin-wettbewerb in Warschau gewonnen. War das der Durchbruch? Natürlich. So etwas ist ein Schlüssel, der auf der ganzen Welt Türen aufmacht.
. August, . Uhr, Konzert auf der Wartburg in Eisenach. Tickets unter Tel. /
!